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Der unten wiedergegebene Beitrag "Thüringer Bibliotheksgesetz bedarf einer Datenschutzklausel" vom 2. April 2008

http://archiv.twoday.net/stories/4834214/

plädierte für eine Datenschutzklausel im Thüringer Bibliotheksgesetz. Erfolgreich, siehe meinen Beitrag vom 30. Juli 2008:

"Mein Vorschlag war:

"Soweit Bibliotheken im Rahmen ihrer Dokumentationsaufgaben und insbesondere bei der Übernahme, Erschließung und Nutzbarmachung von aus wissenschaftlichen Gründen erhaltenswerten Nachlässen personenbezogene Daten lebender Personen im Sinne des Thüringer Datenschutzgesetzes verarbeiten, gelten die Vorschriften des Thüringer Archivgesetzes entsprechend."

Gesetz wurde [§ 4 Abs. 3, siehe www.landesrecht-thueringen.de/]:

"Für die Verarbeitung von personenbezogenen Daten
lebender Personen bei der Übernahme, Erschließung und
Nutzbarmachung von Nachlässen durch Bibliotheken gelten
die Vorschriften des Thüringer Archivgesetzes entsprechend."

Herr Steinhauer, der meine Anregung überzeugend fand, hat es übernommen, sie im Gesetzgebungsverfahren einzubringen. Aus der von Steinhauer am 30. Mai für den VDB-Regionalverband abgegebenen Stellungnahme: "Ebenfalls Gegenstand der Beratung sollten Fragen des Datenschutzes sein. Nach der Publikation der Gesetzesentwürfe in den Landtagsdrucksachen wurde aus dem Archivwesen auf eine Lücke hingewiesen. Es geht um die Benutzung von Nachlässen in Bibliotheken, die personenbezogene Daten lebender Personen enthalten. Vorgeschlagen wurde für die Sammlung, Erschließung und Benutzung dieser Nachlässe eine entsprechende Anwendung der einschlägigen Vorschriften des Thüringer Archivgesetzes. Man könnte mit einem kurzen Verweis auf dort bereits bestehende Regelungen die genannte Rechtslücke einfach schließen."

Es dürfte das erste Mal sein, dass ein deutscher Weblogbeitrag bei der Landesgesetzgebung quasi 1:1 umgesetzt wurde :-) "
http://archiv.twoday.net/stories/5094326/

Siehe auch
http://infobib.de/blog/2008/07/30/gesetze-bloggen/

Unsäglich, dass die ZLB das funktionierende Heftarchiv des Bibliotheksdienstes vom Netz genommen hat, der von mir

http://archiv.twoday.net/stories/5492544/

erwähnte Aufsatz vom Störr ist derzeit nur im Internet Archive nachlesbar:

http://web.archive.org/web/20110514164452/http://www.zlb.de/aktivitaeten/bd_neu/heftinhalte2008/Recht01080908BD.pdf

Alle Türchen:
#bestof


***

Bibliothekare übersehen gemeinhin, dass in modernen Nachlässen, die von Handschriftenabteilungen verwahrt werden, Unterlagen (Briefe, Fotos, usw.) lebender Personen sich befinden, die nicht vom Nachlassgeber stammen. Dabei handelt es sich eindeutig um personenbezogene Daten im Sinne des Thüringer Datenschutzgesetzes.

Dieses sagt eindeutig: "Die Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten ist nur zulässig, wenn dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift sie erlaubt oder anordnet oder soweit der Betroffene eingewilligt hat." (§ 4 Abs. 1). Zur Verarbeitung zählt auch das Erheben der Daten durch Übernahme des entsprechenden Nachlasses.

Beispiele für personenbezogene Daten, die nicht mit Zustimmung des Betroffenen erhoben werden, wenn ein privater Nach- oder Vorlass übernommen wird:

- Briefe Dritter an den Nachlassgeber (Korrespondenz-Eingang)
- Fotos, die Dritte zeigen
- Ausführungen in Unterlagen (Briefen, Schriften) über Dritte, die Einzelangaben über persönliche Verhältnisse enthalten.

Denkbar ist aber auch, dass Bibliotheken Forschungsunterlagen und Sammlungen aus dem Bereich der qualitativen Sozialforschung übernehmen, in denen personenbezogene Daten nicht-anonymisiert vorhanden sind (z.B. Oral-History-Projekte).

Inbesondere bei Briefen ist es leicht vorstellbar, dass die nach § 4 Abs. 5 Thüringer DatenschutzG besonders "sensiblen" "Daten, aus denen die rassische und ethnische Herkunft, politische Meinungen, religiöse oder philosophische Überzeugungen oder die Gewerkschaftszugehörigkeit hervorgehen" betroffen sind, deren Erhebung nur unter strengen Voraussetzungen zulässig ist.

