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Speyer (epd). Die evangelischen und katholischen Kirchenarchive eröffnen ein Internetportal für digitalisierte Kirchenbücher. Das Kirchenbuchportal biete von 1. Juni an unter http://www.kirchenbuchportal.de zunächst eine Bestandsübersicht der elektronisch erfassten Kirchenbücher in deutschen Kirchenarchiven, sagte die Direktorin des Zentralarchivs der pfälzischen Landeskirche in Speyer, Gabriele Stüber, am Montag dem epd.

In einer zweiten Projektphase wollten die Archive ab Juli 2008 digitalisierte Kirchenbücher ins Internet stellen, so Stüber. Die Nutzung der digitalisierten Kirchenbücher ohne eine Möglichkeit zum Herunterladen ("download") werde kostenpflichtig sein. Zwischen 1550 und 1850 dokumentieren Kirchenbücher personenbezogene Daten. Sie sind deshalb heute etwa für Familienforscher oder Historiker wichtig. Die Funktion der Kirchenbücher übernahmen ab der Mitte des 19. Jahrhunderts die Standesämter.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) unterstütze das Projekt mit einer Anschubfinanzierung, hieß es. Über den Beitrag der katholischen Bistümer und der Freikirchen gebe es Gespräche. Vor allem Familienforscher aus den USA, aber auch aus Deutschland und anderen Ländern, zeigten ein wachsendes Interesse an Daten aus Kirchenbüchern. (05198/7.5.2007)


http://www.epd.de/index_49412.html

KOMMENTAR:

Frühere Beiträge zum Reizthema in ARCHIVALIA:

http://archiv.twoday.net/stories/3528432/
http://archiv.twoday.net/stories/2100380/

Halten wir fest:

1. Kirchenbücher sind Kulturgut, also kulturelles Allgemeingut, das uns allen gehört und nicht den Kirchen.

2. Kirchenbücher sind als Vorläufer der Personenstandsregister spezifisches Schriftgut öffentlichrechtlichen Charakters, dessen Nutzung den Grundprinzipien des öffentlichen Rechts gehorchen muss. Eine Kommerzialisierung, wie vorgesehen, ist in diesem Rahmen nicht möglich, es fehlt auch ein entsprechendes Kirchengesetz als Rechtsgrundlage.

3. Die Bücher selbst sind urheberrechtlich nicht geschützt, also gemeinfrei (Public Domain). Gleiches gilt für die in ihnen verkörperten genealogischen Daten.

4. Die Abbildungen der Bücher, die vom Original oder von Mikrofilmen gefertigt werden, sind (nach herrschender Lehre) keine geschützten Lichtbilder nach § 72 UrhG, da sie bloße Reproduktionen einer zweidimensionalen Vorlage sind und als serielle Massenaufnahmen das Mindestmaß an zwar nicht schöpferischer, aber doch geistiger Leistung nicht erreichen ( http://archiv.twoday.net/stories/3268984/ ).

5. Die geplante Gesamtpräsentation im Kirchenbuchportal mag zwar eine Datenbank im Sinne der §§ 87a ff. UrhG sein, aber diese ist nur gegen Entnahmen in größerem Umfang geschützt. Nutzungsbedingungen, die einzelne Entnahmen (auch zu kommerziellen Zwecken) untersagen, sind nach dem UrhG unwirksam.

6. Nutzungsbedingungen sind als AGB gerichtlich überprüfbar. Weitergabe- und Nutzungsbeschränkungen sind nicht mit dem durch § 64 UrhG gegebenen gesetzlichen Leitbild (Gemeinfreiheit) vereinbar. Siehe http://archiv.twoday.net/stories/929726/

7.Was am Bildschirm dargestellt werden kann, kann auch digital weiterverarbeitet werden (z.B. Hardcopy), auch wenn ein Download nicht möglich sein soll. Erfahrene Nutzer oder Hacker können solche Beschränkungen unter Umständen leicht umgehen.

8. Nutzungsbedingungen binden immer nur den Vertragspartner. Werden Kopien an Dritte weitergegeben, sind diese daran nicht gebunden. Ein aus dem Eigentum ableitbares Immaterialgüterrecht mit dinglicher Wirkung existiert nicht (BGH Apfel-Madonna, Friesenhaus).

9. Nicht nur Genealogen haben ein legitimes Interesse an der kostenfreien Zugänglichkeit und umfassenden Nutzbarkeit von Kirchenbuch-Abbildungen. Gerade bei Kirchenbüchern, die oft schwierig zu entziffern sind, darf es nicht sein, dass der die Forschung erheblich verbessernde freie Zugriff auf digitale Abbilder im Internet von den Kommerzialisierungsinteressen der Kirchen hintertrieben wird. Siehe auch:
http://de.wikisource.org/wiki/Taufmatrikel_der_Pfarrei_Passau_Sankt_Stephan

10. Es ist angesichts von Punkt 2 nicht aussichtslos, die Kirchen auf Zugang zu den Originalen zu Reproduktionszwecken vor den Verwaltungsgerichten zu verklagen.

Conclusio:

Es ergibt sich, dass weder rechtlich noch faktisch das von den Kirchen aus fiskalischen Gründen angestrebte umfassende Monopol an Kirchenbuchabbildungen realisierbar sein wird, zumal wenn die Genealogen und ihre Vereinigungen dagegen Sturm laufen, was wünschenswert wäre.

