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Leider verfügen wir weder über ein Corpus profaner Wandmalereien des Mittelalters noch über eine Zusammenstellung literarisch relevanter Bildzeugnisse außerhalb der Handschriften. Sakrale Werke dominieren in der Zusammenstellung von Johannes Wilhelm: Augsburger Wandmalerei 1368-1530 (1983).

Um 1416 datiert Wilhelm (S. 164-168 Katalog Nr. 15) den Turnierkampf mit Keulen und Schwertern aus dem Stettenhaus Martin Lutherplatz 3/5 (Nachzeichnung und Fragmente erhalten). Ob tatsächlich nur das im August 1416 überlieferte Turnier als Anlass in Betracht kommt, bleibt zu überprüfen.

Zur späteren Pflege des Turnierwesens durch Augsburger Bürger (Turnierbuch Marx Walthers):

http://archiv.twoday.net/stories/948994034/

Zeitlich früher liegen die Malereien des Pfettner-Hauses (S. 140-148 Katalog Nr. 3), 1968 bei Umbauarbeiten des Hauses Philippine-Welser-Straße 20 aufgedeckt. Aufgrund der Darstellung einer Katze bringt Wilhelm die Jagd-Darstellungen mit dem wichtigen Augsburger Ratsherrn Paul Pfettner, der 1366 und 1367 Augsburger Stadtpfleger war und eine schleichende Katze im Wappen führte, in Verbindung. Da Pfettner nach 1368 das Haus nicht mehr bewohnt, setzt Wilhelm die Bilder vor 1368 an, was stilistisch von Kunsthistorikern zu überprüfen wäre.

Die Bilder zeigen: "Hirschhetze mit Jagdgefolge", "Hirschhetze" und eine von Wilhelm um 1370 datierte Darstellung "Wand mit Brustbildern berühmter Männer". Wilhelm schreibt: "Es entspricht sicherlich nicht dem Normalbild eines Patriziers, sich auf Hochwildjagd, noch dazu vom Pferd aus, zu begeben" (S. 144). Das scheint mir die historischen Verhältnisse zu verkennen: Vornehme Patrizier lebten adelsgleich und pflegten selbstverständlich die Jagd auf hohem Ross.

Unglücklich ist die für das 14. Jahrhundert in Deutschland eher anachronistische Bezeichnung "berühmte Männer" für zwei Brustbilder barhäuptiger Männer, die jeweils ein Spruchband mit Inschrift halten. Wilhelm liest:
"I wár vbel zwár .. all nam wu.. wár" (bei Wilhelm steht statt á a mit einem - darüber, desgleichen bei dem v in vber)
"Der ze lang ..."

Wer möchte, kann ja auf Abbildung 7 im Anhang von Wilhelm die Lesung überprüfen. Vielleicht helfen dereinst die Deutschen Inschriften weiter (oder das, was von ihnen nach Auslauf der Akademienfinanzierung übriggeblieben ist ...).

Meines Erachtens handelt es sich um Darstellungen von sogenannten "Autoritäten", also im Mittelalter bekannten Persönlichkeiten, denen man Sprüche in Prosa oder Versen in den Mund legte. Die Worte Zwar und war deuten in diesem Fall auf gereimte Sprüche hin. Wilhelm sagt zu Recht, dass die Barhäuptigkeit gegen die Darstellung von Propheten, die sonst dem ikonographischen Typus entsprechen, spricht (S. 147), zeigt sich aber wenig kenntnisreich, wenn er zugleich behauptet: "Auch der Standort in dem Saal eines Privathauses ist mit der Prophetenausdeutung nicht vereinbar". Gerne hat man im Mittelalter auch im profanen Kontext Autoritäten-Sprüche den Propheten in den Mund gelegt.

Zu Autoritäten-Sprüche außerhalb von Handschriften, also auf (meist profanen) Sachzeugnissen, kann man sich im Netz auf einer Seite des Freidank-Repertoriums

http://www.mrfreidank.de/inschriften

unterrichten und vor allem in dem von Ulrich Seelbach verantworteten "Repertorium deutschsprachiger Autoritäten"

http://www.uni-bielefeld.de/lili/forschung/projekte/bra/
http://www.uni-bielefeld.de/lili/forschung/projekte/bra/siglen.html

Ärgerlich ist das Fehlen einer Volltextsuche; immerhin scheint die lokale Suchmaschine der Uni Bielefeld brauchbar.

Solche Sprüche waren im Spätmittelalter in Rathäusern (z.B. in Magdeburg) sicher beliebter als es die fragmentarischen Bezeugungen nahelegen.

Weder bei Seelbach noch im Freidank-Projekt berücksichtigt sind die Ulmer Wandbilder im Ehinger Hof, obwohl Norbert H. Ott auf Freidank-Sprüche aufmerksam gemacht hatte.

http://books.google.de/books?id=a7W6GRG0G0UC&pg=PA164

Wenig hilfreich ist es, als einzige Sekundärliteratur einen extrem entlegenen Zeitungsartikel aus dem Jahr 1971 zu nennen - mit der recht hypothetischen Behauptung eines Zusammenhangs mit den Bozener Runkelsteinbildern (in Bozen wirkte der Ulmer Maler Hans Stocinger).

Ich habe im Augenblick nur den Aufsatz von Karl Siegfried Bader zur Hand: Zur Deutung des alten Gemachs und seiner Fresken im ehemaligen Ehinger Hof in Ulm, in: Zeitschrift für württembergische Landesgeschichte 6 (1942), S. 305-322. Bader gibt S. 310f. den Wortlaut der Sprüche.

