Allgemeines
Architekturarchive
Archivbau
Archivbibliotheken
Archive in der Zukunft
Archive von unten
Archivgeschichte
Archivpaedagogik
Archivrecht
Archivsoftware
Ausbildungsfragen
Bestandserhaltung
Bewertung
Bibliothekswesen
Bildquellen
Datenschutz
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
null

 
Dank des freundlichen Entgegenkommens des Verlegers konnte ich meine "Sagen rund um Stuttgart" (Braun Verlag: Karlsruhe 1995) durch GINDOK scannen und einstellen lassen:

http://edocs.ub.uni-frankfurt.de/volltexte/2009/13809/

Das PDF ist mit unkorrigierter OCR versehen.



Einige Kostproben aus
http://www.histsem.uni-freiburg.de/mertens/graf/sagslg.htm

Stuttgart: Das mutige Heer in Stuttgart
(1785 aufgezeichnet vom Gymnasiasten Hegel,
dem späteren Philosophen)

Samstags den 9 Julii. Hat je der Aberglaube ein schrökliches unter aller Menschen-Vernunfft dummes Abentheuer ausgebrütet, so ist es gewiß das sogenannte Muthes Heer (muthige Heer). Am vergangenen Sonntag Nachts um 1 oder 2 haben viele Leute behauptet sie haben es [gesehen], sogar (pudendum dictu) Leute, von denen man mehr Aufklärung erwartet, und die in offentlichen Amtern stehen. Dieses alte Weib will einen feurigen Wagen mit Menschen gesehen haben, jene wieder was anders. Gemeiniglich sagt man, es seye der Teufel in einem feurigen Wagen, vornen daraus fliege ein Engel Gottes, und rufe jedermann zu: Aus dem Weg das mutige Heer kommt, wer dieser göttlichen Warnung nicht folge werde von Herrn Teufel in seine Residenz geschleift.

Sonntags den 10 Julii. Doch auf das Mutige Heer von Sonntag zu kommen, so erzält man es mit den nemliche Umstände, und verschiedene Personen sind mir genannt worden, die es gesehen oder gehört haben (es ist nemlich ein abscheuliches Gerassel). Einige Tage hernach klärte es sich auf, daß es -- (o Schande! Schande!) Gutschen waren. Herr von Türkheim gab nemlich ein Concert, das sehr zalreich war; es dauerte bis um 2; um nun die Gäste nicht in der Finsterniß heimtappen zu lassen, ließ [er] alle mit Gutschen und Faklen heimfüren. Und das war dieß Muthige Heer. Ha! Ha! Ha! O tempora! o mores! geschehen Anno 1785. O! O!

Monntags den 11 Julii. Bei diesem Vorfall trug sich noch folgende Anekdote zu. Burgersleute kamen auf die Hauptwacht, und erzählten diesen Vorfall, batten zugleich den kommandierenden Officier, er möchte Acht geben lassen, ob denn das muthige Heer wiederkomme. Der Lieutenant gab der Wacht den Befel, er sollte Acht geben. Der Soldat, der villeicht noch nichts davon gehört hatt fragte: Wenn es kommt, befelen Ewr Gnade der Herr Lieutenant, daß ich es anhalten soll. Ja, ja, sagte der Lieutenant, halt er es nur an. Es blieb aber aus.

Dienstags den 12 Julii. Eine änliche Geschichte ereignete sich neulich. 4 Frauenzimmer furen von ChausséeHaus, auf der Ludwigsburger Strasse hieher (man kommt am Galgen vorbei) und es war um 12 Uhr Nachts. Bei ChausséeHaüslein seye nun ein reutender Postknecht OHNE KOPF zu inen gekommen, und immer bald neben bald vor bald hinter der Gutsche mit inen geritten. Der Gutscher wollte ausweichen allein der Postknecht folgte immer, bis er endlich am Thor verschwand. Dies beruhte doch auf der Aussage von 5 oder 6 Personen. Erst etliche Tage nachher erklärte ein Officier, daß er gerade an dem Ort und zu der Zeit zu einer Gutsche gekommen, und mitgeritten sey, er habe aber nicht durch dieses Thor hinein mögen, seye also da von inen hinweg und einen andern Weg geritten. Er sagte dabei, Er habe nicht begriffen können, warum ihm der Gutscher immer habe ausweichen wollen. (1)

