Der Gastbeitrag von Bahners im Redaktionsblog
http://redaktionsblog.hypotheses.org/2859
steht unter
http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/deed.de
und darf daher hier ganz übernommen werden. Siehe auch
http://archiv.twoday.net/stories/1022431223/
Man muss beim Begriff der öffentlichen Vorlesung ansetzen. Die öffentliche Verbreitung öffentlicher Äußerungen kann nicht den Tatbestand der Denunziation erfüllen, ganz abgesehen davon, dass Denunziation die Anzeige bei einer Obrigkeit ist. Hier geht es nicht etwa um einen anonymen Brief an den Universitätspräsidenten mit der Behauptung, Münkler habe sich in privater Runde rassistisch und sexistisch geäußert. Vielmehr werden die von Münkler in Erfüllung seiner Amtspflicht gehaltenen Vorlesungen zeitnah und datiert ausführlich referiert und kommentiert.
Wenn in diesem Referat Fehler unterlaufen oder absichtlich der Sinn entstellt wird, kann das richtiggestellt werden. Münkler selbst hat in einem Kommentar zum Blog solche Anmerkungen gemacht. Bei eklatanten Fehlern würden wahrscheinlich eifrige Studenten außerhalb der Bloggergruppe die Korrektur übernehmen. Besonders absurde Darstellungen könnten allerdings wohl auf sich beruhen bleiben. Heikel für Münkler ist, dass einige der ihm zugeschriebenen Einlassungen, die ihn in keinem guten Licht dastehen lassen, für Leute, die ihn kennen, einen nur allzu glaubwürdigen Sound haben.
Das Blog hat eine Kommentarfunktion. Abgesehen davon ist kein Kritiker verpflichtet, ein Forum für den Antikritiker vorzuhalten. Dieses Forum ist die Öffentlichkeit! Abwegig, aber leider sehr typisch, die Rede von Zensur, wo nur eine besonders drastische Meinungsäußerung vorliegt. Das Normale in der akademischen und demokratischen Debatte wäre: Die pointierte, einseitige, verzerrende Rede löst die angemessene Gegenrede aus, und das Publikum kann sich ein eigenes Urteil bilden.
Auch und vor allem setzt das Recht zur Kritik nicht voraus, dass sich der Kritiker mit seinem Namen oder Gesicht zu erkennen gibt. Die Möglichkeit, einen falschen Bericht über eine Vorlesung richtigzustellen, hat nicht zur Bedingung, dass man dem Autor ins Gesicht sagen kann: Du lügst doch! Für die wissenschaftliche Sphäre ist der Namenszwang schon gar nicht selbstverständlich. Eher war früher die Anonymität die Regel. Einige der berühmtesten Rezensionsorgane wie die Edinburgh Review und das Times Literary Supplement haben jahrzehntelang prinzipiell anonyme Rezensionen publiziert. Zu dieser Praxis gibt es ein lebhaftes Pro und Contra der wissenschaftsethischen Meinungen – aber es gibt eben nicht nur Contra! Schon deswegen gehen die meisten Pressekommentare zur Causa Münklerwatch in die Irre, da sie suggerieren, die Blogger hätten sich evidentermaßen ins Jenseits des wissenschaftlich Zulässigen begeben.
Der wichtigste Grund für die Anonymität liegt auf der Hand: Sie fördert die Ehrlichkeit, den Freimut der Kritik. So hat sie sehr wohl auch im heutigen Wissenschaftsbetrieb an entscheidender Funktionsstelle ihren Platz behauptet – nämlich in der Praxis der Peer Review bei der Manuskriptannahme in Zeitschriften und Buchreihen sowie bei Stellenbesetzungen. Münklerwatch ist ein Fall der Beurteilung durch Ungleiche. Hier gibt es nun besondere Gründe dafür, den Schutz der Anonymität zu suchen, den nach klassischer liberaler Auffassung, wie sie der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten in mehreren Urteilen dargelegt hat, die Mindermächtigen benötigen und verdienen. Beobachtet wird der Professor, der hinterher womöglich die Beobachter prüfen wird. Dieses asymmetrische Machtverhältnis ist eine Sache der Rollenverteilung, es zu beschreiben ist noch keine Aussage zur Person von Herfried Münkler – obwohl dieser, wie er selbst ironisch angemerkt hat, ein Experte für solche Machtverhältnisse ist.
Mir geht es um das Recht der bloggenden Studenten, so vorzugehen, wie sie es getan haben – ein Recht, das ihnen von einigen Journalistenkollegen prinzipiell bestritten worden ist. Qualität und Triftigkeit der in diesem Verfahren produzierten Kritik sind dann eine zweite Frage. Ich kann mich insoweit aber Oliver Tolmein anschließen: Das Blog liest sich „bisweilen etwas hölzern und arbeitet mit schablonenhaften Begrifflichkeiten, aber es liefert auch nachdenkenswerte Analysen und Zusammenhänge“. Münkler ist ein vielgefragter „politischer“ Wissenschaftler unserer Republik, und das Blog regt zu der einen oder anderen weiteren Frage an. Wer im übrigen daran Anstoß nimmt, dass Studenten „Angriffe“ auf einen Professor zu führen wagen, dem sei zur Aufklärung über Zeiten der freieren Wissenschaft Thomas Steinfelds Buch „Der grobe Ton“ empfohlen.
