http://www.weimar-klassik.de/media/dokumente/Weim_Erklaerung_1_2.pdf
Weimarer Empfehlungen zur Herstellung von und zum Umgang
mit Digitalisaten aus Nachlässen in Archiven und Bibliotheken
Durch den Entwicklungsstand der Technik sind neue Zugangsmöglichkeiten zu Nachlässen in Archiven und Bibliotheken entstanden. Die Archive und Bibliotheken begrüßen die „Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen“ (Berlin Declaration on Open Access to
Knowledge in the Sciences and Humanities) vom 22. Oktober 2003 und unterstützen die weitere
Förderung des neuen „Prinzips des offenen Zugangs“ zum besten Nutzen von Wissenschaft und
Gesellschaft. Sie beabsichtigen daher, ihre Archivalien im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Ziele
sowie der Normen des Urheberrechts und des Schutzes der Privatsphäre im Internet verfügbar zu
machen. Im Sinne dieser Ziele sind die folgenden Empfehlungen zur Herstellung von und zum Umgang mit Digitalisaten zu verstehen.
1) Digitalisate im Sinne dieser Empfehlungen sind digitale Abbildungen (Kopien) von Archivalien.
2) Das Digitalisieren von Archivalien ist ein neuer, zusätzlicher Service der Archive und Bibliotheken.
3) Für Genehmigungen zur Herstellung von Digitalisaten gelten die gleichen Kriterien wie für die
Herstellung von fotografischen Reproduktionen.
4) Die Herstellung der Digitalisate erfolgt durch das Archiv bzw. die Bibliothek oder durch von den
Institutionen beauftragte Firmen. In begründeten Ausnahmefällen kann Benutzern die Herstellung
von Digitalisaten genehmigt werden.
5) In jedem Fall ist bei der Herstellung von Digitalisaten zu gewährleisten:
a) Das Archiv / die Bibliothek gibt die Qualitätskriterien zur Herstellung der Digitalisate vor.
b) Das Archiv / die Bibliothek gibt die Namenkonventionen zur Benennung der Digitalisate vor.
c) Das Archiv / die Bibliothek behält oder erhält durch Rückübertragung das ausschließ-
liche Nutzungsrecht für die Digitalisate in Anlehnung an § 31 Abs. 3 in Verbindung mit
§§ 15ff. des Urheberrechtsgesetzes vom 9. September 1965 (BGBl. 1 5. 1237) in der je-
weils neuesten Fassung. Ausnahmen bedürfen der schriftlichen Vereinbarung.
d) Von Benutzern erstellte Digitalisate werden dem Archiv / der Bibliothek kostenfrei
zur Verfügung gestellt.
6) Sofern Digitalisate im Internet frei zugänglich sind, ist das Herunterladen und die Anfertigung
von Kopien der Digitalisate für den eigenen Bedarf nach dem Prinzip des offenen Zugangs zu wis-
senschaftlichem Wissen gebührenfrei.
7) Die Reproduktion von Digitalisaten in Publikationen (Drucke, elektronische Publikationen) ist
analog zur fotografischen Reproduktion im Rahmen der jeweiligen Benutzungsordnung genehmigungs- und gegebenenfalls gebührenpflichtig.
8) Die Benutzer verpflichten sich, von Print- und Offline-Publikationen dem Archiv kostenlos ein
Belegexemplar zuzusenden. Bei Online-Publikationen ist der freie Zugang zu gewährleisten.
9) Die Benutzungsbedingungen sind wie bisher auf den fotografischen Reproduktionen deutlich er-
kennbar auch in alle elektronischen Publikationen aufzunehmen.
Weimar, 5. Juni 2004
Auf dieses kuriose Dokument, das laut http://www.weimar-klassik.de/de/gsa/gsa_digitalisierung.html von den wichtigsten Handschriftenabteilungen und Literaturarchiven verabschiedet wurde, wurde ich eben erst aufmerksam. Was diese restriktive Vorgabe mit Open Access zu tun haben soll, erschliesst sich mir nicht. Der Text gibt vor, die Berliner Erklärung zu unterstützen, aber zugleich schlägt er ihr ins Gesicht, denn dass zum Open Access auch das Aufheben von permission barriers, also urheberrechtlichen Beschränkungen gehört, haben diese Herrschaften nicht begriffen.
