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In meiner Urheberrechtsfibel (PDF) behandelte ich 2009 folgenden fiktiven Fall zu § 17 UrhG, der das Verbreitungsrecht und den sogenannten Erschöpfungsgrundsatz regelt:

"Wer aus dem Thailand-Urlaub eine dort legal vertriebene Musik-DVD mitbringt und bei eBay anbietet, kann wegen Urheberrechtsverletzung abgemahnt werden. Angebot und Inverkehrbringen des Werks (Original oder Kopie)
müssen sich in der Öffentlichkeit abspielen. Wenn der Thailandurlauber die DVD im Freundeskreis verschenkt oder verkauft, handelt er legal. Mit der Einstellung der Auktion bei dem Online-Auktionshaus erfolgt aber ein öffentliches Anbieten.
Durch das Inverkehrbringen wird das Werk aus der internen Betriebssphäre des Urhebers, Herstellers oder Verwerters entlassen. Eine konzerninterne Weitergabe ist kein Inverkehrbringen. [...]

Absatz 2 ist der sogenannte Erschöpfungsgrundsatz. Dem Urheber
steht nur das Recht der Erstverbreitung zu. Verschenkt, verkauft oder tauscht er das Werk, soll er weitere Veräußerungen nicht mehr kontrollieren dürfen. Einzig und allein die Vermietung unterliegt seinem Verbotsrecht. Wer einen urheberrechtlich geschützten Gartenzwerg kauft, darf diesen sowohl weiterverkaufen als auch in seinen Vorgarten stellen, wo er
dann – gemäß der Panoramafreiheit des § 59 – vom Gartenzaun aus
vergütungsfrei fotografiert werden darf (auch zu gewerblichen Zwecken).

Die Erschöpfung gilt nur für die EU/EWR (der Europäische Wirtschaftsraum erweitert die EU um Liechtenstein, Norwegen und Island), nicht aber z. B. für Thailand in meinem Beispiel. Hier lauert eine üble Abmahnfalle, denn der normale Bürger wird selbstverständlich davon ausgehen, dass er legal erworbene Waren – schließlich handelt es sich ja nicht etwa um Raubkopien – ohne weiteres weiterverkaufen kann. Dass die Erschöpfung nur europaweit gilt, ist schlicht und einfach nicht fair und verstößt auch gegen das Eigentumsgrundrecht des nichtsahnenden
Verbrauchers. Ist eine Weitergabe nur im Bekannten- oder Freundeskreis möglich, so wird die Verkehrsfähigkeit der Ware unzumutbar beeinträchtigt. Die Erschöpfung muss weltweit gelten!"

Zu ergänzen ist, dass der Europäische Gerichtshof 2006 im Laserdisken-Fall verboten hat, dass der nationale Gesetzgeber die Erschöpfung über den EU-Wirtschaftsraum hinaus erstreckt.

Die Erwähnung Thailands war insofern von mir prophetisch, als 2012 ein solcher Import aus Thailand die US-Rechtsszene beschäftigt.

"Durch den Verkauf gebrauchter und neuer Bücher wollte sich der thailändische Student Supap Kirtsaeng sein Studium in den USA finanzieren. Dazu gehörten auch acht echte und legal gekaufte Lehrbücher des Wiley Verlags, die ihm Verwandte aus Thailand geschickt hatten. Eine Jury verurteilte ihn dafür wegen willentlicher Urheberrechtsverletzung zu 600.000 Dollar Strafschadenersatz.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung mit 2:1 Stimmen der Richter. Nun hat der Oberste Gerichtshof der USA (Supreme Court) eingewilligt, diesen und einen sehr ähnlichen Fall zu behandeln. Die zentrale Rechtsfrage ist, ob die sogenannte "First Sale Doctrine" (Erschöpfungsgrundsatz) auch für Werkstücke gilt, die legal im Ausland angefertigt und dann in den USA verkauft werden. "
http://derstandard.at/1341526759646/US-Gericht-erwaegt-ewiges-Urheberrecht

Schon die unsinnige Überschrift des Standard-Artikels lässt den Verdacht aufkommen, dass da nicht alles korrekt verstanden wurde.

