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Das 2014 erschienene Buch von Stefan Benz: "Frauenklöster Mitteleuropas. Verzeichnis und Beschreibung ihrer Geschichtskultur 1550-1800" - Werbetext:
http://ordensgeschichte.hypotheses.org/6995 - bietet eine Fülle von unbekanntem Material zu Frauenklöstern des deutschen Sprachraums und ihrer Geschichtskultur. Die gut 1300 Einträge betreffen insbesondere belgische, schlesische und böhmische Klöster, über die man sonst nicht leicht etwas findet. Unzählige Archivalien, vor allem Klosterchroniken und Verwandtes, wurden zusammengetragen. Der mit 78 Euro nicht besonders günstige Band stellt eine unschätzbare Fundgrube dar und gehört in jede größere wissenschaftliche Bibliothek.

Eine positive Würdigung schrieb Magda Fischer für IFB:

http://ifb.bsz-bw.de/bsz395096200rez-1.pdf

Gleichwohl denke ich, dass die "Frauenklöster" weit davon entfernt sind, ein exzellentes Nachschlagewerk zu sein. Dazu die folgenden kritischen Thesen.

1. Ein gedrucktes Verzeichnis ist hoffnungslos veraltet, nur online nützt es der Wissenschaft hinreichend.

"In einer zunehmend digitalisierten Welt ein lexikalisch aufgebautes Verzeichnis zu publizieren, mag unzeitgemäß wirken", beginnt das Vorwort. In der Tat: es IST unzeitgemäß - und ärgerlich. Ich brauche das nicht auszuführen, weil ich das bereits mehrfach getan habe:

http://ordensgeschichte.hypotheses.org/3104
http://archiv.twoday.net/stories/1022216857/
http://archiv.twoday.net/stories/109332134/

Benz kann auch nicht dem Internet umgehen. Ihm ist beispielsweise entgangen, dass Frank Pohle bereits 2010 auf eine übersehene Klosterchronik der Aachener Annuntiaten hingewiesen hat:

http://frueheneuzeit.hypotheses.org/461

Benz dankt überschwänglich namentlich allen Auskunftgebern und nennt bei den Artikeln der zitierten Klosterbücher erfreulicherweise auch immer die Bearbeiter. Um so infamer ist es, dass er im Artikel über Oggelsbeuren meine Aufstellung der Handschriften und Inkunabeln

http://archiv.twoday.net/stories/97068964/

ohne meinen Namen zitiert.

http://www.kloester-bw.de/ wurde so gut wie nie angegeben, obwohl das für die badischen Klöster geboten gewesen wäre.

2. Die Darstellung erinnert an einen ausgekippten Zettelkasten.

Leicht lesbar sind die Einträge in der Regel nicht, da sie oft verschachtelt sind und einer Aneinanderreihung von Literaturexzerpten zum Thema Geschichtskultur (Historiographie, Memorialüberlieferung, visuelle Zeugnisse, Bibliothek) gleichen.

Eine Auswertung des Materials in der Einleitung erfolgt nicht.

3. Von mittelalterlichen Texten und Handschriften hat Benz kaum Ahnung.

Der Handschriftencensus wird nur sporadisch genutzt. Dass das Verfasserlexikon nicht zitiert wird, ist schlicht ein No-Go. Weder Krämers Handschriftenerbe (zu benutzen jetzt als Rauner-Datenbank) und Needhams IPI sind anscheinend bekannt.

Zu den Schwesternbücher ist sehr viel hilfreicher:

https://de.wikisource.org/wiki/Schwesternb%C3%BCcher

Einige exemplarische Beispiele für Fehlleistungen:

Die Donaueschinger Handschriften zitiert Benz meist nur nach Barack, nicht nach dem neuen Standort in Karlsruhe oder Stuttgart, den man seit vielen vielen Jahren im Internet recherchieren kann.

Wittichen: Die moderne Edition der Luitgard-Vita aus dem Jahr 2000 hätte Benz sowohl im Handschriftencensus

http://www.handschriftencensus.de/5028

als auch in den Geschichtsquellen gefunden:

http://www.geschichtsquellen.de/repOpus_00639.html

Den zitierten Fotoband des Freiburger Erzbischöflichen Archivs braucht man nicht mehr, da die von Benz nur nach Barack zitierte Handschrift seit 2012 online ist:

http://digital.blb-karlsruhe.de/urn/urn:nbn:de:bsz:31-28636

Oberweimar: Zu Lukardis gibt es sogar einen Wikipedia-Artikel. Unkenntnis beweist "So nicht in den AASS, nicht im Handschriftencensus". Einen lateinischen Text sucht man auch nicht im Handschriftencensus, und die Bollandisten haben den Text der Vita nach der Pommersfeldener Handschrift 30 (Benz nennt die alte Signatur) 1898 in ihren "Analecta" ediert, wie man u.a. dem Verfasserlexikon seit 1985 entnehmen kann.

