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http://infobib.de/blog/2009/03/16/eichstatter-buchvernichtung-nur-vor-schoffengericht/

Aus der Augsburger Allgemeinen http://tinyurl.com/c3vvuv

Vor zwei Jahren geriet der Stein ins Rollen, als zunächst vergeblich eine alte Schallplattensammlung gesucht wurde, die der Uni als Schenkung überlassen worden war. Dann tauchten uralte Bücher auf Flohmärkten und in Antiquaren auf. Des Rätsels Lösung: Angelika Reich, die Chefin der Bibliothek an der Katholischen Universität in der Bischofsstadt hatte geschätzt etwa 80 Tonnen Bücher und Schriften in den Container werfen lassen. Die Stücke stammten aus dem Bestand der bayerischen Kapuziner, die der Uni anvertraut worden waren.

Für 45 Euro am Flohmarkt gekauft und 5000 Euro erzielt

Darunter könnten Werke von erheblichem Wert gewesen sein. Ein Antiquar entdeckte auf einem Flohmarkt mehrere sehr gut erhaltene Bände über Gartenkulturen, für die er 45 Euro zahlte. Wenig später verkaufte er „Deutschlands Obstsorten aus dem Jahr 1905 bis 1934“ für stolze 5000 Euro.

Dagegen leistete die ehemalige Spitze der Uni Eichstätt mit dem damaligen Kanzler Gottfried Freiherr von der Heydte und dem früheren Präsidenten Ruprecht Wimmer der Bibliothekarin Schützenhilfe. Die habe von ihrem Vorgänger tatsächlich sehr viel vergammeltes und verschimmeltes Material aus den Beständen der Kapuziner übernommen.

Es seien sicher nicht strengste Maßstäbe bei Durchsicht und Aussonderung angewendet worden. Im Endeffekt sei der Schaden aber hinnehmbar, hieß es bei einer Pressekonferenz zu dem spektakulären Fall vor Jahresfrist. Eine ähnlich lautende Einschätzung kam später von der Staatsbibliothek. Kritiker sprechen von einem Gefälligkeitsgutachten, das weiteren Schaden von der Uni anwenden sollte.

Ähnlich bewertet die Sachlage jetzt aber auch das Landgericht Ingolstadt. Die Staatsanwaltschaft klagte zuletzt noch die Veruntreuung von 14 Büchern an, das Landgericht reduzierte die Zahl auf zwei. Konkret geht es um ein „Handbüchlein für Kranke, und alle, die um sie herumseyn müssen“ und das „Leben der Heiligen“ von Sirius. Beide Bücher sind aus dem Jahr 1790, also aus der Zeit vor der Säkularisation und deshalb im Besitz des Freistaats.
Das Landgericht schätzt deren Wert aber nicht besonders hoch ein und hat den gesamten Fall deshalb nun an das Schöffengericht Ingolstadt verwiesen. Die Staatsanwaltschaft wird dagegen keine Beschwere einlegen: „Wir wollen da jetzt mal ein Urteil. Das geht ja schon fast zwei Jahre“, so Leitender Oberstaatsanwalt Dr. Helmut Walter zur Neuburger Rundschau. Wann die „Büchvernichtung von Eichstätt“ verhandelt wird, ist offen.


Siehe hier:

http://archiv.twoday.net/search?q=eichstätt
BCK meinte am 2009/03/17 04:54:
Umweltpreis für Frau Reich?
Vgl. hierzu auch Hermann Redl im Eichstätter Kurier (Streit um zwei alte Bücher, 25.02.2009):

(...) In dem Fall, den das Landgericht Ingolstadt nun an das Schöffengericht beim Amtsgericht verwiesen hat, handelt es sich laut Vizepräsident Paul Weingartner um zwei Bücher mit Erscheinungsjahr vor 1802, die Angelika Reich nach Besichtigung zur Vernichtung freigegeben haben soll. Dass die Werke dennoch nicht in den Altpapiercontainer wanderten, sondern in den Bestand der Handschriftensammlung eingestellt wurden, ist Mitarbeitern der Unibibliothek zu verdanken.