***

Stuttgart: Das Muotisheer über Stuttgart

Das "Muotisheer" nimmt manchmal in der Nacht seinen Weg über die Stadt Stuttgart hin, und wenn das geschieht, kann man sich darauf verlassen, daß es am folgenden Tage brennt. Oft wird ein solcher Brand freilich nicht offenbar, weil ihn die Hausbewohner vertuschen; aber mit der Sache hat es nichts desto weniger seine Richtigkeit. Einmal wird das Muotisheer auch wieder den Weg über die Stadt hin machen und diese dann ganz in Feuer aufgehn. (2)

***

Stuttgart: Die weiße Frau zu Stuttgart

Es ist bekannt, daß sich, bevor eine fürstliche Person unseres Landes stirbt, in dem alten Schlosse eine weiße Frau sehen läßt. So viel ich gehört habe, steigt sie dann allemal aus der Gruft in der Stiftskirche und wandelt über den sogenannten Schillersplatz dorthin. Vor etwa 60 Jahren bekam der hiesige Kaufmann M. einen Schlaganfall. Die Magd mußte sogleich in die Apotheke und zwar in die Hofapotheke. Wie sie beim alten Canzleigebäude hineingehen will, versperrt ein riesiges Weib ihr den Weg. Alles mögliche versucht sie, hinein zu gelangen, ohne sich im Geringsten zu fürchten. Vergebens! Sie muß wieder umkehren. Bei ihrer Herrschaft angelangt, erzählt sie das Vorgefallene. Man hält sie für eine furchtsame Träumerin und schickt den Knecht fort. Aber diesem widerfuhr dasselbe: eine Gestalt huscht immer vor ihm her, so daß er unmöglich hinein kommen kann. Er geht weg und in den König von England, wo sein Kamerade als Hausknecht dient. Er sagt ihm, was er gesehen hat: "Hä", ruft dieser "das ist nichts so Seltenes! Gieb Acht, da ruft der Tod Jemand vom Hofe wieder ab!" Er wartet bei ihm ein wenig, und geht dann wieder hinüber. Alles ist ruhig, und er gelangt ungefährdet in die Apotheke und von da zurück. Wenige Tage darauf starb eine Herzogin; welche? kann ich nicht angeben. (3)

***

Stuttgart: Das Bettelhaus zu Stuttgart

In einem der Gebäude, welche den Bebenhäuser Hof zu Stuttgart bilden, im sogenannten Bettelhause, muß zu einer gewissen Zeit des Jahres Brot an die Armen gereicht werden. Unterbleibt es, so entsteht in dem Haus ein solcher Unfug, daß es niemand aushalten kann. (6)



***

Hohengehren (Schurwald): Hexenwald und Teufelsbrücke

Im Hexenwald und an der Teufelsbrücke spukts. Die Eltern haben uns verboten, da durchzugehen. Aber wir sind mit zwölf als Mutprobe durch den Hexenwald gegangen. An der Teufelsbrücke hat man vor ungefähr 20 Jahren Kinder umgebracht. (114)

***

Plochingen: Der Mann ohne Kopf (eine Anti-Sage)

Zwischen Plochingen und Altbach an der Straße konnte man bei Nacht einen Mann ohne Kopf mit feurigem Schwert in der Hand sehen.