Nordwand:
"Es ist wol das im guot geschicht der rainen frowen guotes get"
"Marian raines keusches lebe(n) hat allen frowen preis geben"

Nordostwand
"der haillig gaist werket das das die sonne schint durch d(as) glas"
"du sult vessen das da ist die namen vrouwe vatter krist"

Südostwand:
"verlürt sin er hüt ain man er moß ir immel mangel han"
"got est an strengen gerechtigkeit der kein übel die (l)engin vertret"

Südliche Schmalseite:
"lieb ist ain wildiu hab - hüt lib moren schbab"

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Verse in Professor Seelbachs Repertorium gehören. Sie stellen aber eine zeitgenössische Parallele zu den Augsburger Wandbildern dar.

In der Wikipedia heißt es zum späteren Ehinger und früheren Reichenauer Hof und dem heute als Minnesängersaal bezeichneten Raum,

http://de.wikipedia.org/wiki/Reichenauer_Hof_%28Ulm%29

das Haus sei von Bürgermeister Ulrich Krafft erbaut worden, und die Ausmalung stamme von ca. 1370/80. Jedenfalls weisen die Wappen auf vornehme Ulmer Familien des 14. Jahrhunderts. Eine Farbabbildung der Darstellung an der Nordostwand gibt es auf Commons:

http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Ulm_-_Deckenfreske_im_Minnesängersaal_im_Grünen_Hof.JPG

"[U]nzweifelhaft jüdische Physiognomie" wollte der spätere herausragende Rechtshistoriker Bader 1942 (!) bei zwei Weisen der Nord- und Ostwand erkennen (S. 318). Seiner Ansicht, dass Gestalten des Alten Testaments dargestellt werden sollten, kann man jedoch zustimmen.

Der angebliche Freidank-Spruch ("got est ...") findet sich in der Freidank-Handschrift Cgm 523 (eventuell aus Augsburg),

http://www.uni-bielefeld.de/lili/forschung/projekte/bra/Mue1.html

gehört aber nicht zum Freidank-Corpus. Zum darüberstehenden Spruch (verliert ein Mann einmal seine Ehre, ist sie für immer verloren) finde ich bei Seelbach eine Parallele in einer Basler Handschrift:

http://www.uni-bielefeld.de/lili/forschung/projekte/bra/Ba6.html

(Erwähnt sei noch, dass der ein Liebespaar begleitende Spruch an der südlichen Schmalseite etwas abgewandelt sprichwörtlich war:

http://woerterbuchnetz.de/DWB/?sigle=DWB&mode=Gliederung&hitlist=&patternlist=&lemid=GS03150 s.v. schabab)

Aus dem 14. Jahrhundert stammen auch die Erfurter Rundschilde (ehemals im Großen Ratssaal des Erfurter Rathauses) "mit Brustbildern männlicher Personen und Sprüchen aus Freidank".

http://www.mrfreidank.de/11

Diese Zeugnisse lassen den Schluss zu, dass städtische Oberschichten es im 14. Jahrhundert (anscheinend in der zweiten Hälfte) liebten, auf Wandbildern oder anderen Gegenständen "Autoritäten" darzustellen, denen man prägnante und verbreitete (sonst in Handschriften greifbare) Spruchweisheiten als Inschriften beigab.

Update: Das Landesmuseum Mainz verwahrt Wandmalereifragmente mit der Darstellung eines Propheten (?) aus dem Haus zum Widder in Mainz (Brand 9), zweite Hälfte 14. Jahrhundert. Über ihm befindet sich ein Spruchband mit nicht mehr lesbarer Inschrift. Einer anderen Person (thronend, wohl weiblich) ist ebenfalls ein Spruchband beigegeben: Gutenberg aventur und kunst (2000), S. 62.

Update:

Seelbach hat das Ulmer Zeugnis registriert:

http://www.uni-bielefeld.de/lili/forschung/projekte/bra/Ul4.html

Und auch das Augsburger:

http://www.uni-bielefeld.de/lili/forschung/projekte/bra/Au3.html

#forschung
#epigraphik

Franzfoto http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de
Ulrich Seelbach (Gast) meinte am 2014/11/22 21:07:
Suchfunktion nutzen
"Ärgerlich ist das Fehlen einer Volltextsuche; immerhin scheint die lokale Suchmaschine der Uni Bielefeld brauchbar."
Man kann die lokale Suchmaschine der Uni Bielefeld gezielt die Unterseiten des Projekts durchsuchen lassen. Suchfunktion nutzen: Wenn nur die Unterseiten dieses Projekts durchsucht werden sollen, dann muss neben dem/den Suchbegriff(en) auch die url mit eingegeben werden: z.B.
Aristotiles url:www.uni-bielefeld.de/lili/forschung/projekte/bra/
Ich habe diesen Hinweis auch auf meiner Seite untergebracht, damit Nutzer schneller bestimmte Textstellen in den Seiten finden können. 
Ulrich Seelbach (Gast) antwortete am 2014/12/04 16:24:
Es geht noch einfacher
Die Uni-Suchmaschine kann gezielt für die Unterseiten meines Repertoriums genutzt werden und es ist nicht notwendig, die gesamte URL anzugeben, es reicht dies hier auf der Indexseite zum Suchwort hinzusetzen: URL:\bra
Aristot* URL:\bra 
 

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