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Badische Zeitung vom Mittwoch, 19. Dezember 2007

GÜTERTRENNUNG

Landeseigentum

--- 511 Gemälde und 25 000 Blätter des Kupferstichkabinetts der
Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe;

--- Die drei unter dem Titel "Antiken, vaterländische Altertümer und
Waffen" vereinten Sammlungen im Badischen Landesmuseum Karlsruhe;

--- die türkische Sammlung (so genannte Türkenbeute) im Landesmuseum;

--- das Münzkabinett ebendort;

--- alle Kunstgegenstände aus den 1803/6 säkularisierten Klöstern, da
runter die wertvollen mittelalterlichen Handschriften;

--- das Naturalienkabinett im Naturkundemuseum Karlsruhe;

--- die Bestände der ehemaligen Großherzoglichen Hofbibliothek, späteren
Großherzoglichen Hof- und Landesbibliothek Karlsruhe;

--- die badischen Kroninsignien;

--- das Schriftgut der Hofbehörden.

Eigentum Haus Baden

--- das Kopf'sche Kunstmuseum im Badischen Landesmuseum;

--- die ehemals Wessenberg'sche Gemäldesammlung in Konstanz;

--- die Louis-Jüncke'sche Gemäldesammlung in Schloss Salem;

--- 36 so genannte Hinterlegungen in der Badische Landesbibliothek;

--- vier Plastiken in der Kunsthalle Karlsruhe).

Geteilte Rechte

Im Eigentum des Hauses Baden, aber in dauerhaftem Besitzrecht des Landes:

--- 13 Signaturen mit Handschriften Johann Peter Hebels;

--- vier Bücher mit Blumenmalerei ("Tulpenbücher" ) in der
Landesbibliothek und im Generallandesarchiv Karlsruhe;

--- Großherzogliches Familienarchiv.

Badische Zeitung vom Donnerstag, 20. Dezember 2007
"Bis auf die Knochen blamiert"
Landtag diskutiert über die badischen Kunstschätze

Von unserer Korrespondentin Bettina Wieselmann
STUTTGART. Heftige Kritik musste sich gestern die Landesregierung
wegen ihres Umgangs mit den badischen Kunstschätzen anhören: Die
Opposition im Landtag kreidete ihr an, sich in Unkenntnis der
Rechtslage blamiert zu haben --- die nun durch das Gutachten der
Expertenkommission klar sei.

"Das Gutachten ist ein Manifest der Unfähigkeit" , stieg der
kulturpolitische Sprecher der Grünen, Jürgen Walter, krachend in die
Debatte ein ---- und meinte doch, es sei Beweis für die Unfähigkeit der
Landesregierung. Erst jetzt habe sie die Rechtsposition des Landes
gegenüber dem Adelshaus Baden erkannt. Nachträglich "schaudert uns
noch, wie man ohne Prüfung" fast einen Vergleich zur Rettung von
Schloss Salem abgeschlossen hätte, dem jetzt die Grundlage fehle.

Auch der stellvertretende Fraktionschef der SPD, Nils Schmid, hieb in
diese Kerbe: "Die Landesregierung hat sich bis auf die Knochen
blamiert und fahrlässig Landesinteressen preisgegeben." Wie Walter,
der davor warnte, dem Haus Baden zu sehr entgegenzukommen, forderte
Schmid: "Wir sollten selbstbewusst und standesbewusst als Republikaner
in die Verhandlungen gehen."

Auf Seiten der Regierungsfraktionen war man bemüht, Kritik am Haus
Baden abzuwehren. Christoph Palm, kulturpolitischer Sprecher der
CDU-Fraktion, erkannte "neoklassenkämpferische Züge" bei der
Opposition. Heiderose Berroth (FDP) äußerte "Respekt vor der Leistung
des Hauses Baden" , das kulturhistorisch wertvolle Salemer Ensemble
gesichert zu haben. In der FDP hat man zudem immer noch Zweifel, ob
das Land vor Gericht gegen das Haus Baden Recht bekäme.

Mit den Stimmen der Opposition forderte der Landtag die Regierung auf,
das neue Rechtsgutachten zur Grundlage von Verhandlungen mit dem Haus
Baden zu machen, um Schloss Salem als Kulturgut ersten Ranges
langfristig für die Öffentlichkeit zu sichern und öffentlich
zugänglich zu halten.

Badische Zeitung vom Donnerstag, 20. Dezember 2007
Überrascht vom eigenen Ergebnis

FREIBURG. Die Expertenkommission des Landes zu den badischen
Kunstschätzen hat einstimmig festgestellt, dass die Mehrzahl der
strittigen Kunstwerke und Dokumente bereits dem Land gehört als
Rechtsnachfolgerin des badischen Großherzogs. Das Gutachten schafft
Klarheit in einer Frage, an der sich schon viele andere versucht
haben, zumeist ohne große Überzeugungskraft. Der emeritierte
Freiburger Historiker Professor Dieter Mertens war eines der sechs
Kommissionsmitglieder. Mit ihm sprach Wulf Rüskamp.

BZ: Das Resultat Ihres gemeinsamen Gutachtens hat offenbar manches
Kommissionsmitglied etwas überrascht. Sie auch?

Mertens: Ja. Denn am Anfang war es für uns alle offen, in welche
Richtung das Gutachten laufen würde. Was uns in der Kommission jetzt
als stichhaltig erscheint und was wir auch nachweisen können, das war
vorher nicht abzusehen.