Söflingen: Dass einige Handschriften nach St. Florian gelangt sind, ist eine wertlose Angabe, da die Zusammenstellung von Krämers Handschriftenerbe eine ganze Reihe von anderen Bibliotheksstandorten nennt.

Wichtig sind allerdings die Mitteilungen zu Stadtarchiv Villingen EE 37d (angelegt um 1500 im Villinger Klarissen-Kloster) S. 664f. Ringlers Verfasserlexikon-Artikel zu Ursula Haider ist aber unbekannt. Die Studie von Nolting zu einigen frühneuzeitlichen Nonnenchroniken, zu Villingen:

https://books.google.de/books?id=8mcyfIxkkwIC&pg=PA93

hätte Benz nicht entgehen dürfen.

Pforzheim: Zu Euphemia gibt es neuere Literatur

http://swbplus.bsz-bw.de/bsz054737206rez.html

Lauffen: Das Württembergische Klosterbuch ist nicht zitiert. Das aus einer Stuttgarter Handschrift angeführte Bild ist in der Historiographie des Klosters Adelberg wohlbekannt. Siehe etwa Zeller:

https://archive.org/stream/WuerttembergischeVierteljahrshefteFuerLandesgeschichteStuttgart/WuertembergischeVierteljahrshefteFuerLandesgeschichte1916#page/n151/mode/2up

Abbildung:

https://archive.org/stream/bub_gb_gmvnAAAAMAAJ#page/n61/mode/2up

Mehrfach heißt Felix Fabri falsch Faber.

In der Klause Kamp lebten natürlich keine Augustiner-Eremitinnen:

http://archiv.twoday.net/stories/444870385/

4. Die Kompilation von Benz ist schon deshalb kein Klosterhandbuch, weil die herangezogenen Nachschlagewerke nicht systematisch zitiert werden.

Einheitlichkeit sucht man bei Benz vergebens. Auf den ersten Blick wurden die Klosterbücher erschöpfend ausgewertet, aber das täuscht. Man findet immer wieder Beispiele, dass die maßgeblichen Werke, siehe die Wikipedia-Seite "Nachschlagewerke Klöster"

https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Nachschlagewerke_Kl%C3%B6ster

nicht angeführt werden.

Umgekehrt fragt man sich, was die Erwähnung von Hueber 1686 Sp. 1341 bei den Franziskaner-Terziarinnen von St. Ludwig in Schwäbisch Gmünd soll, da dort nur der Ortsname erwähnt wird:

https://books.google.de/books?id=6IxPAAAAcAAJ&pg=RA1-PT422

Auch die Kopfangaben wurden nicht konsequent gestaltet. Häufig fehlt das Patrozinium, sporadisch findet man Angaben zur Konventgröße. Die Ordensangaben sind nicht immer vereinheitlicht.

5. Unverantwortlich ist, dass es Benz an der Erschließung fehlen lässt.

Da es nur ein Register der "wichtigen" Namen gibt und eine Volltextsuche nicht zur Verfügung steht, bleibt dem Interessierten nur, das Buch von vorne bis hinten durchzuarbeiten, wenn er sich z.B. für Gründungslegenden oder Stifterdenkmäler interessiert.

Es gibt keine Auflistung nach Regionen und Orden. Eine nähere Lokalisierung der Klöster (etwa durch Angabe des Staats oder Bundeslands) fehlt und kann nur indirekt aus der Sekundärliteratur erschlossen werden. Besonders krass "St. Katharinen, OCist", bei dem sogar Google zunächst passen muss.

https://de.wikipedia.org/wiki/Kloster_Sankt_Katharinen_(bei_Bad_Kreuznach) (mit besseren Informationen als Benz)

***

Manchmal erwähnt Benz Klosterchroniken im Antiquariatshandel. Zum Baden-Badener Sepulchrinerinnen-Skandal 2003 erwähnt Benz meine Veröffentlichungen nicht.

http://archiv.twoday.net/stories/4690669/

Niemand darf Fehlerlosigkeit von einer solchen Pionierarbeit verlangen. Aber die aufgezeigten systematischen Mängel sind aus meiner Sicht nicht zu vernachlässigen.

Update: Recht deftig kritisiert Ute Küppers-Braun das Buch in den Sehepunkten unmittelbar nach Erscheinen meiner Bewertung:

http://www.sehepunkte.de/2015/01/24809.html

Unkritisch wohlwollend dagegen Christine Schneider in Francia Recensio

http://www.perspectivia.net/publikationen/francia/francia-recensio/2015-1/FN/benz_schneider

#forschung

 

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