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Malte Stieper schreibt in der ZUM 2013, S. 574f.

"Kaum eine Entscheidung des BGH hat in den letzten Jahren so harsche Kritik erfahren wie das auf Klagen der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten ergangene Urteil vom 17.12.2010 (BGH ZUM 2011, 327 mit abl. Anm. Stieper = GRUR 2011, 323 mit abl. Anm. H. Lehment = JZ 2011, 371 mit abl. Anm. Schack). In diesem wie in zwei parallelen Urteilen (BGH ZUM 2011, 325; BGH ZUM 2011, 333) hatte der für das Sachenrecht zuständige V. Zivilsenat die längst überwunden geglaubte Rechtsprechung des I. Zivilsenates im Fall »Schloss Tegel« (BGH NJW 1975, 778) aufgewärmt, um der Klägerin zu Nebeneinnahmen aus der Verwertung von Fotografien ihrer Schlösser und Parkanlagen zu verhelfen. Ohne sich inhaltlich mit der nahezu einhelligen Kritik an dem einmaligen Sündenfall »Schloss Tegel« auseinanderzusetzen, meinte der BGH allein aus dem Umstand, dass der Fotograf das Grundstück betreten hat, ein ausschließliches Recht des Grundstückseigentümers ableiten zu können, Abbilder der auf
seinem Grundstück befindlichen Anwesen herzustellen und zu verwerten. Weil das Berufungsgericht – aus seiner Sicht konsequent – keine Feststellungen zum Eigentum der Klägerin an den von ihr verwalteten Liegenschaften getroffen hatte, hat der BGH den Rechtsstreit zurückverwiesen. Nachdem das OLG Brandenburg (ZUM-RD 2012, 530 – Sanssouci II) daraufhin die Verurteilung in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt, im Grundsatz aber aufrechterhalten hatte, hatte der BGH auf die erneute Revision der beklagten Fotoagentur nun die Gelegenheit, seine Rechtsprechung zu korrigieren.

I. Angesichts der Arglosigkeit, mit welcher der V. Zivilsenat bereits im ersten Revisionsurteil der Kritik an der Schloss-Tegel-Entscheidung begegnet ist, verwundert es jedoch kaum, dass die Richter auch jetzt »keine Veranlassung zu einer Änderung der Rechtsprechung« sehen (Rn. 12). Dass die Entscheidung »nicht nur Zustimmung, sondern auch Kritik erfahren« habe, ist freilich eine starke Untertreibung (vgl. Dreier, in: FS Pfennig, 2012, S. 13, 22: »einhellig zerrissen«; ausdrücklich ablehnend außer den vom BGH zitierten Anmerkungen auch Gursky, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2012, § 1004 Rn. 80; Keukenschrijver, in: NK-BGB, 3. Aufl. 2013, § 1004 Rn. 60; v. Ungern-Sternberg, GRUR 2012, 224, 231; Riecken, Schutzgüter in der Filmkulisse, 2011, S. 125 f.; bereits zu den Vorinstanzen Bullinger/Bretzel/Schmalfuß, Urheberrechte in Museen und Archiven, 2010, S. 85 f.; Stang, Das urheberrechtliche Werk nach Ablauf der Schutzfrist, 2010, S. 296 ff.)."

Zitat:

"Zum Schwur kommt es, wenn bewegliche Sachen fotografiert werden, die sich zwar auf dem Grundstück befinden, aber nicht notwendig dessen Eigentümer gehören. So hat die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten unter Berufung auf ihr Grundstückseigentum in einem weiteren Verfahren versucht, auch die Verwertung von Kunstdrucken und Postern der in ihren Anwesen ausgestellten gemeinfreien Gemälde zu unterbinden. Das AG Hamburg (ZUM-RD 2013, 148, 150) hat die Klage abgewiesen, weil »Erträge aus der Verwertung von Abbildern beweglicher Sachen keine Früchte des Grundstücks [seien], auf dem sich die beweglichen Sachen – gerade – befinden, sondern Früchte der Sache selbst« und die Verwertungsbefugnis daher »beim Sacheigentümer und nicht beim Grundstückseigentümer« liege. Die Begründung, mit der das Gericht eine Erstreckung der Rechtsprechung im Fall »Preußische Gärten und Parkanlagen« auf bewegliche Sachen ablehnt, zeigt die Gefahr, die der V. Zivilsenat mit seiner Rechtsprechung heraufbeschworen hat: Die Verwertung von Abbildern eines Kunstgegenstands ist weder dessen Eigentümer noch dem Eigentümer des Grundstücks zugewiesen, auf dem sich der Gegenstand befindet, sondern ausschließlich dem Urheber des darin verkörperten Werkes (Münch, in: Soergel, BGB, 13. Aufl. 2007, § 1004 Rn. 62 m. w. N.), und das auch nur bis zum Ablauf der urheberrechtlichen Schutzfrist. Die Werke, die auch nach Ablauf dieser Frist noch verwertbar sind, sind nach Auffassung des Gesetzgebers gerade »die Meisterwerke der Literatur und Kunst, die in den Kulturbestand eines Volkes eingehen und deren Verbreitung und Wiedergabe im allgemeinen Interesse dann jedermann freistehen« muss (Amtl. Begr. zum UrhG, BT-Dr. IV/270, S. 79; dazu Stieper, GRUR 2012, 1083 ff. m. w. N.).

