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"Ein Jahr Leistungsschutzrecht: Außer Spesen bislang nichts gewesen", resümiert das Wall Street Journal. Es geht um das umstrittene Leistungsschutzrecht für Presseverleger. In § 87f Urheberrechtsgesetz (UrhG) heißt es: " Der Hersteller eines Presseerzeugnisses (Presseverleger) hat das ausschließliche Recht, das Presseerzeugnis oder Teile hiervon zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen, es sei denn, es handelt sich um einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte." Für die Historikerzunft von erheblichem Belang ist der vom WSJ angesprochene Einschüchterungseffekt des neuen Rechts: Der seit 1995 von Tobias Berg angebotene beliebte Nachrichtendienst für Historiker hat seinen Betrieb zeitweilig einstellen müssen, seit April 2014 gibt es - ohne Begründung - keine Updates mehr. Ich hielt und halte die Einstellung aufgrund des Leistungsschutzrechts für übertrieben, aber das Beispiel zeigt, wie die Todeskämpfe der Print-Journaille im digitalen Zeitalter die Netzkultur beschädigen können.

Nicht-kommerzielle Wissenschaftsblogger haben vom verfehlten Leistungsschutzrechts nichts zu befürchten, aber auch kommerzielle Blogs brauchen, wenn sie sich etwa auf den Anreißtext beschränken, aus meiner Sicht keine Angst zu haben.

Wann darf ich als Blogger oder Bloggerin fremde Texte übernehmen/zitieren?

1. Mit Genehmigung.

2. Wenn das Urheberrechtsgesetz (UrhG) es erlaubt.

3. Nach Risikoabschätzung.

Erstens: Fragen kostet nichts. Wenn man gern einen längeren Text dokumentieren möchte, kann man durchaus beim Rechteinhaber anklopfen und um eine kostenlose Genehmigung bitten. In der Blogosphäre gibt es viele Blogs, die mit einer Creative-Commons-Lizenz die Nachnutzung erlauben. Wieso das Redaktionsblog von hypotheses.org unter CC-BY steht, lässt sich nachlesen. Im Impressum wird erläutert:
Jeder Beitrag darf mit Namensnennung des Autors (bzw. Autorin, Autoren) und Verlinkung der Lizenz http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/ online und im Druck weiterverbreitet werden (auch für kommerzielle Zwecke, auch in veränderter Form). Empfehlung für die Nachnutzung: “Dieser Beitrag von … aus dem Redaktionsblog von de.hypotheses.org steht unter CC-BY und darf unter den Bedingungen dieser freien Lizenz nachgenutzt werden.”

Bei Veränderung diese bitte charakterisieren (z.B. gekürzte Fassung).
CC-BY-NC-lizenzierte Artikel dürften im kommerziellen Kontext nicht genutzt werden, bei CC-BY-ND-lizenzierten ("Keine Bearbeitung") sind Kürzungen oder andere Änderungen untersagt. Zur Bildnutzung siehe Wie nutze ich Bilder unter freier Lizenz korrekt?.

Zweitens: Fremde Texte dürfen nur ausnahmsweise legal genutzt werden, nämlich wenn eine der sogenannten Schranken des Urheberrechts vorliegt. Wohl am wichtigsten ist das Zitatrecht (§ 51 UrhG), wobei schon ein Blick auf die Archivalia-Meldungen verdeutlicht, dass in diesem Bereich vieles umstritten ist.

Damit ein urheberrechtlicher Anspruch erhoben werden kann, muss das Zitat an sich bereits geschützt sein, also Schöpfungshöhe aufweisen. Es genügt nicht, wenn es einem urheberrechtlich geschützten Gesamtwerk entnommen ist. In vielen Fällen weisen kurze Zitate keine hinreichende Individualität auf. Wann Gebrauchstexte Schöpfungshöhe aufweisen, ist umstritten. Aber 2014 entschied das Berliner Kammergericht zu einem Aktenvermerk: "Ein lediglich vierseitiges Gutachten, das sich mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts auseinandersetzt und zu wesentlichen Teilen aus Zitaten dieser Entscheidung besteht, ist urheberrechtlich nicht schutzfähig".

