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Immer wieder ärgere ich mich, wenn in Ausstellungskatalogen Objekte einseitig kunsthistorisch gewürdigt werden, der historische Kontext aber unter den Tisch fällt.

Jüngstes Beispiel: In dem Katalog der Berner Ausstellung "Karl der Kühne" (Stuttgart 2008) ist Nr. 161 ein "Bericht über die Hochzeit" von Maximilian und Maria und Burgund aus dem Haus-, Hof- und Staatsarchiv Wien (Allg. Urkundenreihe 1479 III 17). Man erfährt, dass er aus dem Kloster Einsiedeln stammt, aber mit keiner Silbe, dass der Verfasser der dortige Konventuale Albrecht von Bonstetten war. Der Text ist besprochen bei Regine Schweers, Albrecht von Bonstetten ..., 2005, S. 93-95 http://books.google.com/books?id=7Ne2OKF_j6YC&pg=PA93. Susan Marti gibt im Ausstellungskatalog als Literatur nur den Berliner Katalog "Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation" 2006 S. 123f., der mir nicht vorliegt. Die historische Einordnung des Textes setzt voraus, dass man den Verfasser Bonstetten kennt, mit ihm lässt sich etwa auch der Abdruck des Textes bei Chmel ermitteln.

(Wie nicht selten, hat es auf den ersten Blick den Anschein, dass Chmels Urkunden und Aktenstücke bei Google Book Search gar nicht online sind. Nimmt man aber ein Textstück aus Schweers, findet man die Stelle sofort:

http://books.google.com/books?ei=PL-VSbGqFqOOyQT7lJmBDw&hl=de&as_brr=0&q=sit+igitur+iste+sigismondus )



UPDATE:

Michael Anders hat mir freundlicherweise den Wortlaut des Katalogbands 2 zur Ausstellung „Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation 962-1806“ zur Verfügung gestellt:

„Die bildliche Darstellung zeigt diesen Moment [die Hochzeit]: Die beiden Brautleute stehen einander vor einem Geistlichen gegenüber, Maria ist in geistlicher Begleitung, Maxi- [S. 124] milian wird von einem Schwertträger begleitet. Zu Füßen der handelnden Personen befinden sich die beiden Wappenschilde, der österreichische Bindenschild neben dem burgundischen Schild. Die beiden Wappen fallen durch ihre Farbigkeit auf und symbolisieren für den Betrachter der Szene sofort, dass die Verbindung zwischen Habsburg und Burgund trotz aller Irrungen nun zustande gekommen ist.

Der Bericht über die Hochzeit wurde anscheinend im Kloster Einsiedeln verfasst. Möglicherweise ist es eine Auftragsarbeit des Innsbrucker Hofes, da sich der Verfasser als Anhänger Erzherzog Siegmunds von Tirol zu erkennen gibt. Gedacht war der Bericht für den Dogen und die Senatoren von Venedig, allerdings wurde das Stück nie abgeschickt. Siegmund von Tirol hatte sich für die österreichisch-burgundische Heirat stark eingesetzt, er wurde dafür von Friedrich III. auch mit dem Titel eines Erzherzogs belohnt. Dieser Titel stand nach der Bestätigung des Privilegium Maius durch den Kaiser im Jahr 1453 nur der steirischen Linie der Habsburger zu.“

Autor: ThJ = Thomas Just

Verwiesen wird auf:
Wiesflecker 1971-1986, Bd.1, S. 96-133;
Ausst.-Kat. Neuhofen an der Ybbs/St. Pölten 1996, S. 666f;
Ausst.-Kat. Berlin 2003, S. 115.


Also auch da kein Hinweis auf den Autor. Liegts also nicht an den Kunsthistorikern, sondern an einem Wiener Archivar, dass das Stück seinen Autor verlor? Sollte Just tatsächlich übersehen haben, dass Bonstetten der Autor ist, was bei Chmel steht, aber womöglich nicht im Findmittel der Urkundenreihe? Es klingt fast danach (anscheinend in Einsiedeln, gibt sich als Anhänger Sigmunds zu erkennen). Aber was ist mit den zitierten Quellen? Da Just dieses Weblog liest, ist die Lösung des Rätsels womöglich nah ...

