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Die Idee einer Stiftung, die Salem langfristig sichert und gleichzeitig den Markgrafen bewegt, all seine Kunstschätze dem Staat abzutreten, hat deshalb durchaus Charme.

Meint Arnold Rieger in den Stuttgarter Nachrichten (30.9.2006, S.2) und fährt fort:

Wenn es nicht den Haken gäbe, dass dieses Geschäft auf Kosten alter Handschriften ginge, deren Verkauf das nötige Stiftungskapital erbringen soll. Darf man das? Darf man ein Kunstwerk auf dem Altar des anderen opfern? Schließlich handelt es sich bei den Manuskripten nicht um Fürstennippes, sondern um unwiederbringliche Zeugnisse deutscher Kultur: einen Spiegel des öffentlichen Gedächtnisses. Wer solche Tabus bricht, die obendrein an landsmannschaftliche Empfindlichkeiten rühren, braucht nicht nur gute Argumente, sondern auch Fingerspitzengefühl und Kommunikationstalent. Nichts davon hat die Landesregierung gezeigt.

Sie schuldet der Öffentlichkeit vor allem den Beweis, dass alle anderen Wege begangen oder wenigstens erkundet worden sind, um diesen problematischen Deal zu umgehen. Sponsoren, Landesstiftung, Bürgerinitiativen - vieles ist denkbar, was zur dauerhaften Sicherung der Salemer Anlage und zur Entlastung der Eigentümer führen könnte. Doch was erfährt die staunende Öffentlichkeit? Dass es keine Alternative gebe zu einem Vergleich, der unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgehandelt wurde und eine Menge Fragen aufwirft. Ist es wirklich aussichtslos, gegen das Adelshaus um die Kunstwerke zu prozessieren, wie es zwei Rechtsgutachter behaupten? Darüber gibt es in der Fachwelt unterschiedliche Meinungen. Wenn nun der Streit um die "Türkenbeute" und andere Schätze ohnehin schon seit 90 Jahren schwelt, dann sollte man sich die Zeit nehmen, um diese Frage sorgfältig zu klären - zum Beispiel mit einem zweiten Gutachten. Auch die Frage, wie viel das Haus Baden bisher in den Erhalt des Denkmals investiert hat, ist nicht beantwortet. Stattdessen wurde vereinbart, der Familie 30 Millionen Euro als Entschädigung zu zahlen.

Nur widerstrebend und nach massiven Protesten rang sich die Landesregierung in dieser Woche eine Erklärung ab: eine Feuerwehraktion, aber keine vertrauensbildende Maßnahme. Für die größte Verwunderung sorgt aber der Ministerpräsident selbst. Der ansonsten so kunstsinnige Regierungschef tat die Diskussion mit der schnoddrigen Bemerkung ab, diese schlage sich ja nur auf den Kulturseiten der Zeitungen nieder: ein kleiner, unsensibler Satz, der noch lange nachhallen wird. Man muss nicht die überzogenen Reaktionen aufgeregter Professoren teilen, die den "Ausverkauf der Vergangenheit" beschwören, um zu bilanzieren: Der Vergleich mit dem Haus Baden ist mangelhaft begründet und miserabel kommuniziert. Mit dem Effekt, dass Baden-Württembergs Image als Kunstland international Schaden erleidet.


Die Stuttgarter Zeitung widmet dem Skandal heute eine Sonderseite. Den größten Raum nimmt eine einfühlsame Home- bzw. besser Castle-Story zu Bernhard von Baden ein, dessen Belastung durch das riesige Areal Salem und die Unterhaltungskosten dargestellt werden. "Alles ist in einem Topzustand" wird der junge Adelige zitiert, was die Frage nahelegt, ob dann nicht ein weniger übereiltes, mit dem Verlust unschätzbarer Werte für die Landeskultur verbundenes Vorgehen angezeigt sei. Die 70 Millionen müssen ja nicht sofort aufgebracht werden. Das Land könnte eine Bürgschaft für die akuten Verbindlichkeiten übernehmen und dann könnte man in Ruhe nach Lösungsmöglichkeiten sowohl für die Salem-Frage als auch für die ungeklärten Eigentumsverhältnisse des Kulturguts suchen.