Was prima facie als Rechtsfrage erscheint, die uns nicht zu kümmern braucht, kann sehr wohl - und das nicht nur in den USA - Auswirkungen auf die Kulturinstitutionen haben.

In einer Eingabe an den Supreme Court (Amicus-Brief) haben Museums-Institutionen davor gewarnt, dass eine Beschränkung der First-sale-Doktrin (die dem Erschöpfungsgrundsatz des EU-Rechts entspricht) auf die USA dazu führen könnte, dass Museen ausländische Werke weder zeigen noch ankaufen können.

http://clancco.com/wp/2012/10/first-sale-doctrine-copyright-art/

Aus dem Schriftsatz:

To avoid the risk of liability, museums could be forced to seek licenses from copyright owners. But clearing rights will be expensive and in many cases impossible. The cost of having to find copyright owners and negotiate individual licenses will be high, and museums likely will be unable to locate the copyright owner in every instance even after a diligent search. Copyright owners, who have no obligation to grant licenses, could demand sizeable royalty payments and non-monetary concessions like control over curatorial decisions. Where museums are unable to secure permissions, they would face an untenable choice: running the risk of copyright infringement liability or not making art available to the public or even acquiring art, whether by gift, bequest, or purchase.

Auch die US-Bibliotheken sind alarmiert:

http://newsandinsight.thomsonreuters.com/New_York/News/2012/07_-_July/A_Supreme_Court_copyright_case_has_libraries_fighting_for_the_right_to_lend/

[I]f the Supreme Court agrees with the 2nd Circuit's Kirtsaeng reasoning, according to the libraries' brief, libraries may no longer be legally permitted to lend books that were manufactured outside the United States, whether they be foreign-language books or books from U.S. publishers that are printed overseas.

Ich hatte schon 2010 auf einen Beitrag von Peter Hirtle aufmerksam gemacht, der auch Implikationen für Archive bzw. Manuskriptsammlungen erwägt:

http://blog.librarylaw.com/librarylaw/2010/07/costco-v-omega.html

In der EU gilt der Erschöpfungsgrundsatz wie gesagt nur EU-weit. Konstruiertes Beispiel: Der berühmte englische Künstler Damien H. malt in Moskau für Oligarch A ein Bild, das dieser an Oligarch Б verkauft, der das Bild in Köln versteigern lassen will. Damien kann die Versteigerung unterbinden, da sein Verbreitungsrecht nicht erschöpft ist. Jeder Verkauf in der EU kann nur mit seiner Zustimmung erfolgen.

Erwirbt eine deutsche Bibliothek ein vom Ulmer Verlag in der Türkei in den Handel gebrachtes Lehrbuch gebraucht von einem türkischstämmigen Studenten, so darf sie es nicht verleihen, da das Verleihrecht als ausschließliches Recht in der EU nach wie vor besteht. Folgt man der abzulehnenden Auffassung von Schulze in Dreier/Schulze, UrhG 3. Aufl. 2008 § 27 Rz. 17 (siehe auch http://archiv.twoday.net/stories/5837518/ ), wonach auch die Präsenznutzung ein Verleihen sei, so darf die Bibliothek mit ihrem Eigentum gar nichts machen als es bis zum Ablauf der urheberrechtlichen Schutzfrist 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers aufzubewahren - oder sie erhält die Zustimmung von Ulmer, der freilich an seinen Maserati denken muss.

Ein Museum dürfte ein Kunstwerk, dessen Verbreitungsrecht nicht erschöpft ist, allerdings zeigen, wenn das auf die Erstveröffentlichung bezogene Ausstellungsrecht verbraucht ist (§ 18 UrhG).

Eine oberflächliche Recherche in Beck-Online erbrachte keine Stellungnahmen von deutschen Juristen zu den Implikationen der Nichterschöpfung des Verbreitungsrechts auf Kunsthandel und Kulturinstitutionen. Das Problem hat glücklicherweise wohl hierzulande nur theoretischen Charakter, aber auch hier gilt "Grafs Law": Alles was abgemahnt werden kann, wird einmal abgemahnt werden ...

Bilderverkauf in Bangkok, Foto: leekiza CC-BY-SA
 

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