Update:
Siehe auch
http://wwwg.uni-klu.ac.at/kultdoku/kataloge/20/html/1823.htm
Thomas Just (Gast) meinte am 2009/02/14 08:38:
Danke für die Anregung, ich kannte nur den Text von Chmel, und der "Vorgänger" von mir ist nun alles andere als ein Verfasser von Werken, denen ich vertraue. Damit haben wir nur schlechte Erfahrungen gemacht, Für Frau Marti war übrigens der kunsthistorische Kontext sicherlich wichtiger, was auch legitim ist. Aber wirklich schön, dass das Stück seinen Autor nun wieder gefunden hat.Schönes Bild übrigens. Gefällt mir immer wieder. 
KlausGraf antwortete am 2009/02/14 15:34:
J'accuse
Danke für die Aufklärung. Gestört ist also nicht nur die Kommunikation zwischen Historikern und Kunsthistorikern, sondern auch die zwischen Archivaren und der gelehrten Restwelt. Der Text ist am Schluss eindeutig aus Einsiedeln datiert, hätte es da nicht nahegelegen, die ja diesesmal durchaus zutreffende Angabe Chmels anhand einer verlässlichen Quelle zu überprüfen? In der Bonstetten-Forschung ist das Wissen um De provisione (abgedruckt nach der Hs. der römischen Vallicelliana auch im Archiv für Schweiz. Geschichte 1862
http://books.google.com/books?id=NjoKAAAAIAAJ&pg=RA1-PA319 ) nie vergessen gewesen, auch wenn der Nachweis des Chmel-Drucks und die Wiener Überlieferung im Verfasserlexikon (Bd. 1 von 1978) fehlen.

Wichtige Informationen, die über Archivgut vorliegen, müssen vom Archiv, wenn es Kenntnis von ihnen hat oder - etwa aufgrund einer Ausstellungsanfrage - gehalten ist, sie sich zu verschaffen, durch einen Hinweis im Findmittel mit dem Archivgut selbst verknüpft werden. Dass diese Forderung im Prinzip berechtigt ist, wird wohl niemand bestreiten. Dass sie praktisch kaum durchzuführen ist, wohl ebenfalls niemand. Aber bei wichtigen Einzelstücken wie Handschriften, ausstellungsrelevanten Stücken oder bedeutenden Urkunden führt ein anderes Vorgehen notwendigerweise zu ärgerlicher Wissenschaftsamnesie, wie sie hier zu beobachten war. 
Thomas Just (Gast) antwortete am 2009/02/14 16:59:
Nun, ich stimme deinem letzten Absatz prinzipiell zu. Pech nur, dass in unserem Haus halt fast alles im Rang eines exzeptionellen Stückes steht. Die Nicht-Erwähnung Bonstettens geht wohl auch auf den Ostarrichi Katalog von 1996 zurück, soweit ich das noch im Kopf habe. Grundsätzlich gebe ich Dir also recht. Jedenfalls hat das dauernde Verleihen des Objekts wenigstens den Künstler geklärt, der die Initiale des Textes, die aufgeklebt ist, geschaffen hat. Einmal gibts noch die Möglichkeit das Objekt im Original zu sehen, ab März in Brügge. Dann ist Schluss damit.
Wo ich widerspreche ist der Teil des Satzes "etwa aufgrund einer Ausstellungsanfrage§- Hier ist sehr wohl der Ausstellungsmacher gefordert, nicht das jeweilige Archiv. Bei einem kleinen Archiv meinetwegen, bei einem Haus, das jährlich mehrere hundert Objekte verleiht, ist das nicht mehr zu leisten.
Was natürlich Unsinn ist, ist der Satz vom gestörten Verhältnis zwischen Archiv und gelehrter Restwelt. Es ist praktisch unmöglich jede Veröffentlichung zu irgendeinem Stück aus dem Archiv zu erfahren, v.a. wenn ein Haus einen etwas größeren oder internationalen Benutzerkreis hat.
So das wars, mögen die Bonstettenspezialisten aus dem Süden Deutschlands und der Schweiz weiter in Ruhe arbeiten. 
 

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