Außerdem erfährt man etwas über die vielen Preziosen der Handschriftensammlung der Badischen Landesbibliothek und über den Volkszorn in Baden: "Badens Volksseele kocht. Der drohende Verkauf der Handschriftensammlung eint Bürger und Kommunalpolitiker über alle Parteigrenzen hinweg. Mit Unterschriftenlisten und Resolutionen wettern sie gegen den Plan der Landesregierung".

In der FAZ gibt es heute drei Leserbriefe gegen den Verkauf.

Im Tagesspiegel schreibt Bernhard Schulz:

Die Erhaltung eines Baudenkmals, eben des weitläufigen Schlosses Salem, gegen die Verschleuderung von Büchern aufzuwiegen, ist jedenfalls eine grobe Missachtung der Verpflichtung des Landes zu Schutz und Bewahrung öffentlichen Kulturguts.

Denn anders, als die Landesregierung sich von den agilen Hausjuristen Bernhards von Baden hat einreden lassen, sind die Eigentumsverhältnisse keineswegs so undurchsichtig, dass der jetzt angestrebte Rechtsvergleich „gerechtfertigt“ wäre, wie der Finanzminister behauptet. Die badische Verfassung von 1818 – als sich nach Napoleon überall absolutistische Reiche in konstitutionelle wandelten – nennt das landesherrliche Vermögen „nach allgemein anerkannten Grundsätzen des Staats- und Fürstenrechts unstreitiges Patrimonialeigentum des Fürsten und seiner Familie“. Letztendlich auf diesen Passus stützt der Markgraf seinen Eigentumsanspruch. Denn der 1919 geschlossene Vertrag des nunmehr republikanischen Landes Baden mit dem vormalig Großherzoglichen Haus schlägt diesem das Patrimonialeigentum „als Privateigentum“ zu – und zwar ausdrücklich Teile des Grundbesitzbestandes, ohne jedoch den Kunst- und Bibliotheksbesitz zu erwähnen. Das Land Baden und seit 1952 das vereinte Baden-Württemberg haben diese Bestände denn auch seither gepflegt, wissenschaftlich bearbeitet und zugänglich gemacht. Zweifel an der öffentlichen Trägerschaft gab es über all die Jahrzehnte hinweg nie.


http://www.tagesspiegel.de/kultur/archiv/01.10.2006/2812461.asp

In den Stuttgarter Nachrichten bekommt Oettinger sein Fett weg:

Groß herausgekommen ist der bekannte Stuttgarter Ministerpräsident Oettinger. Dieser Virtuose des verschwäbelten Nasalknödels, dieser Mundart-Berserker aus Ditzingen will am Verkauf der wertvollen Handschriften aus der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe festhalten. Mit den 70 Millionen Euro soll das ehemalige Zisterzienserkloster Salem saniert werden, das der Markgrafenfamilie gehört.

Die "Süddeutsche Zeitung" schreibt: "Oettinger ist heute - in diesem Zusammenhang muss man sagen: leider - Ministerpräsident von Baden-Württemberg. In dieser Funktion möchte er nun einen Teil der Kultur des Abendlands verhökern." Und in so scharfem Ton hauen die Münchner Kollegen selten drein: "Der Vorgang ist empörend: Eine Sammlung, die Jahrhunderte sowie Kriege, Umstürze, Pleiten und Plünderungen überlebt hat, wird von einem emporgekommenen Provinzpolitiker versilbert. Wes Ungeistes Kind Oettinger ist, beweist er jetzt durch den Satz, dass die Kritik an diesem Vorhaben nicht auf den Wirtschaftsseiten der Zeitungen stehe, sondern nur im Kulturteil. Der Sinn dieses Satzes ist klar: Die Wirtschaft ist ernst zu nehmen. Wer aber Kultur ernst nimmt, hat einen Sprung in der Schüssel."
 

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