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Zum viel diskutierten Heidelberger Appell fand gestern die entsprechende Tagung im Frankfurter Literaturhaus statt.
Für alle, die keine Gelegenheit hatten, bei dieser Veranstaltung
anwesend zu sein, ist der Verlauf in den folgenden Artikeln dargestellt:

http://www.literaturcafe.de/heidelberger-appell-frankfurter-literaturhaus-tagung/
http://www.perlentaucher.de/blog/51_die_fruechte_des_internets
http://gig.antville.org/stories/1917670/


Anja Oberländer in INETBIB.

Eine kleine Blütenlese:

Reuß, das wird nach seiner Einführung ebenfalls klar, kennt das Internet nicht. Zumindest nimmt er es sehr einseitig war und sieht dort die Feinde der Kreativen und Buchautoren sitzen. Er spricht von »kruden Interessen« und wortwörtlich von »Unmenschen«, wenn er sich verächtlich über »die Blogger« äußert. Reuß spricht von »Geschäftsmodelljodlern«, die die Stimmen von Eunuchen besäßen: Selbst unfruchtbar wollten sie mit der (geistigen) Arbeit anderer Geld verdienen. Für Reuß sind »Geschäftsmodell« und »Zugriff« Unwörter. Wer mit seinen geistigen Kindern, Geld verdient, indem er sie neben Werbeanzeigen platziert, handle menschenverachtend. Reuß zitiert den Satz eines »Internetusers«, den er im Netz gefunden haben will: »Ich will alles sofort und ungehemmt usen können«. Und da lacht das Publikum.

[...]

Und dann war er da wieder, der abschätzige Blick auf »den User«, auf den Pöbel im Web, der ein YouTube-Video 3 Millionen Mal abrufe und einen Musiker zum Star mache. »Wollen wir für die Literatur eine YouTube- oder Google-Ästhetik?«, fragte Spinnen und beantwortete die Frage gleich selbst: »Ich möchte das nicht«. Glücklicherweise kam aus dem Publikum der Einwand, dass es doch im realen Leben auch nicht anders sei und dass sich nicht immer das Beste durchsetze.

So blieb von dieser Live-Aufführung des Heidelberger Appells der Eindruck zurück, dass die Open Access Debatte lediglich ein Scharmützel unter Wissenschaftlern ist, während bei Googles Buchsuche niemand so recht weiß, wie das Ganze für die deutschen Verlage und Autoren ausgehen wird und was die beste Lösung für sie wäre.
(Literaturcafe)

Seine Gegner machte Reuß nicht namhaft, sprach nur von "Plagiatori im Internet" und "Geschäftmodelljodlern, die mit den Stimmen von Eunuchen sprechen, welche, selbst unfruchtbar, mit der Arbeit anderer Geld verdienen wollen".

Am Ende seiner Rede wurde er konkret: "Das Zivilrecht reicht nicht aus." Reuß forderte ein selbsttätiges Eingreifen der Staatsanwaltschaft. Dafür müssten Urheberrechtsverstöße zur Straftat erklärt werden. Und dies möglichst auf europäischer Ebene.
[Selbstverständlich sind Urheberrechtsverstöße heute in Deutschland bereits Straftaten!] [...]

Eine ähnlich extreme Position vertrat in etwas brachialer, aber unterhaltsamer Rhetorik danach nur der Heidelberger Arbeitsrechtler Volker Rieble, der aber betonte, nicht als Juraprofessor, sondern in seiner Eigenschaft als Autor zu sprechen. Er bestand sozusagen auf der totalen Publikationsfreiheit als Wissenschaftler. Auch Förderung durch Steuerzahler und sein Status als von der Öffentlichkeit alimentierter Kopf, der der Allgemeinheit in irgendeiner Weise nützlich sein sollte, dürfe keinen Einfluss auf sein Publizieren haben. Er sah sich zum Beispiel als Teil einer Elite und möchte bestimmte seiner Werke nicht ohne seine Zustimmung einem von ihm als unqualifiziert angesehenen Netzpublikum zugeführt sehen. Bei späterer Gelegenheit wird er sicherlich erklären, wie er den Zugang zu Bibliotheken zu regulieren gedenkt. (Perlentaucher)

Wenn die akademische Klasse über das Internet debattiert, kann es einem mitunter so vorkommen, als säße man in einer Bischofskonferenz zum Thema "Geschlechtsverkehr – pro und contra". Man kennt sich zwar nicht so richtig aus, aber ist sich sicher, daß das alles irgendwie dämonisch sein muß und "der Kultur", also der hohen, überhaupt abträglich.

[...]

Was bleibt als Fazit? Ja, es gibt eine Gefahr, vor allem für Nischenanbieter, aber es hilft nicht sonderlich, das Internet in all seiner Gesamtheit hysterisch als Feindbild aufzubauschen. Es hilft auch nicht, die Urheberschaft am Text in bester Heidelbergischer Romantiktradition als Mutterschaft zu verklären. Wenn die Forscher dort oben um ihren Text bangen, sitzt man als Journalist im Publikum und wundert sich nur über derartige Luxusprobleme. Helfen kann es hingegen, in der Diskussion nicht immer alles vermeintlich Schlimme (Open Access, Netzcommunity, User) unterschiedslos durcheinanderzuwerfen. Helfen kann es vermutlich auch, miteinander zu reden. Auch mit Google, besonders mit Google.

Leider nicht verordnen kann man den werten Herren aus der wissenschaftlichen Abteilung, doch ab und an mal die Chancen zu sehen, die das Netz ja auch bietet. Aber es scheint sich unter Forschern die Mode durchgesetzt zu haben, ein gewisser Ekel vor dem Pöbel, der vor allem im Netz verortet wird, gehöre halt dazu und stehe einem Universitätsangehörigen gut zu Gesicht.
(gig.antville.org, dem ich auch das Foto entnehme)

Update:

http://www.uebertext.org/2009/07/rettet-das-urheberrecht-verbietet-die.html

http://www.zeit.de/online/2009/30/heidelberger-appell-google

http://bibliothekarisch.de/blog/2009/07/18/links-for-2009-07-17/

Kluger Kommentator (Gast) meinte am 2009/07/16 17:09:
Re: Tagung zum Heidelberger Appell
Glücklicherweise stirbt die ältere Generation, die das Internet nicht benutzt oder gar verachtet, langsam aus. Das wird Herr Reuss mit seinem Verlag auch einsehen, spätestens wenn er Konkurs gegangen ist. Google und YouTube und Open Access Verlage (bei letzterem besteht übrigens NULL Zusammenhang mit Urheberrechts-Verletzungen) werden während dessen weiter expandieren.

Ach... ohne Google's "Urheberrechtverletzungen" hätte ich Reuss' hässlich Website gar nie gefunden. 
 

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