Allgemeines
Architekturarchive
Archivbau
Archivbibliotheken
Archive in der Zukunft
Archive von unten
Archivgeschichte
Archivpaedagogik
Archivrecht
Archivsoftware
Ausbildungsfragen
Bestandserhaltung
Bewertung
Bibliothekswesen
Bildquellen
Datenschutz
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
null

 
Das Geheimnis ist auch nicht mehr das, was es einmal war. Unübersehbar sind die Risse, aus denen Informationen dank "Whistleblowern" sickern. Es etabliert sich ein gesellschaftlicher Konsens, dass Enthüllungen wie die von Edward Snowdon über die NSA oder auch von Wikileaks über den Irakkrieg das Gemeinwohl fördern, dass Informationsfreiheit und Transparenz zu Grundwerten des E-Government werden. Das alte obrigkeitliche Arkanprinzip wird zunehmend abgelöst durch ein neues Paradigma, das die Nichtoffenlegung von Dokumenten zur begründungspflichtigen Ausnahme werden lässt.

Archivarinnen und Archivare setzen sich im angloamerikanischen Raum für Informationsfreiheit und Transparenz ein und tragen damit Rechnung, was die universelle Erklärung zum Archivwesen als "the key role of archives in ensuring administrative transparency and democratic accountability" begrifflich fasst. Sichtet man dagegen die archivfachliche Literatur in deutscher Sprache, die ja gelegentlich gezwungen ist, die Existenz von Informationsfreiheitsgesetzen zur Kenntnis zu nehmen, so muss man konstatieren, dass keine emphatische Unterstützung der genannten Werte registriert werden kann. Deutsche Archivarinnen und Archivare bleiben dem Obrigkeitsstaat traditioneller Prägung verpflichtet und kleben an ihren Schutzfristen.

Karsten Kühnel, einer der klügsten Archivtheoretiker deutscher Zunge, hat sich nun Gedanken darüber gemacht, wieso Archive alt sein müssen.

http://unibloggt.hypotheses.org/389

Er musste in den Kommentaren (in Archivalia) bereits Missverständnissen entgegen treten.

Meine eigenen Überlegungen aus dem Jahr 2010 zur Zukunft der Universitätsarchive

http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:hbz:5:2-14195

wurden von Kühnel (wie auch dem Rest der Archivwelt) übergangen. Sie stellen einen Gegenentwurf zu dem Ansatz Kühnels dar, indem sie längerfristig im Zeichen der Informationsfreiheit für ein Zusammengehen von Archiv und Registratur plädieren.

Nicht nur Manegold hat sich für eine Verkürzung der archivischen Sperrfristen ausgesprochen, auch der Professorenentwurf für ein Bundesarchivgesetz schlug vor, die 30-Jahresfrist nur bei geheimhaltungsbedürftigen Unterlagen anzuwenden.

http://archiv.twoday.net/stories/4838980/

Offenkundig kommen die Bundesländer, die nur eine 10-jährige Sperr- oder Schutzfrist kennen seit langem mit dieser gut zurecht.

Kühnel erwähnt die Informationsfreiheitsgesetze in "einigen" Bundesländern. Er sagt nicht, dass es auch ein Bundesgesetz gibt und dass nur ein kleiner reaktionärer Gürtel konservativ oder früher konservativ regierter Bundesländer sich Informationsfreiheitsgesetzen verweigert. Flächenmäßig sieht das leider anders aus, da die Verweigerer Niedersachsen, Hessen, BW, Bayern und Sachsen große Flächenstaaten darstellen. Aber selbst in Bayern gibt es kommunale Informationsfreiheitssatzungen für den eigenen Wirkungsbereich.

Bundesländer mit Informationsfreiheitsgesetzgebung

Den Wertungswiederspruch zwischen Archivgesetzen und IFGs löst man am besten mit einem Informationsgesetzbuch, das den Zugang zu öffentlichen Informationen vereinheitlicht. Aus Benutzersicht ist es nicht hinzunehmen, dass in die Archive gelangte Unterlagen wieder mit einer Sperrfrist belegt werden, wenn sie in der Verwaltung einem IFG unterliegen würden.

Kühnel hebt den Zeitenabstand hervor: "Erst dann lassen sich Handlungen überblicken, Zusammenhänge verstehen und Wirkungen deuten, wenn eine Sichtweise auf etwas in zu definierendem Maße Abgeschlossenes aus hinreichender Distanz möglich ist". Das ist die Perspektive des Historikers, der als potentieller Nutzer an sich nicht privilegiert ist. Diese Perspektive gilt übrigens nicht für die archivische Bewertung, die Entscheidungen unter Unsicherheit treffen muss und tunlichst nicht Jahre oder gar Jahrzehnte aufschieben sollte. Was vor 200 Jahren "unnütze Papiere" waren, sind heute wertvollste Dokumente.

Aktuelle politische Rechenschaftslegung und öffentliche Debatten sind etwas anderes. Die von diversen Behörden mit Füßen getretene "Vollständigkeit der Aktenführung" und die Verhinderung wilder Kassationen ist für unsere Demokratie essentiell. Die archivischen Schutzfristen gelten daher auch nicht, so das Bundesverwaltungsgericht in einem in Archivalia veröffentlichten Beschluss, für die Arbeit parlamentarischer Untersuchungsausschüsse.

Journalisten und an Transparenz interessierte Bürgerinnen und Bürger können nicht darauf warten, bis sich vor dem Auge des Historikers die Ereignis-Knoten gelöst haben. Sie benötigen Zugang zu den Unterlagen, wo immer diese sich befinden: ob in der Verwaltung oder im Archiv. Archivarinnen und Archivare des deutschsprachigen Raums sollten Informationsfreiheit und Transparenz weit mehr als bisher unterstützen!
Istvan (Gast) meinte am 2015/03/06 17:46:
Zustimmung in der Sache
... aber den Harry Kühnel kannte ich noch gar nicht ;-) 
Dieter (Gast) antwortete am 2015/03/07 11:47:
Den Harry Kühnel in Krems kannte ich und habe ich sehr geschätzt. 
 

twoday.net AGB

xml version of this page

powered by Antville powered by Helma