Eine zeitlich unbegrenzte ausschließliche Verwertungsbefugnis des Eigentümers ist damit nicht zu vereinbaren."

Zur zitierten Hamburger Entscheidung:

"Keine Eigentumsbeeinträchtigung bei Verwertung von Fotos gemeinfreier Gemälde ZUM-RD 2013, 148

Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 30. August 2012 – 35a C 332/11 – nicht rechtskräftig

Orientierungssätze (der Redaktion):

Das Fotografieren fremder Gemälde lässt deren Sachsubstanz unberührt. Die Ablichtung eines Gegenstandes nutzt vielmehr allein den in der Sache verkörperten immateriellen Wert, der jedoch nicht dem Eigentümer zugewiesen ist, sondern dem Urheber.

Der Grundstückseigentümer kann zwar versuchen, über ein Betretungsverbot oder ein Fotografierverbot die Anfertigung von Fotografien beweglicher Sachen auf dem Grundstück zu verhindern, zumal er es im Falle gleichzeitigen Sacheigentums in der Hand hat, die beweglichen Sachen auf dem Grundstück zu belassen. Er kann jedoch nicht mit dinglicher Wirkung die Verwertung von angefertigten Fotos verbieten."

Zusammenfassung:
http://kanzlei-wrase.de/component/k2/item/417-verwertung-von-fotografien-historischer-gem%C3%A4lde-auf-internetseiten.html

Zitat aus den Gründen: "Es ist bereits fraglich, ob dem Bundesgerichtshof an dieser Stelle gefolgt werden kann (vgl. etwa die kritischen Anmerkungen von Schack, JZ 2011, 375 f.; Lehment, GRUR 2011, 327 f.; Stieper, ZUM 2011, 331; ferner Schippan, ZStV 2011, 210 ff.).

Jedenfalls ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die Gemälde – anders als die vom Bundesgerichtshof beurteilten Gebäude, Gartenanlagen und Parks – bewegliche Sachen auf den Grundstücken der Klägerin darstellen, nachdem auch die Klägerin keine Umstände vorgetragen hat, aus denen sich ergeben würde, dass die betroffenen Gemälde wesentliche Bestandteile der Grundstücke gemäß § 94 BGB wären. Auf solche beweglichen Sachen kann die zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht erstreckt werden. Das Grundstückseigentum der Klägerin umfasst nämlich gerade nicht das Recht, aus den auf dem Grundstück befindlichen beweglichen Sachen gemäß § 99 BGB Früchte zu ziehen. Die beweglichen Sachen sind vielmehr rechtlich selbstständig, sodass Erträge aus der Verwertung von Abbildern beweglicher Sachen keine Früchte des Grundstücks sind, auf dem sich die beweglichen Sachen – gerade – befinden, sondern Früchte der Sache selbst. Mit anderen Worten: die Verwertungsbefugnis liegt hier beim Sacheigentümer und nicht beim Grundstückseigentümer. Dann aber fehlt die Grundvoraussetzung für die Annahme des Bundesgerichshofs, dass durch die Lage der zu fotografierenden Sache auf einem Grundstück die Verwertungsbefugnis des Grundstückseigentümers zu einem ausschließlichen Verwertungsrecht werden kann. Dies gilt selbst dann, wenn sich der Grundstückseigentümer entschließen sollte, die ihm ebenfalls gehörende bewegliche Sache nicht von seinem Grundstück entfernen zu wollen – was im Übrigen stets nur eine jederzeit abänderbare Momentaufnahme sein kann."