Open Access heisst nicht nur: kostenfreier Zugriff zum eigenen Gebrauch, sondern setzt auch voraus, dass die Digitalisate beliebig ohne die von den Bibliotheken rechtswidrig geforderten Urheberrechte (beim Digitalisieren entsteht nach überwiegender Ansicht kein Lichtbild nach § 72 UrhG) verwendet werden können. Der Vorbehalt der Reproduktionsgebühren auch für die Internetnutzung lässt erkennen, dass die Raubritter und Zwingherren gemeinfreien Kulturguts sich den Open-Access-Gedanken lediglich als Schafspelz übergeworfen haben. Siehe kritisch zu diesem Thema:
http://archiv.twoday.net/stories/120401/
Erinnert sei auch an:
http://www.wlb-stuttgart.de/archive/repro-gebuehren.html
Das Bureau des Comité international de paléographie latine ruft deshalb alle nationalen und lokalen Verwaltungen sowie die Verantwortlichen in privaten Bibliotheken und Archiven dazu auf, über die eigentlichen Herstellungskosten hinaus keine zusätzlichen Gebühren zu erheben, sofern es sich um rein wissenschaftliche Forschung ohne kommerziellen Hintergrund handelt. Im übrigen ist es höchst widersinnig, Strafgelder gerade auf jene Forschungsarbeit zu erheben, die die Bibliotheken wissenschaftlich bereichert, den Autoren hingegen keinerlei Einkünfte bringt.
Zum Thema Belegexemplar sei nur auf:
http://deposit.ddb.de/ep/netpub/89/96/96/967969689/_data_stat/www.dbi-berlin.de/dbi_pub/einzelth/rechtpub/zander.htm
verwiesen. Ohne gesetzliche Grundlage kann bei öffentlichrechtlicher Benutzungsordnung kein Belegexemplar gefordert werden.
Überhaupt scheint mir die Weimarer Erklärung nicht mit den tradierten Grundsätzen des öffentlichen Rechts vereinbar, das für die Bibliotheksbenutzung der meisten wissenschaftlichen Biblioheken der öffentlichen Hand gilt. Wo ist etwa die Rechtsgrundlage für die Forderung, der Benutzer habe eigene Urheberrechte entschädigungslos an die Bibliothek zu übertragen?
Einmal mehr erweist sich, dass man genau hinschauen sollte, wenn von Open Access die Rede ist. Die Wölfe sind clever.
Weimarer Empfehlungen zur Herstellung von und zum Umgang
mit Digitalisaten aus Nachlässen in Archiven und Bibliotheken
Durch den Entwicklungsstand der Technik sind neue Zugangsmöglichkeiten zu Nachlässen in Archiven und Bibliotheken entstanden. Die Archive und Bibliotheken begrüßen die „Berliner Erklärung über offenen Zugang zu wissenschaftlichem Wissen“ (Berlin Declaration on Open Access to
Knowledge in the Sciences and Humanities) vom 22. Oktober 2003 und unterstützen die weitere
Förderung des neuen „Prinzips des offenen Zugangs“ zum besten Nutzen von Wissenschaft und
Gesellschaft. Sie beabsichtigen daher, ihre Archivalien im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Ziele
sowie der Normen des Urheberrechts und des Schutzes der Privatsphäre im Internet verfügbar zu
machen. Im Sinne dieser Ziele sind die folgenden Empfehlungen zur Herstellung von und zum Umgang mit Digitalisaten zu verstehen.
1) Digitalisate im Sinne dieser Empfehlungen sind digitale Abbildungen (Kopien) von Archivalien.
2) Das Digitalisieren von Archivalien ist ein neuer, zusätzlicher Service der Archive und Bibliotheken.
3) Für Genehmigungen zur Herstellung von Digitalisaten gelten die gleichen Kriterien wie für die
Herstellung von fotografischen Reproduktionen.
4) Die Herstellung der Digitalisate erfolgt durch das Archiv bzw. die Bibliothek oder durch von den
Institutionen beauftragte Firmen. In begründeten Ausnahmefällen kann Benutzern die Herstellung
von Digitalisaten genehmigt werden.
5) In jedem Fall ist bei der Herstellung von Digitalisaten zu gewährleisten:
a) Das Archiv / die Bibliothek gibt die Qualitätskriterien zur Herstellung der Digitalisate vor.
b) Das Archiv / die Bibliothek gibt die Namenkonventionen zur Benennung der Digitalisate vor.
c) Das Archiv / die Bibliothek behält oder erhält durch Rückübertragung das ausschließ-
liche Nutzungsrecht für die Digitalisate in Anlehnung an § 31 Abs. 3 in Verbindung mit
§§ 15ff. des Urheberrechtsgesetzes vom 9. September 1965 (BGBl. 1 5. 1237) in der je-
weils neuesten Fassung. Ausnahmen bedürfen der schriftlichen Vereinbarung.
d) Von Benutzern erstellte Digitalisate werden dem Archiv / der Bibliothek kostenfrei
zur Verfügung gestellt.
