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Katja Tichomirowa hat einen besonders unqualifizierten Kommentar zm Fall Schavan für die FR verfasst:

http://www.fr-online.de/meinung/kommentar-noch-gilt-die-unschuldsvermutung,1472602,20601496.html

"Der Promotionsausschuss hat die Unschuldsvermutung mit Füßen getreten, als er ein vertrauliches Gutachten an die Medien gab." Der Promotionsausschuss hat gar nichts an die Medien gegeben, offenbar ist das vertrauliche Gutachten über jemanden, dem es vorlag, an die Presse lanciert worden - womöglich aus politischen Gründen, was ich nicht billigen möchte.

Siehe auch
http://www.n-tv.de/politik/Uni-sucht-undichte-Stelle-article7487301.html

Aber wieso muss ein solches Gutachten, das Schlussfolgerungen aus hundertprozentig öffentlichen Quellen zieht, vertraulich sein? Wenn jeder, der etwas vom wissenschaftlichen Arbeiten versteht, aufgrund eigener Sachkenntnis das Vorliegen eines Plagiats beurteilen kann, kann es keine Unschuldsvermutung, wie sie im Strafrecht aus guten Gründen besteht, geben. Es ist Unsinn anzunehmen, als hätten universitäre Gremien eine Art Zauberformel zur Ermittlung von Plagiaten, über die die Öffentlichkeit nicht verfügt. Man könnte ein solches Verfahren, so schmerzhaft das für den Betroffenen sein kann, auch vollkommen öffentlich und transparent durchführen.

Wiederholte gravierende Verstöße gegen das Gebot der Gleichbehandlung aller Doktoranden durch Universitäten, die eindeutige Plagiate unter den Tisch kehrten, lassen mich ohnehin zu dem Schluss kommen, dass die Entscheidung über den Entzug der Promotion bei den universitären Gremien eher schlecht aufgehoben ist.

Als Plagiat muss in Hochschulbereich alles das gelten, was gegen die Verpflichtung, die jeder, der eine Arbeit an der Hochschule abgibt, eingehen muss, verstößt: dass nämlich die Arbeit selbstständig erarbeitet wurde und alle Quellen korrekt ausgewiesen werden.

Es ist ein Unding, dass Professoren (und in ihrem Gefolge eine offensichtlich inkompetente Presse) nun dazu tendieren, alles das als "handwerkliche Mängel, aber kein Plagiat" durchzuwinken, was nicht in etwa so schlimm ist wie Guttenbergs Verfehlung, die im übrigen zu keiner strafrechtlichen Verurteilung geführt hat. Der Maßstab kann nur das sein, was man im Proseminar jedem Studierenden einbläut bzw. einbläuen sollte. Die Wissenschaftsministerin der Bundesrepublik sollte man eher an einem strengeren Maßstab messen.

Gewiss, es gibt eine Grauzone zwischen dem, was noch als schlampige Arbeitsweise zu rechtfertigen ist, und dem, was zur Rückgabe der Arbeit an den Studenten bzw. zur Rücknahme eines verliehenen Titels führt, aber im Fall Schavan liegt diese Grauzone nicht vor. Schavan hat plagiiert.

Schvans und Guttenbergs Kartenspielertrick mit der Täuschungsabsicht sollte man nicht durchgehen lassen. Was sich jemand bei dem Schreibakt und bezüglich des Umgangs mit Quellen während einer Arbeit gedacht hat, kann niemand wissen und auch die eigene Erinnerung kann trügen. Es ist durchaus denkbar, dass im nachhinein betrachtet für Schavan die eigene Redlichkeit im Grundsatz außer Frage stand. Für die juristische Beurteilung, falls ein Gericht über den Titelentzug zu befinden hätte, ist das nicht relevant. Die Rechtsprechung urteilt da eher streng.

