Alle Beachtung verdient ein Beitrag "Der Benutzer, ein Feind der Archivpolitik", in dem sich Gerd Simon Gedanken zur praktischen Regelung der Benutzung aus der Perspektive eines von Benutzungsrestriktionen geplagten Benutzers macht:
http://homepages.uni-tuebingen.de/gerd.simon/archivpolitik.pdf
Auszug:
Aus dem allem folgen für mich eine Reihe von Veränderungsvorschlägen, gleichsam als Zukunftsvision:
1. Statt teure Sachmittel (Computer, Filmgeräte, Software und so weiter) zu kaufen, sollte
das Geld in qualifiziertes Personal gesteckt werden, dessen Hauptaufgabe wäre: Die
nicht paginierten Akten zu paginieren und Regesten herzustellen zu jedem Schriftstück
mit genauer Fundortangabe (von ? bis ? ). Studentische Hilfskräfte der Geschichtswissenschaften
wären sicher dankbar für diesen Job. Natürlich muss ein fest
Angestellter gleichsam als Supervisor deren Arbeit verantwortlich überprüfen. Die
Namen der Hilfskraft und des Supervisors stehen am Schluss aller Regesten.
2. Die Regesten müssten mit genauer Positionsangabe peu à peu ins Internet gestellt
werden. Fernbestellungen per Internet müssten die Regel werden. Was spricht dagegen,
Antragstellern zu antworten: ?Sie finden das angeforderte Schriftstück in voraus-sichtlich
zehn Tagen unter http://... im Internet.?? Der Fernbestelldienst müsste entsprechend
aufgestockt werden. Der normale Benutzerdienst, der ja dadurch entlastet
wird, könnte zugleich verringert werden. Bei den BDC-Akten bietet sich dazu eine
Kooperation mit den Amerikanern an.
3. Den Wissenschaftlern müsste das Recht eingeräumt werden, stichprobenweise wieder
die Originale einsehen zu können. Natürlich weiß ich, dass es in der Wissenschaft
nicht ohne Vertrauen geht. Aber wo auch nur partielle Kritik verwehrt wird, weckt das
erst den Verdacht, dass da nicht sauber gearbeitet wurde.
4. Filme und Fiches waren die Repräsentationstechnologien der 50er Jahre. Optimal wäre
die Möglichkeit, die Originale einsehen und ihre Repräsentanten im Internet direkt
weiter verarbeiten zu können. Dabei ist es wenig sinnvoll, nach der Aktenfolge vorzugehen.
Die Nachfrage sollte die Reihenfolge bestimmen. Dabei sollte die Präsentation
im Internet nicht erst geschehen, wenn eine bestimmte Anzahl von Scans fertiggestellt
ist, sondern nach jedem Schriftstück, das eingescannt ist, sofort erfolgen. Es ist ohnehin
eine Unart der Deutschen, zehn Kilometer Autobahnstrecke monatelang zu sperren,
wenn man doch bestenfalls 100 Meter am Tag reparieren kann.
5. Ein potenter Sponsor oder auch eine mit entsprechenden Mitteln ausgestattete Kommission
der beteiligten Einrichtungen und Verbände (Archive, Universitäten, Wissenschaftliche
Gesellschaften und ?Förderungsinstitutionen) sollten in Karlsruhe beziehungsweise
am Europäischen Gerichtshof einen Musterprozess anstrengen, damit dem
Datenschutz die Funktion des Nazi- und Verbrecherschutzes endlich entzogen wird.Es ist einfach ein Unding, dass nach mehr als 50 Jahren vergleichsweise der ganze
Sternenhimmel ungehindert erforscht werden darf, nur nicht der Orion-Nebel, weil ein
zu allgemein geratenes Gesetz das unter den Datenschutz stellt.
6. Im Bibliotheksbereich ist man inzwischen dazu übergegangen, die ?Giftschränke? zu
öffnen. Ende 2002 veranstaltete sogar die >Bayerische Staatsbibliothek< in München
eine Ausstellung (?Der Giftschrank?), auf der man viele bis dahin weggesperrte Bücher
entdecken konnte. Welches Archiv startet wann als erstes ein vergleichbares Unternehmen?
Natürlich sind das Utopien. Aber eine Utopie gibt die Marschrichtung vor, an der dann Zwischenlösungen
gemessen werden können, ob sie in dieser Linie liegen oder das Fernziel gefährden
oder gar verhindern. Ich bin jetzt 66 Jahre alt und werde mit Sicherheit die Verwirklichung
dieser Utopien ? wenn sie oder Überzeugenderes denn überhaupt je realisiert wird ?
nicht mehr erleben. Aber vielleicht macht sich dereinst einmal wieder eine Art Raabe eine
solche Utopie zueigen. Oder sind Service-Leister, Wissenschaftler und Politiker in Deutschland
weiterhin gefangen in Ängstlichkeit und von dieser geprägtem Machbarkeitswahn? Was
machbar ist, ist eine Sache des Mutes. Oder hat den ? um Lessing zu variieren ? nur der Mameluck?
