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Julia Schröder in der Stuttgarter Zeitung vom 25. September:

Die Zeiten haben sich geändert. Wo alle den Gürtel enger schnallen und neue Flexibilität zeigen müssten, könne die Kultur nicht ungeschoren bleiben, heißt das Argument, das auch im Fall des geplanten Handschriften-Ausverkaufs in Karlsruhe wirksam ist. Um dem Land die umstrittenen Eigentumsrechte an Kunstbeständen aus früherem Adelsbesitz zu sichern, so die Logik dieses Plans, müssen die Handschriftenbestände aus ebendiesem Besitz in den Skat gegeben werden; um ein Kulturerbe zu sichern, muss halt ein anderes dran glauben. Zumal es sich vor Handschriften, die aus guten Gründen selten das Tageslicht sehen, nicht so gut posiert wie vor erlesenem Kunsthandwerk oder großformatigen Gemälden.

Der Vorgang "Land Baden-Württemberg vs. Adelshaus Baden" ruft andere Vorgänge in Erinnerung, die durchaus unterschiedlich sind, aber ein und dieselbe Tendenz aufweisen. Ob man nach Krefeld schaut, wo die Stadt ein Monet-Gemälde verscherbeln will, um mit den erhofften 20 Millionen ihr Museum (und womöglich die Stadtkasse) zu sanieren; ob man sich an Weimar erinnert, wo die Klassik-Stiftung ihren Mörike-Bestand verkaufen musste, damit das Land Thüringen seinen Verpflichtungen in einem Restitutionsvergleich mit dem dortigen Adelshaus nachkommen konnte; ob man sich an die glorreichen Vorschläge des baden-württembergischen Landesrechnungshofs erinnert, den "behutsamen Abbau" der Bestände der Staatsgalerie betreffend - die Richtung ist ebenso klar wie fatal: "die Kultur" wird für ihre Kosten haftbar gemacht.

Aber "die Kultur" kann für sich und ihre Kosten nicht einstehen. Wenn umgesetzt würde, was sich in manchem Politikerhirn als prima Lösung festgesetzt zu haben scheint, gibt es "die Kultur" in diesem Sinne bald nicht mehr. Man hat den Eindruck, was Kultur eigentlich sein soll, ist manchem Entscheidungsträger nicht mehr klar. Ist Kultur nicht mehr als jenes "Innovative", das die überaus gut ausgestattete, aber leider in vielen Fällen nicht in Frage kommende Landesstiftung zu fördern bestimmt ist? Jenes "Imageaffine", das Sponsorenbörsen öffnet? Jenes Repräsentative, mit dem man sich gern schmückt? Die Sonntagsrede auf einem kulturpolitischen Kongress? Das alles ist freilich Kultur. Vor allem jedoch ist Kultur das, was wir von denen, die nach uns kommen, auch nur geborgt haben, um es zu beschützen.
FeliNo meinte am 2006/09/28 01:00:
Nur dem "Staat", das heißt, seinen leitenden Institutionen, in diesem Fall den Landesregierungen und dem Bund, ist erlaubt, sein "Kulturgut" zu veräußern; er ist gleichwohl der einzige, der eben dieses schützen kann, denn das Eigentumsrecht (z.B. eines privaten Sammlers) ist nicht umzubiegen, sondern diesem ist nur durch den sog. "Kulturgut-Stempel" als Verbot der Veräußerung ins Ausland zu begegnen.

Jedem Versuch staatlicherseits, sich der Verpflichtung zum Schutz seines "kulturellen Erbes" nicht nur (ganz gleich, aus welchem Grund) zu entziehen, sondern diesen Schutz sogar aktiv aufzuheben, ist, sofern dieser öffentlich wird, mit allen Mitteln der öffentlichen Meinung massiv zu begegnen! In Zeiten der klammen öffentlichen Finanzmittel reichte womöglich ein einziger gelungener Versuch der Veräußerung von dem Staat durchs Grundgesetz anvertrautem Kulturgut aus, einen nicht kontrollierbaren Flächenbrand in Gang zu setzen, der zum Beispiel die Verluste der Anna-Amalia-Bibliothek in den Schatten stellen könnte.

Das in diesem Zusammenhang bereits vorgebrachte Argument, dass im Falle der badischen Bestände aufgrund der erwarteten Summe und der damit hochgerechneten Zahl der zu veräußernden Stücke eine "Verstopfung" des Marktes zu befürchten sei, ist irrig, denn der internationale Spitzen-Markt für Manuskripte und Rara kann es sich leisten, die Stücke zu horten, bis die Preise stimmen; richtig indes ist, dass die erwartete Summe die derzeitige Regierung von Baden-Württemberg mit ziemlicher Sicherheit nicht mehr erreichen wird.

Die Denkfigur einer Regierung, staatlicher Bestände an nationalem Kulturgut "ökonomisieren" zu können , ist abgesehen von dem enormen internationalen Verlust an Reputation der deutschen Wissenschaft also auch noch eine von seltener Einfalt. 
 

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