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Zurück im Land des SS-Täters:

mit obszönen, "geschätzten" EUR 12.000,-- und unbedarften Angaben zu Josef Mengele ("Mediziner und Anthropologe") wird in der kommenden Auktion des Pforzheimer Buchauktionshauses Peter Kiefer (25.4.2015) ein Privatbrief des SS-Arztes "ausgerufen":

http://www.kiefer.de/auktion_artikel_details.aspx?KatNr=4124&Auktion=92.

Unbekannt ist dieser Brief nicht: Seit 2010 stand er bereits bei vier verschiedenen Auktionen in den USA und zuletzt 2014 in Berlin zum Verkauf. Nun also, am Ende einer fragwürdigen Preissteigerungskurve und mit ungeklärter Provenienz, wird der Brief mutmaßlich abermals in unbekanntem Privatbesitz verschwinden und nicht in einem seriösen Archiv gesichert überliefert.

Dass sowohl der anonyme "Einlieferer" und Besitzer als auch das Auktionshaus Kiefer keine Skrupel haben, den aktuellen "Marktwert" solcher NS-Devotionalien auszuloten, hochzutreiben und die Provisionen einzustreichen, versteht sich bedauerlicherweise von selbst. Und wieder wird an zeitgeschichtlichen Archiven vorbei schnelles Geld mit solchen NS-Dokumenten gemacht; unbekannt, in wessen Hände sie kommen und was mit ihnen geschieht.

________

Offener Brief an das Auktionshaus Peter Kiefer, Pforzheim, 16.4.2015:

Sehr geehrter Herr Kiefer,

dass Sie mit solchen Dokumenten unbedacht und offenkundig ohne Bedenken nun auch Ihr Haus zu einem unseriösen Marktplatz des NS-Devotionalienhandels machen, ist, milde gesagt, bedauerlich; tatsächlich ist es ein Skandal.
Haben Sie übersehen oder nicht sehen wollen, dass genau dieser Brief hinsichtlich der Frage nach Mengeles handschriftlichem Nachlass und dessen Vermarktung eine lange und äußerst fragwürdige (Auktions-)Geschichte hat?

Bei folgenden Auktionen stand dieser Brief in den letzten Jahren bereits zum Verkauf:

Nate D. Sanders Auctions, Los Angeles, Auktionskatalog der Auktion vom 18. Oktober 2010, Nr. 143 und der Auktion vom 6. Februar 2013, Nr. 1108; Regency Superior Auctions, Saint Louis, Los Angeles, Auktionskatalog der Auktion vom 24. Mai 2013, Nr. 826 (verkauft bei einem Zuschlag von US-$ 4.000,--); zuletzt angeboten vom Berliner Militaria-"Auktionshaus für Geschichte", Auktion 95 vom 2. März 2014, Nr. 2286; der Brief blieb dort bei einem Katalogpreis von EUR 3.700,-- unverkauft.

Es sind, jüngsten Recherchen zufolge, die Sie offenbar im Vorfeld der Auktion nicht zur Kenntnis genommen haben, insgesamt 11 Briefe und Karten Mengeles an seine Frau Irene in den letzten 5 Jahren bei Auktionen in den USA und Großbritannien versteigert worden, darunter auch der jetzt bei Ihnen zur Versteigerung kommende von 1942 nach Freiburg. Die Provenienzgeschichte derselben blieb bislang völlig ungeklärt; Anbieter wie auch neue Besitzer blieben, wie üblich, jeweils anonym.

Die Feldpostbriefe Mengeles, auch der von Ihnen nun ausgerufene und "geschätzte", wurden im Rahmen eines Aufsatzes vollständig transkribiert, kommentiert und die Nachlassproblematik dabei eigens thematisiert; nachzulesen in:

Markus Wolter: Der SS-Arzt Josef Mengele zwischen Freiburg und Auschwitz – Ein örtlicher Beitrag zum Banalen und Bösen. In: „Schau-ins-Land“, Zeitschrift des Breisgau-Geschichtsvereins. 133. Jahrbuch 2014, Freiburg (2015), S. 149-189.

Ich bitte um gelegentliche Stellungnahme in dieser Sache.
Mit freundlichen Grüßen
Markus Wolter
Freiburg


Nachbemerkung zur Angebotsbeschreibung:

Dass Peter Kiefer die vergangenen Auktionen und Verkäufe/Verkaufsversuche des Mengele-Briefes zumindest teilweise nicht unbekannt waren, belegt die unveränderte und vollständige Übernahme der - englischsprachigen - Angaben zu Briefinhalt und Briefautor aus der letzten amerikanischen Auktion 2013, einschließlich deren Fehler; und ohne dies als Zitat ordentlich auszuweisen.

Vgl.: http://regencystamps.com/1942-josef-mengele-handwritten-letter-to-his-wife--lot306375.aspx

Mit der Festlegung und Vervielfachung des "Schätzpreises" auf EUR 12.000,-- diskreditiert sich das Auktionshaus vor diesem Hintergrund vollends und lässt die gebotene Sorgfaltspflicht und Seriosität vermissen.

Die gewünschte Stellungnahme zur oben formulierten Kritik blieb bislang aus.

Vgl.: Bericht in der "Pforzheimer Zeitung" vom 25. April 2015:

http://www.pz-news.de/kultur_artikel,-Versteigerung-von-Mengele-Brief-in-Pforzheim-stoesst-auf-Kritik-_arid,1017722.html

Markus Wolter, 25. April 2015

__________

"Verbrannt"

Immerhin: mit dem Mengele-Brief war das erhoffte Geschäft nicht zu machen; über die Gründe kann nur spekuliert werden. Das "Los" fand zum Ausrufpreis bei der gestrigen Auktion keinen Bieter. Einsichtig, konsequent und begrüßenswert wäre es, wenn der "Artikel" jetzt auch noch aus der Angebotsliste der Rückgänge ("Rückpreis": EUR 12.000,--) entfernt werden könnte.

Markus Wolter, 26. April 2015


Angebot über das Antiquariatsportal ZVAB - Zum Festpreis von 15.360,-- Euro!

Nachdem der Auktionator und Antiquar Peter Kiefer den Mengele-Brief bei seiner Auktion zum Ausrufpreis von EUR 8.000,-- nicht verkaufen konnte, bietet er ihn nun wie selbstverständlich zum Festpreis von EUR 15.360,-- (!) über das Antiquariatsportal ZVAB an:

>>> http://www.zvab.com/basicSearch.do?anyWords=letter+mengele&author=&title=&check_sn=on

Ob als neuer Besitzer oder nach wie vor im Auftrag des anonymen Einlieferers, ist unklar. Der jetzige Angebotspreis ergibt sich jedenfalls rein rechnerisch aus dem angeblich vom Einlieferer vorgegebenen "Schätzpreis" (EUR 12.000),--, erhöht um die Auktionsprovision des Pforzheimer Antiquariats plus Mehrwertsteuer.



Markus Wolter, 20. Juni 2015
 

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