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Diesen Beitrag hat Patrick Bahners am 13.5.2015 auf seiner Facebookseite veröffentlicht. Mit seiner Genehmigung publizieren wir ihn hier erneut, um eine offene und nachhaltige Diskussion zu ermöglichen.
http://redaktionsblog.hypotheses.org/2859
steht unter
http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/deed.de
und darf daher hier ganz übernommen werden. Siehe auch
http://archiv.twoday.net/stories/1022431223/
Man muss beim Begriff der öffentlichen Vorlesung ansetzen. Die öffentliche Verbreitung öffentlicher Äußerungen kann nicht den Tatbestand der Denunziation erfüllen, ganz abgesehen davon, dass Denunziation die Anzeige bei einer Obrigkeit ist. Hier geht es nicht etwa um einen anonymen Brief an den Universitätspräsidenten mit der Behauptung, Münkler habe sich in privater Runde rassistisch und sexistisch geäußert. Vielmehr werden die von Münkler in Erfüllung seiner Amtspflicht gehaltenen Vorlesungen zeitnah und datiert ausführlich referiert und kommentiert.
Wenn in diesem Referat Fehler unterlaufen oder absichtlich der Sinn entstellt wird, kann das richtiggestellt werden. Münkler selbst hat in einem Kommentar zum Blog solche Anmerkungen gemacht. Bei eklatanten Fehlern würden wahrscheinlich eifrige Studenten außerhalb der Bloggergruppe die Korrektur übernehmen. Besonders absurde Darstellungen könnten allerdings wohl auf sich beruhen bleiben. Heikel für Münkler ist, dass einige der ihm zugeschriebenen Einlassungen, die ihn in keinem guten Licht dastehen lassen, für Leute, die ihn kennen, einen nur allzu glaubwürdigen Sound haben.
Das Blog hat eine Kommentarfunktion. Abgesehen davon ist kein Kritiker verpflichtet, ein Forum für den Antikritiker vorzuhalten. Dieses Forum ist die Öffentlichkeit! Abwegig, aber leider sehr typisch, die Rede von Zensur, wo nur eine besonders drastische Meinungsäußerung vorliegt. Das Normale in der akademischen und demokratischen Debatte wäre: Die pointierte, einseitige, verzerrende Rede löst die angemessene Gegenrede aus, und das Publikum kann sich ein eigenes Urteil bilden.
Auch und vor allem setzt das Recht zur Kritik nicht voraus, dass sich der Kritiker mit seinem Namen oder Gesicht zu erkennen gibt. Die Möglichkeit, einen falschen Bericht über eine Vorlesung richtigzustellen, hat nicht zur Bedingung, dass man dem Autor ins Gesicht sagen kann: Du lügst doch! Für die wissenschaftliche Sphäre ist der Namenszwang schon gar nicht selbstverständlich. Eher war früher die Anonymität die Regel. Einige der berühmtesten Rezensionsorgane wie die Edinburgh Review und das Times Literary Supplement haben jahrzehntelang prinzipiell anonyme Rezensionen publiziert. Zu dieser Praxis gibt es ein lebhaftes Pro und Contra der wissenschaftsethischen Meinungen – aber es gibt eben nicht nur Contra! Schon deswegen gehen die meisten Pressekommentare zur Causa Münklerwatch in die Irre, da sie suggerieren, die Blogger hätten sich evidentermaßen ins Jenseits des wissenschaftlich Zulässigen begeben.
Der wichtigste Grund für die Anonymität liegt auf der Hand: Sie fördert die Ehrlichkeit, den Freimut der Kritik. So hat sie sehr wohl auch im heutigen Wissenschaftsbetrieb an entscheidender Funktionsstelle ihren Platz behauptet – nämlich in der Praxis der Peer Review bei der Manuskriptannahme in Zeitschriften und Buchreihen sowie bei Stellenbesetzungen. Münklerwatch ist ein Fall der Beurteilung durch Ungleiche. Hier gibt es nun besondere Gründe dafür, den Schutz der Anonymität zu suchen, den nach klassischer liberaler Auffassung, wie sie der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten in mehreren Urteilen dargelegt hat, die Mindermächtigen benötigen und verdienen. Beobachtet wird der Professor, der hinterher womöglich die Beobachter prüfen wird. Dieses asymmetrische Machtverhältnis ist eine Sache der Rollenverteilung, es zu beschreiben ist noch keine Aussage zur Person von Herfried Münkler – obwohl dieser, wie er selbst ironisch angemerkt hat, ein Experte für solche Machtverhältnisse ist.
Mir geht es um das Recht der bloggenden Studenten, so vorzugehen, wie sie es getan haben – ein Recht, das ihnen von einigen Journalistenkollegen prinzipiell bestritten worden ist. Qualität und Triftigkeit der in diesem Verfahren produzierten Kritik sind dann eine zweite Frage. Ich kann mich insoweit aber Oliver Tolmein anschließen: Das Blog liest sich „bisweilen etwas hölzern und arbeitet mit schablonenhaften Begrifflichkeiten, aber es liefert auch nachdenkenswerte Analysen und Zusammenhänge“. Münkler ist ein vielgefragter „politischer“ Wissenschaftler unserer Republik, und das Blog regt zu der einen oder anderen weiteren Frage an. Wer im übrigen daran Anstoß nimmt, dass Studenten „Angriffe“ auf einen Professor zu führen wagen, dem sei zur Aufklärung über Zeiten der freieren Wissenschaft Thomas Steinfelds Buch „Der grobe Ton“ empfohlen.
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Diesen Beitrag hat Patrick Bahners am 13.5.2015 auf seiner Facebookseite veröffentlicht. Mit seiner Genehmigung publizieren wir ihn hier erneut, um eine offene und nachhaltige Diskussion zu ermöglichen.