http://homepages.uni-tuebingen.de/gerd.simon/archivpolitik.pdf
Auszug:
Aus dem allem folgen für mich eine Reihe von Veränderungsvorschlägen, gleichsam als Zukunftsvision:
1. Statt teure Sachmittel (Computer, Filmgeräte, Software und so weiter) zu kaufen, sollte
das Geld in qualifiziertes Personal gesteckt werden, dessen Hauptaufgabe wäre: Die
nicht paginierten Akten zu paginieren und Regesten herzustellen zu jedem Schriftstück
mit genauer Fundortangabe (von ? bis ? ). Studentische Hilfskräfte der Geschichtswissenschaften
wären sicher dankbar für diesen Job. Natürlich muss ein fest
Angestellter gleichsam als Supervisor deren Arbeit verantwortlich überprüfen. Die
Namen der Hilfskraft und des Supervisors stehen am Schluss aller Regesten.
2. Die Regesten müssten mit genauer Positionsangabe peu à peu ins Internet gestellt
werden. Fernbestellungen per Internet müssten die Regel werden. Was spricht dagegen,
Antragstellern zu antworten: ?Sie finden das angeforderte Schriftstück in voraus-sichtlich
zehn Tagen unter http://... im Internet.?? Der Fernbestelldienst müsste entsprechend
aufgestockt werden. Der normale Benutzerdienst, der ja dadurch entlastet
wird, könnte zugleich verringert werden. Bei den BDC-Akten bietet sich dazu eine
Kooperation mit den Amerikanern an.
3. Den Wissenschaftlern müsste das Recht eingeräumt werden, stichprobenweise wieder
die Originale einsehen zu können. Natürlich weiß ich, dass es in der Wissenschaft
nicht ohne Vertrauen geht. Aber wo auch nur partielle Kritik verwehrt wird, weckt das
erst den Verdacht, dass da nicht sauber gearbeitet wurde.
4. Filme und Fiches waren die Repräsentationstechnologien der 50er Jahre. Optimal wäre
die Möglichkeit, die Originale einsehen und ihre Repräsentanten im Internet direkt
weiter verarbeiten zu können. Dabei ist es wenig sinnvoll, nach der Aktenfolge vorzugehen.
Die Nachfrage sollte die Reihenfolge bestimmen. Dabei sollte die Präsentation
im Internet nicht erst geschehen, wenn eine bestimmte Anzahl von Scans fertiggestellt
ist, sondern nach jedem Schriftstück, das eingescannt ist, sofort erfolgen. Es ist ohnehin
eine Unart der Deutschen, zehn Kilometer Autobahnstrecke monatelang zu sperren,
wenn man doch bestenfalls 100 Meter am Tag reparieren kann.
5. Ein potenter Sponsor oder auch eine mit entsprechenden Mitteln ausgestattete Kommission
der beteiligten Einrichtungen und Verbände (Archive, Universitäten, Wissenschaftliche
Gesellschaften und ?Förderungsinstitutionen) sollten in Karlsruhe beziehungsweise
am Europäischen Gerichtshof einen Musterprozess anstrengen, damit dem
Datenschutz die Funktion des Nazi- und Verbrecherschutzes endlich entzogen wird.Es ist einfach ein Unding, dass nach mehr als 50 Jahren vergleichsweise der ganze
Sternenhimmel ungehindert erforscht werden darf, nur nicht der Orion-Nebel, weil ein
zu allgemein geratenes Gesetz das unter den Datenschutz stellt.
6. Im Bibliotheksbereich ist man inzwischen dazu übergegangen, die ?Giftschränke? zu
öffnen. Ende 2002 veranstaltete sogar die >Bayerische Staatsbibliothek< in München
eine Ausstellung (?Der Giftschrank?), auf der man viele bis dahin weggesperrte Bücher
entdecken konnte. Welches Archiv startet wann als erstes ein vergleichbares Unternehmen?
Natürlich sind das Utopien. Aber eine Utopie gibt die Marschrichtung vor, an der dann Zwischenlösungen
gemessen werden können, ob sie in dieser Linie liegen oder das Fernziel gefährden
oder gar verhindern. Ich bin jetzt 66 Jahre alt und werde mit Sicherheit die Verwirklichung
dieser Utopien ? wenn sie oder Überzeugenderes denn überhaupt je realisiert wird ?
nicht mehr erleben. Aber vielleicht macht sich dereinst einmal wieder eine Art Raabe eine
solche Utopie zueigen. Oder sind Service-Leister, Wissenschaftler und Politiker in Deutschland
weiterhin gefangen in Ängstlichkeit und von dieser geprägtem Machbarkeitswahn? Was
machbar ist, ist eine Sache des Mutes. Oder hat den ? um Lessing zu variieren ? nur der Mameluck?
KlausGraf - am Mittwoch, 5. November 2003, 02:06 - Rubrik: Oeffentlichkeitsarbeit