Stieper hatte sich schon in GRUR 2012, S. 1083ff. zu den Versuchen, gemeinfreie Kulturgüter zu remonopolisieren geäußert:

"Bei dem vom BGH kreierten ausschließlichen Recht des Grundstückseigentümers zur Anfertigung und Verwertung von Fotografien, die von seinem Grundstück aus gefertigt werden, handelt es sich daher in Wirklichkeit nicht um ein Eigentumsrecht an einem körperlichen Gegenstand, sondern vielmehr um ein Immaterialgüterrecht. Abgesehen davon, dass die Begründung neuer Immaterialgüterrechte dem Gesetzgeber vorbehalten ist, ist ein solches – auch noch zeitlich unbegrenztes – Recht mit der urheberrechtlichen Gemeinfreiheit der abgebildeten Werke nicht zu vereinbaren. Das bloße Interesse, ein Kunstwerk als „Unikat“ zu besitzen, ist rechtlich nicht geschützt. Das Eigentum an den Ausstellungsräumen begründet daher ebenso wie das Eigentum am Originalwerkstück kein ausschließliches Recht zur Verwertung von Abbildungen der ausgestellten Kulturgüter.

4. Fazit

Weder das Sacheigentum noch das Hausrecht kommen daher als Grundlage für ein Verbotsrecht oder einen Anspruch auf Zahlung von Lizenzgebühren für die Verwertung gemeinfreier Kulturgüter in Betracht. Ein solches ausschließliches Recht zur Werkverwertung kann vielmehr nur durch ein Immaterialgüterrecht begründet werden. Nachdem das Urheberrecht aber im Allgemeininteresse an einem freien Zugang zu den Kulturgütern kraft Gesetzes erloschen ist, bedarf die erneute Begrenzung der dadurch geschaffenen Freiräume einer besonderen Rechtfertigung" (S. 1085).

Stieper geht auch auf die Editio princeps (§ 71 UrhG) und das Markenrecht ein. Zu meiner Position siehe nur

http://archiv.twoday.net/stories/156263260/

Stieper 2009 hatte mich noch zitiert, Stieper 2012 nicht mehr.

Siehe auch
http://archiv.twoday.net/search?q=sanssouci
Schmunzelkunst (Gast) meinte am 2013/12/07 17:44:
Das ist ja mein Lieblingsthema
http://www.schmunzelkunst.de/sachfoto.htm

Ein wesentlicher Fehler des BGH besteht m. E. in V ZR 45/10 Rn 15: "... Die Verwertungsbefugnis beruht ... auf dem Grundstückseigentum selbst, das das Recht umfasst, aus dem Grundstück Früchte zu ziehen. Zu diesen Früchten gehören nach § 99 Abs. 3 BGB ebenso wie die Erträge etwa aus der Vermietung eines Schlosses als Kulisse für einen Kinofilm auch die Erträge aus der Verwertung von Abbildern der Gebäude und Gärten auf dem Grundstück." Wenn ich als Eigentümer mein Grundstück für die Herstellung von Filmaufnahmen vermiete, ist das etwas anderes, als wenn ich aufgrund des Eigentumsrechts die Verbreitung und Vervielfältigung der Filme kontrolliere. Filmaufnahmen können noch verwertet werden, wenn das Grundstück untergegangen ist. Ein Grundstück, das untergegangen ist, kann aber nicht mehr vermietet werden. Ich kann auch Bilder von einem Grundstück, das mir nicht mehr gehört, noch vermarkten. Aber ich kann das Grundstück dann nicht mehr vermieten.

Der BGH übersieht, dass Fotos und Filme zumeist in Form von Reproduktionen verbreitet werden, die selbst gar nicht auf den Grundstücken der Originalaufnahmen angefertigt werden.

In der Begründung des BGH-Urteils Apfel-Madonna wird deutlich, dass man bei Sachen die Anfertigung dreidimensionaler Vervielfältigungen bereits vorhandener (also in Umlauf befindlicher) Vervielfältigungen nicht mit dem Eigentumsrecht an dem Original verhindern kann. Wenn man die Logik der Apfel-Madonna-Entscheidung auf die Schlossfotos überträgt und unterstellt, dass der Fotograf auf seine Rechte verzichtet, müssten die Schlossfotos, sobald sie sich im Umlauf befinden, auch ohne Zustimmung des Schlosseigentümers kopiert und verbreitet werden dürfen. Das Ausklammern der Fotografenrechte ist in diesem Gedankenspiel notwendig, weil Fotos von dreidimensionalen Objekten in Gegensatz zu originalgetreuen dreidimensionalen Reproduktionen einen eigenständigen Schutz zumindest gem. § 72 UrhG genießen.

Und hier noch eine Frage, die mir bisher keiner beantworten wollte:

http://www.juraforum.de/forum/buergerliches-recht-allgemein/nochmal-preussische-gaerten-und-parkanlagen-mietrecht-vs-eigentumsrecht-459827

MfG
Johannes 
 

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