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Christian Vogel: Zehn vormals standesherrliche Archive in Zentralhessen. Birstein, Vierfach Büdingen (Isenburg), Braunfeld, Lich, Laubach (Solms), Doppelt Ortenberg (Stolberg). Fortsetzung der Monarchie ins Hessen des 21. Jahrhunderts. Gelnhausen und Assenheim: Selbstverlag 2015. 66 S.

Zusammenfassung und Bezugsmöglichkeiten:
http://www.vfh-vogelsberg-wetterau-kinzigtal.de/aktuelles

Christian Vogel, Vorsitzender der Vereinigung für Heimatforschung Vogelsberg-Wetterau-Kinzigtal e.V., deckt mit dieser brisanten Broschüre den skandalösen Umgang des hessischen Wissenschaftsministeriums mit ehemals standesherrlichen Archiven auf. Es geht um die Dokumente von neun Kleinstaaten, die von drei Adelsfamilien regiert wurden: Isenburg, Solms und Stolberg. Neben den gedruckten Rechtsnormen und Erwähnungen in Veröffentlichungen (z.B. vom Büdinger Archivar Dr. Decker) dienten als Quelle Akten des Staatsarchivs Darmstadt und einzelne Auskünfte des Fideikommissgerichtes mit Sitz in Kassel.

Vogel kann zeigen, dass die standesherrlichen Archive nach Ansicht des 19. Jahrhunderts in ein Landesarchiv, das staatliches Eigentum darstellt, und ein Familienarchiv zerfallen. Er beruft sich auf ein Gutachten des Direktors des Staatsarchivs Darmstadt 1929 (S. 8 Anm. 1) und Äußerungen des hessischen Staatsregierung 1930 (S. 12). Der Verdacht liegt nahe, dass das Land Hessen alles tun wird, diese Rechtsauffassung als obsolet darzustellen.

Für den nicht-staatlichen Teil der Archivüberlieferung hat die Gesetzgebung über die Auflösung der Fideikommisse in der Weimarer Republik und der NS-Zeit nach wie vor gültige Sicherungsmaßnahmen, die den Schutz der Sammlungen gegen Ausverkauf und ihre Zugänglichkeit garantieren sollten, geschaffen. Zum Hessischen Gesetz vom 11. November 1923 merkt der Autor an: "Man fragt sich nach Lektüre der eindeutigen Bestimmungen zu Sammlungen und Büchereien, wie mehrfach Archive ohne Genehmigung örtlich verlagert bzw. in Büdingen ohne eine solche nicht nur eine einzelne mittelalterliche Handschrift, sondern gleich ganze Bibliotheken oder wesentliche Teile davon veräußert werden konnten" (S. 17).

Siehe dazu:
http://archiv.twoday.net/stories/1808038/

Die durch die Gesetzgebung 1923/38 geschaffene Rechtslage ist "fast völlig in Vergessenheit geraten" (S. 21). Daran hat sicher auch der in Kassel ansässige Fideikommiss-Senat des OLG Frankfurt, der als Verwaltungsbehörde für die Aufsicht über die nach wie vor geschützten Sammlungen zuständig ist, Schuld.

Nach Darstellung dieser juristischen Voraussetzungen geht Vogel auf die einzelnen Archive ein, die hinsichtlich ihres Inhalts kurz charakterisiert werden, soweit Angaben zu ermitteln waren. Wichtige Dokumente zur Rechtsstellung legt er als Faksimile vor.

Für die besonders gefährdeten Isenburger Archive stellt Vogel dar, dass aufgrund einer Vereinbarung zwischen Preußen und Hessen 1923 für die Archive Stiftungen hätten errichtet werden müssen, was aber nur in zwei von fünf Fällen geschah. Für das Büdinger Gesamtarchiv und das Archiv in Birstein wurde 1931 eine gemeinsame Archivbenutzungsordnung erlassen (Faksimile S. 26-29). Jedenfalls hinsichtlich der Rentkammerarchive muss Vogel aber konstatieren, dass niemand bekannt ist, der eine Ortsakte des 18./19. Jahrhundert zu Gesicht bekommen hätte (S. 41).

Zur Berichterstattung über die Machenschaften des faktischen Inhabers der Archive:

http://archiv.twoday.net/search?q=b%C3%BCdingen

Eigentümer des Archivs von Solms-Braunfels ist eine Familienstiftung. Eine Benutzungsordnung, die im Kern der Benutzungsordnung von 1929 entspricht, wurde 1997 dem Fideikommissgericht vorgelegt. Die Benutzungsordnung von Solms-Lich von 1931 ist S. 52-55 faksimiliert. Für Solms-Laubach beruft sich der Autor nur allgemein auf die Fideikommiss-Auflösungsgesetzgebung. Es muss aber einen Auflösungsbeschluss geben, der Sicherungen u.a. für das Archiv vorzusehen hatte. Ob sich Vogel danach beim Gericht erkundigt hatte und ob er ihm verweigert wurde, erfährt der Leser leider nicht.

Bei den Stolberger Archiven in Ortenberg führt Vogel Beschlüsse des Fideikommissgerichts von 1959 und 1984 an, die ihm aber offenbar nicht vorlagen - es ist ein Unding, dass solche im Interesse der Allgemeinheit erlassenen Entscheidungen nicht herausgegeben werden. Hier wäre eine Klage gegen das Fideikommissgericht angebracht.

Ein abschließender sehr knapper Überblick zu den anderen standesherrlichen Archiven in Hessen nennt auch die Erbacher Archive. Auf die durch einen Fideikommissgerichtsbeschluss von 1951 geschützten Erbacher Kulturgüter bezieht sich der Aufsatz von Christoph Mohr: Gebundenes Adelsvermögen - Schloss und Ausstattung unter Fideikommissabwicklungsrecht, in: Das Schloss und seine Ausstattung als denkmalpflegeriche Aufgabe (1995), S. 82-86 (das Fideikommiss in Südhessen ist Erbach). Hier ist nachzulesen, wie der Eigentümer entgegen der eindeutigen juristischen Vorgaben dreist hochbedeutende Sammlungsteile verscherbelte - und das Fideikommissgericht ließ ihn gewähren!

Vogels abschließendem Fazit ist zuzustimmen: "Der Staat ist zur Intervention verpflichtet. Die beste Lösung wäre, die zehn organisch gewachsenen vormals standesherrlichen Archive zusammenzulassen und an einem zentralen Ort in Oberhessen als gemeinsames Eigentum von Land und jetzigen Inhabern zusammenzuführen" (S. 66).

Vogels Einsatz für die Zugänglichkeit der Adelsarchive verdient Unterstützung. Seine Resultate ergänzen die Aussagen zur Adelsarchivpflege in den Sammelbänden des Hessischen Staatsarchivs Marburg "Adelsarchive in der historischen Forschung" (2014)

http://archiv.twoday.net/stories/948988269/

und "Adelsarchive - zentrale Quellenbestände oder Curiosa?" (2009)

http://archiv.twoday.net/stories/133336582/

Da ihnen größtmögliche Publizität zu wünschen ist, ist es aus meiner Sicht unverständlich, wieso Vogel die Broschüre nicht auch ins Internet gestellt hat.
 

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