Was man bei Zitaten nach dem Urheberrecht beachten muss, hat die Rechtsanwältin Nina Diercks 2012 kurz zusammengefasst (von mir leicht abgewandelt):
  • Nennen Sie den Urheber und die Quelle (Fundstelle) - Pflicht zur Quellenangabe
  • Nutzen Sie nur „Stellen eines Werkes“ (Belegfunktion)
  • Bilden Sie den notwendigen Rahmen des selbstständigen Werkes (eigener Text)
  • Machen Sie das Zitat nach außen kenntlich (z.B. durch Anführungszeichen)
  • Das Zitat darf nicht verändert werden.
Wenn man im wissenschaftlichen Kontext einen Zeitungsartikel Abschnitt für Abschnitt detailliert kommentiert und die Positionen erörtert, ermöglicht § 51 UrhG sogar die Übernahme der gesamten Vorlage (wissenschaftliches Großzitat).

Bei der Berichterstattung über Tagesereignisse (§ 50 UrhG) hat leider der BGH 2010 entschieden, dass eine unbefristete Archivierung der Meldung nicht möglich ist. Also keine Option für Wissenschaftsblogs.

Im journalistischen Kontext zu wenig beachtet wird § 49 Abs. 2 UrhG: " Unbeschränkt zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von vermischten Nachrichten tatsächlichen Inhalts und von Tagesneuigkeiten, die durch Presse oder Funk veröffentlicht worden sind". Diese Vorschrift ist durch das neue Leistungsschutzrecht nicht ausgehebelt worden und ermöglicht die wörtliche Übernahme (kurzer) aktueller Meldungen (nicht: Meinungen) aus allen Interessensbereichen (siehe auch: Wikipedia:Textplagiat und Archivalia) . Aus dem Newsticker der NZ:
Die Entdeckung eines knapp 500 Meter langen Erdwalls rund um eine Grabstätte hat in Griechenland Spekulationen ausgelöst, es könne sich um das Grab von Mitgliedern der Familie des legendären makedonischen Königs Alexander des Großen handeln. Viele griechische Medien berichteten am Dienstag, der Fund sei «sensationell».
Ich möchte es dahingestellt sein lassen, ob nicht auch der folgende ganze Text eine vermische Nachricht tatsächlichen Inhalts darstellt, aber die wörtliche Übernahme des von mir gewählten Auszugs erscheint mir bedenkenfrei. Im Fall einer Abmahnung sollte man jedenfalls § 49 UrhG griffbereit haben.

Drittens: Viele übernehmen dummdreist ganze Texte aus Zeitungen oder anderen Quellen, ohne dass ihnen etwas passiert. Mir gegenüber hat einmal eine für die Rechtewahrnehmung der FAZ zuständige Dame erklärt, man würde nie einen Blogger abmahnen, aber ob darauf wirklich Verlass ist? Ich selbst praktiziere in Archivalia eine eher großzügige Praxis der Textübernahme mit vergleichsweise langen Zitaten und habe auch schon kürzere Artikel komplett dokumentiert. Dass ich damit keine Probleme bekam bedeutet nicht, dass es auch allen anderen so gehen wird. Es kommt immer auf den Einzelfall an, aber auch bei einem vergleichsweise langen "uneingerahmten" Zitat (natürlich mit Quellenangabe) aus einem Zeitungsartikel oder fremden Blogbeitrag  schätze ich das Risiko, abgemahnt zu werden, als gering ein.

Abschließend noch zwei Punkte, die nichts mit dem Urheberrecht zu tun haben.

Klar ist: Die Regeln wissenschaftlicher Redlichkeit gelten auch für Wissenschaftsblogs. Plagiate sind tabu. Im Zweifel sollte man lieber eine Quelle zuviel angeben als eine zuwenig. Zudem lebt die Blogosphäre von der Vernetzung: Wer z.B. eine besonders nützliche Ressource gefunden hat, freut sich über ein Anerkenntnis über ein "via".

Leider verschwinden immer wieder geschätzte Online-Ressourcen oder werden - im Fall der Tagespresse - kostenpflichtig. Blogbeiträge sollten immer soviel an Kontext referieren, dass sie auch bei Wegfall der Vorlage nützlich bleiben.

Schlagzeile ohne Schöpfungshöhe

Erschien parallel im Redaktionsblog:
http://redaktionsblog.hypotheses.org/2496

***

Blog & Recht 1: Darf ich Bilder lebender Personen veröffentlichen?
http://archiv.twoday.net/stories/156271221/
Blog&Recht 2: Darf ich mein Blog mit einem Porträtfoto von mir schmücken?
http://archiv.twoday.net/stories/156272358/
Blog&Recht 3: Brauche ich ein Impressum?
http://archiv.twoday.net/stories/165211515/
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http://archiv.twoday.net/stories/219051498/
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http://archiv.twoday.net/stories/219051661/
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http://archiv.twoday.net/stories/404099696/
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http://archiv.twoday.net/stories/498223015/
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