(...)

Die Eichstätter Unibibliothek unter der Leitung von Angelika Reich war vor mehr als zwei Jahren ins Gerede gekommen, nachdem der Mäzen und Ehrendoktor der Universität, Professor Hans Schneider, die Verscherbelung einer der Bibliothek überlassenen Schallplattensammlung seines Schwiegervaters Hinrich Sievers angeprangert hatte. Daraufhin weiteten sich die Vorwürfe gegen die Bibliothekschefin aus. Unter ihrer Regie sollen etwa 80 Tonnen Bücher in 17 Containern in die Altpapierverwertung gekommen sein. Die Werke stammten aus der Bibliothek der bayerischen Kapuziner. Darunter waren auch Bestände, die vor dem Jahr 1802 erschienen und somit noch im Eigentum des Freistaats Bayern waren.

Nachdem die Leitung der Universität zunächst von gegenstandslosen Vorwürfen gesprochen hatte, wurde der Bibliothekschefin schließlich die weitere Bearbeitung der Kapuzinerbestände untersagt.

Außerdem führte die Leitung der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt zusammen mit der Bayerischen Staatsbibliothek eine interne Untersuchung durch. Das Ergebnis: Es sei zwar bei der Beseitigung von 80 Tonnen Bücher in 17 Containern "nicht alles in Ordnung" gewesen, aber von einer Massenvernichtung wertvoller Bestände könne – "von Ausnahmen abgesehen" – keine Rede sein. Auch Werke, die vor dem Jahr 1802 erschienen waren, seien nicht betroffen, teilten der damalige Kanzler Gottfried Freiherr von der Heydte und der frühere Präsident, Ruprecht Wimmer, mit.

Dieses uniinterne Gutachten wurde in Fachkreisen als "Apologie" oder "Persilschein" bezeichnet. Das Ergebnis sei von vorne herein zwischen Kirche, Unibibliothek und der bayerischen Bibliotheksverwaltung abgesprochen gewesen, hieß es.

Seinen "Gesamteindruck" beschrieb ein langjähriger Hauptabteilungsleiter der Staatsbibliothek sarkastisch so: "Die Zentralbibliothek der Kapuziner ist ein Konglomerat von Schimmel und Vogelschiss, für dessen Beseitigung Frau Reich ein Umweltpreis gebührt."  
BCK meinte am 2009/03/17 07:08:
Zu den beiden genannten Titeln:

Handbüchlein für Kranke, und für alle, die um sie herum seyn müssen.
München : Lentner, 1790. - [6] Bl., 192 [i.e. 162] S., [1] Bl.
Im OPAC der UB Eichstätt ein Ex. nachgewiesen: 041/1 AÖ 3925,
vgl. auch Allgemeine deutsche Bibliothek. 97. Bd.,1.St., 1790, S. 32

Bei dem zweiten Titel muss es sich um eine Ausgabe oder einen Auszug der Vitae Sanctorum des Kartäusermönchs Laurentius Surius (1523–1578) handeln, die sich großer Beliebtheit erfreuten. Die letzte bekannte Ausgabe des Werks erschien 1751 in Köln und Frankfurt bei Huisch, vgl. die Beschreibung zum Exemplar der USB Köln aus der Kölner Gymnasialbibliothek.

Im OPAC der UB Eichstätt sind nur Kölner Ausgaben von 1593, 1629 (Ex. aus Altötting) und 1708 nachgewiesen, mit Erscheinungsjahr 1790 nur ein Auszug, die Praktische Verehrung des heil. Blutzeugen Sebastianus : Seine Lebensgeschichte aus dem Surius, mit Betrachtungen und Anwendungen ; Zur Beförderung der wahren Verehrung dieses Heiligen herausgegeben von Modest Hahn, Augsburg : Rieger, 1790. - 78 S. nachgewiesen: 041/1 AÖ 4378. 
 

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