Ein Zitat aus der Schweiz (2011):

Ein Plagiat liegt nach wissenschaftlichen Standesregeln auch dann vor, wenn keine wörtliche Übernahme eines fremden Gedankenguts erfolgt, sondern der fremde Text in eigenen Worten oder mittels angepassten oder umgestellten Textteilen (sog. Paraphrasierung) wiedergegeben wird, unabhängig davon, ob die Übernahme des fremden Werkes urheberrechtlich zu beanstanden ist. Auch die Übernahme von unternehmensinternen Informationen und Dokumentationen muss mit Quellenangabe und bei einer wortwörtlichen Übernahme zusätzlich mit Anführungs- und Schlusszeichnen versehen werden, damit der Leser die Leistung des Autors erkennen kann. Globalverweisungen wie ein Verzeichnis der Gesprächspartner oder ein Sperrvermerk befreien den Verfasser einer universitären Projektarbeit nicht von der redlichen und wissenschaftlichen Anwendung der herkömmlichen Zitationsregeln.
http://www.gerichte.sg.ch/home/dienstleistungen/rechtsprechung/verwaltungsgericht/entscheide_2011/b_2011_102.html

Aus dem Entscheidungstext:

Das Gesetz umschreibt den Begriff des Plagiats nicht (G. Martin, Universitäres Disziplinarrecht – unter besonderer Berücksichtigung der Handhabung von Plagiaten, in: AJP 2007, S. 482). Als Plagiat wird gemeinhin der "geistige Diebstahl" im Sinn der ganzen oder teilweisen Wiedergabe fremden Geistesgutes als eigene Schöpfung verstanden (M. Rehbinder, Schweizerisches Urheberrecht, 3. Aufl., Bern 2000, Rz. 120; Martin, a.a.O., S. 482; Oftinger, Vom Handwerkszeug des Juristen und von seiner Schriftstellerei, 7. Aufl., Zürich 1986, S. 188; GVP 2005 Nr. 94 und GVP 2003 Nr. 100 je mit Hinweisen). Textstellen oder Gedanken eines anderen Autors dürfen wörtlich oder redaktionell verändert übernommen werden, soweit dies an Ort und Stelle als Zitat gekenn-zeichnet wird und die Quelle, d.h. die Fundstelle und – soweit vorhanden – der Urheber der Quelle, bezeichnet wird, wobei wortwörtlich übernommene Stellen in Anführungs- und Schlusszeichen zu setzen sind (GVP 2005 Nr. 94 mit Hinweis; R. Hilty, Urheberrecht Bern 2011, Rz. 231). Ein Zitat bedeutet also nichts anderes als die Übernahme fremden Geistesgutes ohne Anmassung der Urheberschaft (Martin, a.a.O., S. 483 mit Hinweis). Es dient der Deklaration fremder Erkenntnisse, der Information über abweichende Auffassungen anderer Autoren und Gerichtsentscheide, der Nennung von Belegstellen sowie dem Hinweis auf weiterführende Informationen. Mit dem Zitat soll der Leser somit darüber informiert werden, aus welchen Quellen der Autor sein Wissen schöpft, insbesondere, inwieweit er sich auf fremde Darstellungen und Ansichten stützt oder eigene Positionen entwickelt (P. Forstmoser/R. Ogorek/H.-U. Vogt, Juristisches Arbeiten, 4. Auflage, Zürich/Basel/ Genf 2008, S. 38 und 335; Oftinger, a.a.O., S. 185).