6) Sofern Digitalisate im Internet frei zugänglich sind, ist das Herunterladen und die Anfertigung
von Kopien der Digitalisate für den eigenen Bedarf nach dem Prinzip des offenen Zugangs zu wis-
senschaftlichem Wissen gebührenfrei.
7) Die Reproduktion von Digitalisaten in Publikationen (Drucke, elektronische Publikationen) ist
analog zur fotografischen Reproduktion im Rahmen der jeweiligen Benutzungsordnung genehmigungs- und gegebenenfalls gebührenpflichtig.
8) Die Benutzer verpflichten sich, von Print- und Offline-Publikationen dem Archiv kostenlos ein
Belegexemplar zuzusenden. Bei Online-Publikationen ist der freie Zugang zu gewährleisten.
9) Die Benutzungsbedingungen sind wie bisher auf den fotografischen Reproduktionen deutlich er-
kennbar auch in alle elektronischen Publikationen aufzunehmen.
Weimar, 5. Juni 2004
Auf dieses kuriose Dokument, das laut http://www.weimar-klassik.de/de/gsa/gsa_digitalisierung.html von den wichtigsten Handschriftenabteilungen und Literaturarchiven verabschiedet wurde, wurde ich eben erst aufmerksam. Was diese restriktive Vorgabe mit Open Access zu tun haben soll, erschliesst sich mir nicht. Der Text gibt vor, die Berliner Erklärung zu unterstützen, aber zugleich schlägt er ihr ins Gesicht, denn dass zum Open Access auch das Aufheben von permission barriers, also urheberrechtlichen Beschränkungen gehört, haben diese Herrschaften nicht begriffen.
Open Access heisst nicht nur: kostenfreier Zugriff zum eigenen Gebrauch, sondern setzt auch voraus, dass die Digitalisate beliebig ohne die von den Bibliotheken rechtswidrig geforderten Urheberrechte (beim Digitalisieren entsteht nach überwiegender Ansicht kein Lichtbild nach § 72 UrhG) verwendet werden können. Der Vorbehalt der Reproduktionsgebühren auch für die Internetnutzung lässt erkennen, dass die Raubritter und Zwingherren gemeinfreien Kulturguts sich den Open-Access-Gedanken lediglich als Schafspelz übergeworfen haben. Siehe kritisch zu diesem Thema:
http://archiv.twoday.net/stories/120401/
Erinnert sei auch an:
http://www.wlb-stuttgart.de/archive/repro-gebuehren.html
Das Bureau des Comité international de paléographie latine ruft deshalb alle nationalen und lokalen Verwaltungen sowie die Verantwortlichen in privaten Bibliotheken und Archiven dazu auf, über die eigentlichen Herstellungskosten hinaus keine zusätzlichen Gebühren zu erheben, sofern es sich um rein wissenschaftliche Forschung ohne kommerziellen Hintergrund handelt. Im übrigen ist es höchst widersinnig, Strafgelder gerade auf jene Forschungsarbeit zu erheben, die die Bibliotheken wissenschaftlich bereichert, den Autoren hingegen keinerlei Einkünfte bringt.
Zum Thema Belegexemplar sei nur auf:
http://deposit.ddb.de/ep/netpub/89/96/96/967969689/_data_stat/www.dbi-berlin.de/dbi_pub/einzelth/rechtpub/zander.htm
verwiesen. Ohne gesetzliche Grundlage kann bei öffentlichrechtlicher Benutzungsordnung kein Belegexemplar gefordert werden.
Überhaupt scheint mir die Weimarer Erklärung nicht mit den tradierten Grundsätzen des öffentlichen Rechts vereinbar, das für die Bibliotheksbenutzung der meisten wissenschaftlichen Biblioheken der öffentlichen Hand gilt. Wo ist etwa die Rechtsgrundlage für die Forderung, der Benutzer habe eigene Urheberrechte entschädigungslos an die Bibliothek zu übertragen?
Einmal mehr erweist sich, dass man genau hinschauen sollte, wenn von Open Access die Rede ist. Die Wölfe sind clever.
KlausGraf - am Donnerstag, 3. März 2005, 05:43 - Rubrik: Open Access