Mit ist nicht bekannt, dass irgendeine kirchliche Organisation sich zum Grundgedanken von "Open Access" bekannt hat, obwohl aus den theologischen und ethischen Grundprinzipien der christlichen Kirchen die Forderung nach einer gerechten Verteilung des Wissens-Schatzes der Welt sich zwingend ergibt.

Kirchenarchivalien, die bei eBay oder andernworts im Handel angeboten werden ( http://archiv.twoday.net/stories/3432140/ ) und sich rechtmäßig in nicht-kirchlichem Privateigentum befinden, gehören in Kirchenarchive. Daran möchte ich keinen Zweifel lassen. Wenn allerdings Bürgerinnen und Bürger sie erwerben, um sie vor der Übergabe an das zuständige Archiv zu digitalisieren und die Digitalisate öffentlich zugänglich zu machen, habe ich dafür nunmehr vollstes Verständnis.
graupner meinte am 2007/05/30 09:19:
Wer zahlt's?
Mal davon abgesehen, daß Kulturgut mitnichten "allen gehört" (merkwürdiger Eigentumsbegriff), ich verstehe nie, wer denn sonst die Digitalisierung zahlen soll? Die Kirchen?, weil man ja bei sinkendem Kirchensteueraufkommen einen Landeskirchenrat so problemlos davon überzeugen kann, für die genealogischen Interessen von Familienforschern gutes Geld für Digitalisierungsprojekte auszugeben, statt z.B. für die Jugendarbeit? Selbst für Kirchen fällt das Geld nicht vom Himmel.
Halten wir fest:
1. Der Zugang zu den Kirchenbüchern wird niemandem verweigert.
2. Wer den Komfort genießen will, sich eine u.U. weite Anreise zu sparen, wird eine Gebühr von einigen Euro gerne in Kauf nehmen wollen.
3. Die Alternativen sind nicht "gebührenpflichtiger Zugriff auf Digitalisate vs. kostenloser Zugriff auf Digitalisate“, sondern „gebührenpflichtiger Zugriff auf Digitalisate vs. gar keine Digitalisate“, weil nämlich ohne die Aussicht darauf, die Kosten wieder einzuspielen, solche Projekte gar nicht erst gestartet werden.
Empörtes Geschrei ist da nicht angebracht; eine gute Dienstleistung ist ihr Geld wert. Wenn ein Museum einen Bildband mit seinen Gemälden in Buchform publiziert, regt sich interessanterweise keiner darüber auf, daß hier „Kulturgut kommerzialisiert“ und das Publikum (in „Bild“-Neudeutsch:) „abgezockt“ wird. 
Michael (Gast) antwortete am 2009/02/08 13:37:
kostenintensiv!
Grundsätzlich ist sicherlich jeder dazu bereit einen kleinen Obolus für die Einsicht in die Kirchenbücher von zu Hause aus zu zahlen. Allerdings ist es ja so, dass selbst für die Einsicht in die Kirchenbücher vor Ort schon Geld verlangt wird. Die Recherchearbeit ist u. U. sehr zeitaufwendig und man sitzt dort in einem Archiv, im Hintergrund tickt die Uhr und später wird man - wie ich finde - "abgezockt". Die meisten Kirchenbücher liegen bereits als Mikrofiches vor und sind daher einfach und kostensparend zu digitalisieren. Ich finde die Einsicht vor Ort sollte kostenlos und die Online-Ansicht nur mit minimalen Kosten verbunden sein. 
eberhard (Gast) antwortete am 2011/01/03 14:24:
KB Einsicht
Meine Erfahrung sagt mir,daß es mit der Einsicht in Kirchen-
bücher der ev.Kirche keine Schwirigkeiten gibt und der
geringe Obulus von 5,00 € pro Tag ist zu verschmerzen.
Allerdings hat die kath.Kirche eine ganz andere Meinung dazu.
Aus Datenschutzgründen hat sie Sperrfristen erfunden,die
jeder Beschreibung spotten (Geburt 120 Jahre). 
Frank (Gast) antwortete am 2015/03/24 15:37:
@eberhadt: Wieso Sperrfristen erfunden?

Es gilt:
Der Schutz des postmortalen Persönlichkeitsrechts endet nach 70 Jahren (LG Dessau 27.1.14, 4 O 792/13, Abruf-Nr. 140925).

Wenn also bei Personen aus Geburts- und Heiratsregistern aber unbekannten Sterbedatum ein Alter von nur 50 Jahren angenommen wird sind 120 Jahre schnell erreicht. 
ladislaus (Gast) antwortete am 2015/03/24 15:43:
Die 70 Jahre in dem Urteil sind eine Höchstgrenze. Das postmortale Persönlichkeitsrecht, das ohnehin schon absurd genug ist, verblasst fortwährend, beginnend mit dem Tod. 
KlausGraf antwortete am 2015/03/24 16:30:
Stimmt
Für die kommerziellen Aspekte des postmortalen Persönlichkeitsrechts darf gesichert davon ausgegangen werden, dass es 10 Jahre nach dem Tod endet. Ansonsten kommt es auf den EINZELFALL an. Die 70 Jahre sind eine Höchstgrenze, wie Herr Kirchenpfleger P. zurecht feststellt.

Die NRW-Regelung 100 Jahre nach der Geburt ist vernünftig. 
 

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