Falls fremdes Gedankengut in der eigenen Arbeit nicht als Zitat kenntlich gemacht wird, liegt ein Plagiat vor, da der Zitierende damit für den übernommenen Teil die Urheberschaft beansprucht. Ein solches Plagiat liegt zudem nach wissenschaftlichen Standesregeln vor, wenn keine wörtliche Übernahme des fremden Gedankenguts erfolgt, sondern der fremde Text in eigenen Worten oder mittels angepassten oder umgestellten Textteilen (sog. Paraphrasierung) wiedergegeben wird, auch wenn urheberrechtlich keine zu beanstandende Übernahme eines fremden Werkes gegeben ist (M. Rehbinder/A. Viganò, Urheberrecht, Kommentar, 3. Aufl., Zürich 2008, N 6 zu Art. 25; Hilty, a.a.O., Rz. 231; Forstmoser/ Ogorek/Vogt, a.a.O., S. 336 f.; Martin, a.a.O., S. 483 und 484). Der wissenschaftliche Verhaltenskodex betrifft sämtliche nicht autorisierte Verwendungen fremder Ideen, u.a. auch die Übernahme fremden, bloss gesprächsweise geäusserten Gedankenguts, etwa Hinweise auf geplante Projekte oder auf noch unveröffentlichte wissenschaftliche Ergebnisse (Forstmoser/Ogorek/Vogt, a.a.O., S. 336). Diese wissenschaftlichen Standesregeln gelten auch für universitäre Arbeiten, wie dies das Merkblatt "Zitat und Plagiat" der Universität St. Gallen vom 7. Dezember 2004/10. April 2007 deutlich festhält: "Immer wenn ein fremder Text oder anderes fremdes Gedankengut in die eigene Arbeit Aufnahme findet, muss unmissverständlich auf die Quelle hingewiesen werden. Dies gilt für wörtliche Zitate, aber auch für andere Bezugnahmen". Letzteres sind beispielsweise die vorlagengetreue Übernahme eines fremden Aufbaus oder nur sinngemässe Wiedergabe eines fremden Textes in eigenen Worten. Die Umstellung eines Satzes oder einer Satzfolge oder die Verwendung von Synonyma entbindet nicht davon, die Herkunft des Gedankenguts klar und genau offenzulegen (Oftinger, a.a.O., S. 187). Deshalb muss stets im Text, z.B. durch indirekte Rede oder durch eine als solche erkennbare freie Wiedergabe, und in einer Fussnote kenntlich gemacht werden, woher die Information stammt oder wessen Ansicht hier reformuliert wird (Forstmoser/Ogorek/Vogt, a.a.O., S. 337). Ein Plagiat liegt also mit anderen Worten vor, wenn gegen das Prinzip der Überprüfbarkeit verstossen und die Herkunft fremder Formulierungen, Gedanken, Thesen oder Argumente nicht offen gelegt wird (N. Ryser/S. Schlegel, Juristische Arbeiten erfolgreich schreiben und präsentieren, Zürich/Basel/Genf 2010, S. 26). Plagiate werden indessen nur dann verfolgt, wenn sie wesentliche Elemente einer wissenschaftlichen Arbeit ausmachen, und nicht bereits bei fehlender Substantiierung einer einzigen Belegstelle für einen geringen übernommenen Teil aus fremdem Gedankengut (Martin, a.a.O., S. 484).


Wer möchte, dass sich Studierende sich strikt an diese Regeln halten, kann Schavan nicht in Schutz nehmen. Solange die gesellschaftliche Karriere wesentlich auf dem einmal erworbenen Dr. aufbaut, ist es problematisch, analog zur Täuschung in der Schule oder bei Abschlussprüfungen eine Verjährungsfrist zu fordern. Übersehen wird in diesem Zusammenhang, dass Doktorgrade (nach 1945) auch entzogen werden können und wurden, weil sich ihr Träger als seines Standes unwürdig erwiesen hat.

Wenn ein ganzes Leben auf eine Lüge aufgebaut ist, dieser Ansicht war man jedenfalls im Aachener Nazi-Fall Schwerte/Schneider, darf man auch eine bürgerliche Existenz vollständig vernichten: "Man entzog Schwerte den Professorentitel und die Beamtenpension. Weil seine Habilitation betrügerisch erfolgt sei, wurden auch seine unrechtmäßig erworbenen Beamtenbezüge zurückgefordert – damit war Schwerte/Schneider finanziell ruiniert. Das Bundesverdienstkreuz musste er zurückgeben, einzig der Erlanger Doktortitel blieb ihm erhalten." (Wikipedia).

Schavan verliert "nur" ihren Doktortitel (wenn es dazu kommt, es wäre nur angemessen), sie wird nicht strafrechtlich belangt und muss, da sie als Wissenschaftsministerin ein Vorbild sein muss und sich in Sachen Guttenberg öffentlich über sein Verhalten geschämt hat, die politischen Konsequenzen tragen, also zurücktreten. Ob sie ihren Job seit ihrer Promotion gut gemacht hat, was viele bejahen werden, spielt dabei dann keine entscheidende Rolle mehr.

Schavan muss weg!