Der Vater einer Gewährsfrau ging der Sache nach und stellte fest, daß es ein Baum ist mit "Schein". Dieser Mann hat nicht an Gespenster geglaubt. (128)

***

Ludwigsburg: Das Vehmgericht

Einst, so erzählt die Sage, als das Vehmgericht noch in Deutschland waltete, hauste in der Gegend der heutigen Stadt Ludwigsburg ein Graf namens Emich, welcher von Raubzügen lebte und beinahe zu einem gemeinen Straßenräuber herabgesunken war. Er hatte schon manche Mordthat an armen Reisenden begangen und seine Strafe sollte auch nicht ausbleiben. Als er einst wieder durch den Wald zog und auf der Lauer stand, nahten sich ihm einige Männer; eben wollte er sie anhalten, als sie sich für Schöffen des Vehmgerichts ausgaben, welche gesandt seyen, um ihn vor die heilige Vehme zu laden. Der Graf, welcher wohl wußte, daß er nichts gewinnen würde, wenn er dem Aufgebot nicht Folge leisten würde, gieng willig mit ihnen und gelangte so auf manchen Umwegen und durch verworrene Gänge zu einer tief im Wald verborgenen Höhle. Als er eingetreten war, erblickte er in einem scharz ausgeschlagenen, schwach beleuchteten Raum 12 vermummte schwarze Richter vor einem Tisch, auf welchem Schädel und Kreuz standen. Einer der Richter erhob sich und las die Beschuldigung und das Urtheil vor, welches auf Tod lautete. Ruhig hörte der Graf zu; als aber die Henker, welche auf einen Wink des obersten Richters herbeieilten, ihn greifen wollten, zog er kurz besonnen sein so oft erprobtes Schwert, wand sich aus den Händen der Henker und legte mit Einem Schlag einem der Richter den Kopf vor die Füsse. Gleiches Schicksal theilten mit ihm noch 10 der Richter, lauter starke und handfeste Leute; den 12ten aber ließ er wie aus Zufall entspringen und indem er sich stets an seinem langen Gewand hielt, gelangte er so wieder ins Freie, was ihm ohne diese List schwerlich gelungen wäre. Natürlich hatte der Ritter von dieser Zeit an weder Ruh noch Rast und wandelt noch jetzt als Gespenst in jenem Walde. (246)

Kaum ein Text aus den "Sagen rund um Stuttgart" demonstriert deutlicher den Einfluß der Ritterromane und populären Vorstellungen über das Mittelalter auf die vermeintlichen "Volkssagen". In der Ludwigsburger Emichsburg, einer Nachbildung einer zerfallenen Ritterburg, saß Ritter Emich, der angebliche Stammvater des württembergischen Hauses, der uns bereits in Beutelsbach begnete, mit seinem Beichtvater an einem Tisch. Noch größeren Eindruck muß damals eine Grotte bei Schloß Monrepos auf ihre Besucher gemacht haben. Dargestellt war ein Vehmgericht. Zwölf Ritter saßen an einem Tisch, auf dem - wie in der Erzählung angegeben - ein Kruxifix und ein Totenkopf lagen.

Nachweise
(1) G. W. F. Hegel, Tagebuch, in: Gesammelte Werke Bd. 1, 1989, S. 8f.

(2)Württembergische Landesbibliothek Stuttgart Cod. poet. et phil. qt. 134 (=Schott) II, Bl. 236.

(3) Schott II, Bl. 240-240v (Mühlbach VIII. 1847).

(6) Schott II, Bl. 242 ("Mündlich v. Hauptm. Dürrich").

(114) Erzählerin (28.8.1993): Anhalterin aus Hohengehren, ca. 20.

(128) O. Wurster, Heimat-Geschichte Plochingen, 1949, S. 479

(246) Schott I, Bl. 339-340v (Häring IX. 1847, "Mündlich aus der Gegend von Ludwigsburg"). Emichsburg: J.D.G. Memminger, Stuttgart und Ludwigsburg, 1817, S. 433f. Vehmgericht: Zs. württ. Landesgesch. 51 (1992) S. 284.
 

twoday.net AGB

xml version of this page

powered by Antville powered by Helma