In allen diesen Fällen fehlt - anders als bei den Archiven, die mit den Archivgesetzen die entsprechende Rechtsgrundlage haben - die datenschutzrechtliche Befugnisnorm, die es den Bibliotheken ermöglicht, Unterlagen, in denen sich personenbezogene Daten befinden, zu übernehmen.

Das Sammeln von Nachlässen zählt gewohnheitsrechtlich zu den Aufgaben von Bibliothek. Für Thüringen siehe etwa:
http://hans.uni-erfurt.de/hans/index.htm

Datenschutzbeauftragte aber fragen, welche Norm und Aufgabenbeschreibung es Bibliotheken ermöglicht, personenbezogene Unterlagen zu übernehmen. Es gilt ja § 19 Thüringer DatenschutzG, dass die Kenntnis der Daten "zur Erfüllung der Aufgaben der erhebenden Stellen erforderlich ist".

Aus dem Gesetzentwurf der CDU - siehe Steinhauer zitiert in
http://archiv.twoday.net/stories/4832758/ - lassen sich solche rechtfertigenden Aufgaben aber nicht ohne weiteres ableiten.

"Das große Problem: Handschriften Dritter" hat der Bibliotheksjurist Harald Müller einen Abschnitt seines leider vergriffenen und auch nicht online verfügbaren, nach wie vor grundlegenden Buchs "Rechtsprobleme bei Nachlässen in Bibliotheken und Archiven", Hamburg/Augsburg 1983, S. 129-132 überschrieben. Damals ging es um die Katalogisierung. Müller stellte dar, dass die Katalogisierung nichtveröffentlichter Briefe noch lebender Absender nach den Datenschutzgesetzen nicht möglich ist. Er sprach von "katastrophalen" Konsequenzen für die Nachlaßpflege (S. 131).

Heute kann man diese Ausführungen, die meines Wissens zu keinerlei Konsequenzen in den Handschriftenabteilungen der Bibliotheken geführt haben, noch schärfer fassen: Nicht bereits die Katalogisierung der Briefe ist unzulässig, bereits die Übernahme in den Bibliotheksbestand kann ohne Rechtsgrundlage (oder Zustimmung aller Betroffenen) nicht erfolgen!

Wenn man an einen literarischen Nachlass denkt, so liegt auf der Hand, dass die beim Autor sich einfindenden oder von ihm geschaffenen Unterlagen Teil eines kommunikativen Netzes sind, bei dem es ständig um andere Personen geht. Autoren setzen sich mit anderen Autoren auseinander, Schriftstellerbriefe sind voll von Bemerkungen über Kolleginnen und Kollegen. Autoren, die in Gremien tätig sind, erheben eine Vielzahl personenbezogener Daten, von denen längst nicht alle öffentlichen Quellen entnommen sind.

Es ist schlicht und einfach nicht praktikabel und sinnvoll, aus einem Nachlass personenbezogene Daten Dritter auszusondern oder gar die Betroffenen um Zustimmung zu bitten.

Glücklicherweise gibt es ja für den Umgang mit Nachlässen in Archiven eine Rechtsgrundlage, die man ohne weiteres auf die Bibliotheken übertragen könnte.

Ich schlage daher folgende Datenschutzklausel für das Thüringer Bibliotheksgesetz vor:

Soweit Bibliotheken im Rahmen ihrer Dokumentationsaufgaben und insbesondere bei der Übernahme, Erschließung und Nutzbarmachung von aus wissenschaftlichen Gründen erhaltenswerten Nachlässen personenbezogene Daten lebender Personen im Sinne des Thüringer Datenschutzgesetzes verarbeiten, gelten die Vorschriften des Thüringer Archivgesetzes entsprechend.

Durch die an sich überflüssige Nennung lebender Personen soll klargestellt werden, dass sich die Sperrfristen des Thüringer Archivgesetzes nicht auf bereits Verstorbene beziehen. Das Archivgesetz hat sich datenschutzrechtlich bewährt, daher besteht kein Bedarf für eine eigenständige Regelung. Zugleich macht die Klausel deutlich, dass die Einwerbung von wissenschaftlich wertvollen Nachlässen zu den rechtmäßigen Aufgaben der Bibliotheken zählt. Künstlerische und heimatgeschichtliche Gründe können ohne weiteres den wissenschaftlichen Gründen subsummiert werden.

Eine Datenschutzklausel, die sich auf die Kernaufgabe der Bibliotheken, die Sammlung gedruckter Bücher oder anderer erschienenen Medien (z.B. DVDs), bezieht, wird hoffentlich nicht erforderlich sein, wenn der Thüringer Datenschutzbeauftragte mitspielt ...
 

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