BZ: Man hat zudem den Eindruck, dass das Ergebnis in seiner
Deutlichkeit und in der Einstimmigkeit aller Kommissionsmitglieder,
Ihnen allen etwas peinlich ist.

Mertens: Naja, natürlich hätte ein Ergebnis, das die Kunstschätze 50
zu 50 aufgeteilt hätte, eher den Eindruck des Unparteiischen gemacht.
Wir nehmen dennoch für uns in Anspruch, dass wir uns niemandem zulieb
und niemandem zuleid, sondern nur anhand der nachweisbaren Fakten
entschieden haben.

BZ: Woran liegt es, dass früher niemand so tief in die Akten geschaut hat?

Mertens: Diese Untersuchungen sind sehr aufwendig. Wir waren in der
Kommission zu sechst, und zeitweise war mit Peter Michael Ehrle
(Direktor der Karlsruher Landesbibliothek) noch ein Sachverständiger
für die Handschriften dabei. Damit kann man in der Aufarbeitung der
Materie mehr schaffen als ein Einzelner. Aber uns haben auch die
gemeinsamen Diskussionen weiter gebracht, etwa was die jeweiligen
Kriterien für die Zuschreibung einzelner Kunstgegenstände oder
Dokumente sind.

BZ: Sind die vielen anderen Gutachten, die zur Besitzfrage angefertigt
worden sind, also wenig oder gar nichts wert?

Mertens: Die Gutachten sind sehr unterschiedlich. Manche sind auf sehr
schmaler Datenbasis geschrieben worden, weil die Autoren glaubten, sie
könnten sich das rechtlich leisten. Andere gehen von falschen
Voraussetzungen aus, was die Auffassung von Staatlichkeit angeht. Nur
ein Gutachten aus dem Jahr 1967 ist rechtsgeschichtlich fundiert --- und
das hat bekanntlich nach Ansicht des Hauses Baden Unfrieden gestiftet.

BZ: Die große rechtliche Unklarheit hat dazu geführt, dass manche
Gemälde zweimal an Land verkauft worden sind.

Mertens: Man muss hier in Rechnung stellen, dass unmittelbar nach dem
Untergang der Monarchie die Rechtsbegriffe nicht so klar waren,
jedenfalls nicht in den Ministerien. Da gab es verschiedene
Rechtsauffassungen im Finanzministerium und im Kultusministerium. Die
damaligen Vorstände der einzelnen Sammlungen hatten noch den besten
Blick auf die Rechtslage, wie wir im Gutachten zeigen können. Das hat
dazu geführt, dass man 1930 manche Gemälde, die einem wohl schon
gehörten, nochmals gekauft hat. Das ist sicherlich auf beiden Seiten
gutgläubig geschehen. Es war eben eine rechtlich schwierige Situation.

BZ: Umso mehr erstaunt, dass die vier Juristen in ihrer Kommission so
einig sind.

Mertens: Es wurde auch lange genug diskutiert. Das Ergebnis war nicht
von vorneherein so klar. Aber es wurden immer mehr historische Quellen
herangezogen. Eine sehr wichtige war das Testament Großherzogs
Friedrichs II. von 1907. Denn daraus werden die Prinzipien des
Fürstenrechts deutlich, wie vererbt wird, nämlich dasjenige, was zur
Herrschaft gehört, nicht unter die Erben verteilt wird, im Unterschied
zu Privateigentum, bei dem das Bürgerliche Gesetzbuch gilt. Diese
Klarheit hat uns überrascht, aber sie uns zur einhelligen Auffassung
in der Frage der Besitzverhältnisse verholfen.

BZ: Das Gutachten liest sich wie ein Lehrbuch zu privatem und
öffentlichen Eigentum &

Mertens: Diese Klarstellungen waren uns wichtig, weil sie in vielen
früheren Gutachten nicht berücksichtigt worden sind. Deshalb haben wir
diesen gesicherten Forschungsstand dargelegt.

BZ: Was raten Sie jetzt der Landesregierung, wie soll sie vorgehen?

Mertens: Solche Ratschläge wollten wir ausdrücklich nicht machen. Wir
legen unser Ergebnis in die Hände der Politiker. Und die müssen jetzt
entscheiden. Für einen Vergleich schaut nach diesem Ergebnis aber
nicht mehr viel heraus.
Ladislaus meinte am 2007/12/20 22:37:
Ich finde es eigentlich auch pikant und pietätlos, dass ausgerechnet die privaten Schenkungen "Kopfsches Kunstmuseum", "Wessenbergsche Gemäldesammlung" und "Louis-Jünckesche Gemäldesammlung" Privateigentum der adeligen Familie sein sollen. Die Schenker haben ihre Sammlung ja nicht vermacht, weil sie besonders gute Kumpel des Großherzogs waren oder dessen Kindern die Zukunft versüßen wollten, sondern weil sie die Sammlung zusammenhalten und im Land halten wollten. Juristisch mag das in Ordnung gehen (weil die Schenker sich wohl schlicht nicht vorstellen konnten, dass der Landesvater in wenigen Generationen zum Ausverkäufer wird); moralisch ist diese Ansicht so armselig wie alles, was die hohe Familie in den letzten Jahren von sich gegeben hat. (Die Lassbergsche Bibliothek bei den nicht minder unsympathischen Landesverrätern Fürstenberg war natürlich ein ähnlich gelagerter Fall.) 
 

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