Archivalia zum Fall Schavan:

http://archiv.twoday.net/search?q=schavan
Blublab (Gast) meinte am 2012/10/16 20:18:
Strenge Kontrollen, härtere Strafen?
Immer wenn irgendwo was schief geht, werden strengere Kontrollen und härtere Strafen gefordert. Und - bringt es was? Dann muss man den Ghostwritern in Zukunft eben mehr zahlen, damit sie originale Arbeiten abliefern. Da die Unis ihre Mitarbeiter nach spätestens 12 Jahren befristeter Tätigkeit vor die Tür setzen, gibt es sicher etliche Akademiker, die gerne frei forschen und dafür Geld nehmen würden. Wenn die Anreize falsch gesetzt sind, kommt man mit strengeren Kontrollen und härteren Strafen nicht weiter. 
KlausGraf antwortete am 2012/10/16 20:23:
Wieso härtere? und wieso Strafen?
Die jetzigen Möglichkeiten, den Doktortitel abzuerkennen (das ist keine "Strafe", wir wollen doch genau bleiben), genügen durchaus.

Wenn die Bremsen von hunderttausenden Autos defekt sind, weil im Werk geschlampt wurde, möchte ich den sehen, der sich gegen strengere Kontrollen ausspricht. 
AllesWasRechtIst (Gast) antwortete am 2012/10/17 13:56:
Die Unschuldsvermutung
ergibt sich vordergründig aus dem Rechtsstaatsprinzip so z.B. Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes, Rechtssicherheit Vertrauensschutz, Willkürverbot) gem. Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz, der u.a. auch als kleine Verfassung bezeichnet wird und gem. Art. 79 Abs. 3 Grundgesetz der sog. Ewigkeitsklausel (keine Änderung via 2/3-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat möglich) unterliegt.

Art. 20 Abs. 3 bildet die Maßgabe für jegliches staatliches handeln ob Legislative (die ja für die Setzung des Hochschulrechts verantwortlich ist), Exekutive (die das Hochschulrecht ausführt) und Judikative (die auch über Entscheidungen auf Basis des Hochschulrechts urteilt).

Die Unschuldsvermutung hat insofern Verfassungsrang und ist Grundlage des Rechtsstaats. Ihre Negierung bedeutet das Rechtsstaatsprinzip und den Rechtsstaat und insbesondere das Willkürverbot zu negieren... 
hck (Gast) meinte am 2012/10/17 11:45:
Täuschungsabsicht
re: "Kartenspielertrick mit der Täuschungsabsicht sollte man nicht durchgehen lassen. Was sich jemand bei dem Schreibakt und bezüglich des Umgangs mit Quellen während einer Arbeit gedacht hat, kann niemand wissen und auch die eigene Erinnerung kann trügen."

Mit "Was sich jemand bei dem Schreibakt und bezüglich des Umgangs mit Quellen während einer Arbeit gedacht hat, kann niemand wissen und auch die eigene Erinnerung kann trügen." bin ich als Maxime völlig einverstanden. ABER: Ich hatte mal einen Fall, wo ich einbe Täuschungsabsicht tatsächlich mit für mich hinreichender Wahrscheinlichkeit ausschließen konnte:
Aus Literatur war ohne Anführungszeichen, aber mit korrekter Literaturangabe in Fußnoten zitiert worden; auf den ersten Blick: als Paraphrasen "getarnte" wörtliche Zitate; aber der Person die die Arbeit verfasst hatte war klar, dass mir die zitierte Literatur direkt zur Verfügung stand, und selbige Person konnte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass ich das nutzen würde (was ich ja auch getan habe).

Bei Guttenberg sehe ich keine andre plausible Erklärungsmöglichkeit als Täuschungsabsicht.
Bei Schavan kenne ich die Gepflogenheiten ihres Faches im Jahr 1980 was indirekte Zitate betrifft zu wenig. (Es gibt Fälle von "Überforderung ohne Täuschungsabsicht", viele von uns kennen sie aus Arbeiten zu Anfängerveranstaltungen; dass derlei bei Doktorarbeiten nicht vorkommen darf ist - hoffentlich - Konsens; dass es dennoch vorgekommen sein kann halte ich für nicht ausgeschlossen; wie's im Fall Schavan war: bin ich froh nicht verantwortlich drüber urtei8len zu müssen.)

M.E. haben mindestens 2 von 3 versagt:
- Erziehungsiwssenschaftliche Fachkultur ca. 1980
- Betreuer und Zweitgutachter der Diss. von Frau Schavan
- Frau Schavan.
So oder so: mehr als unerfreulich. 
 

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