Die Monographie von Helgard Ulmschneider: Der deutsche 'Lucidarius'. Bd. 4: Die mittelalterliche Überlieferung. Berlin/NY 2011 widmet sich auf der Basis von 97 Handschriften der Überlieferungsgeschichte und "Gebrauchssituation" des Werks. Es wurde praktisch in allen sozialen Schichten abgeschrieben (S. 349), ein eher dürftiges Ergebnis nach über 300 Seiten sich akribisch gebender Dokumentation. Die Mitüberlieferung ist extrem heterogen, eine lange Liste der mitüberlieferten Werke tritt weitgehend an die Stelle eines Synthese-Versuchs.
Allgemeine neue Erkenntnisse fehlen also, wie sieht es im Detail aus? Tiefenbohrungen und intensive Recherchen zu Provenienzen hat die Autorin ersichtlich nicht vorgenommen; stellenweise hat sie meines Erachtens allzu oberflächlich recherchiert. Es geht nicht an, beim Chorherrenstift Wiesensteig statt des Württembergischen Klosterbuchs die alte Ausgabe der "Historischen Stätten" zu zitieren (S. 40 Konrad von Göppingen, Chorherr schrieb 1446 eine Handschrift und schenkte sie Jungfrau Lucia Füchsin
http://www.handschriftencensus.de/4296 ). S. 93 zu Erlangen B 12 darf man die Herren von Schönau zu Wehr nicht nennen, ohne Otto Herdings Studie (FDA 1979
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:25-opus-56865 ) zu erwähnen. S. 258-265 (St. Gallen 1164) zu Anna Wiechbalmerin hätte man den Rorschacher Vogt Hans Wiechbalmer nennen müssen.
[online: http://e-codices.ch/de/list/one/csg/1164 ]
Notizen und Ergänzungen:
Liste der Handschriften im Handschriftencensus:
http://www.handschriftencensus.de/werke/233
S. 1 Das Zeugnis aus des Cincinnius "Frage boich" (Köln 1527, leider nicht online) bei Lienert: Dietrich-Testimonien (2008) Nr. 294.
[Frageboich van CCCC fragen gotlicher und naturlicher sachen" mit der Kölner Signatur A2/110 liegt nun als Digitalisat vor:
http://www.ub.uni-koeln.de/usbportal?query=USB:522883 ]
S. 23f. (Do 1). Der Standort ist keineswegs unbekannt, die ehemals Donaueschinger Handschrift des Stegmüller mit dem Iatromathematischen Hausbuch liegt in Philadelphia und ist online:
http://archiv.twoday.net/stories/8418200/
Aus dem späteren Besitz der Herren von Gundelfingen darf man keineswegs folgern, dass die Handschrift "vermutlich" auch für sie geschrieben wurde (so S. 343).
S. 86 zu Meisterlin in Murbach
S. 101-111 (Gießen 231) zur Bibliothek der Schürstab in Nürnberg.
S. 133-141 (Kassel phil. oct. 5, online) zur Bibliothek der Grafen von Manderscheid.
S. 152 zu den Sulzbacher Handschriften (Sulzbach in der Oberpfalz!):
http://archiv.twoday.net/stories/1022412587/
S. 180 (Cgm 246) Münchner Bürger Jordan Golnhuter
S. 181-186 (Cgm 252) zum Schreiber Bollstatter
http://archiv.twoday.net/search?q=bollstatter
Meine Mitteilung 1987 zur Handschrift wurde ignoriert:
https://books.google.de/books?id=pcvWAAAAMAAJ&pg=PA198
S. 199-202 zu München 2° Cod. ms. 688 wird aufgrund der Lirer-Mitüberlieferung meine soeben angeführte Dissertation zitiert.
S. 212-218 Dr. med. Sigmund Gotzkircher, S. 217 Dr. med. Johannes Fink aus Sulzfeld
S. 220-222 Nürnberg, Staatsarchiv, Nürnberger Hs. 338
https://de.wikisource.org/wiki/Burgunderkriege#Kleinere_lateinische_und_deutsche_Texte_in_Handschriften
S. 235f. (Prag XVI E 33) und S. 284-287 (Wien 2808) zur Trenbach-Bibliothek. Jüngst schrieb ich zu ihr:
http://frueheneuzeit.hypotheses.org/1847
S. 238 Streitgespräch Christ und Jude.
S. 255-258 Zur Sutro-Library siehe
http://archiv.twoday.net/stories/326525255/
Entgangen ist Ulmschneider die von mir in
http://archiv.twoday.net/stories/233328051/
angezeigte (auszugsweise?) Abschrift Schorbachs, die sich in der Stadtbibliothek Straßburg befindet.
S. 280f. (Tübingen Mc 129). Thomas Miles von Geislingen OESA trat in den Gmünder Konvent der Augustinereremiten ein. Der Codex ist online:
http://idb.ub.uni-tuebingen.de/diglit/Mc129
S. 197 Der Clm 9711, Bl. 315ra (Mitte 15. Jahrhundert, aus Oberaltaich OSB)
http://www.handschriftencensus.de/6386
überliefert ein schwankartiges Gedicht (Vers 1: Ein furst von payren kam gein pogen geriten), das wohl aufgrund seiner Kürze von der Germanistik nicht zur Kenntnis genommen wurde. Einzige Überlieferung ist anscheinend diese Handschrift, aus der es die Monumenta Boica 12 (1775), S. 92f. druckten.
https://books.google.de/books?id=WNpCAAAAcAAJ&pg=PA92
Es geht um die Eheanbahnung Herzog Ludwigs von Bayern mit Ludmilla von Böhmen, die in erster Ehe mit Graf Adalbert von Bogen verheiratet war. Die Ehe wurde 1204 geschlossen. Das Gedicht berichtet von einer List, mit der die Gräfin nach dem Rat ihrer Räte den Bayernherzog bewegte, ein Eheversprechen abzugeben. Sie ließ auf einen Bildteppich drei Ritter malen und forderte ihn auf, bei diesen Zeugen, die Ehe zu versprechen. Das tat der Herzog, worauf unter dem Teppich die dort verborgenen drei Ritter hervorkamen.
Ob Schreibers modernisiertem Abdruck im Heidelberger Taschenbuch auf 1809 tatsächlich der Codex vorlag, lässt sich nicht entscheiden:
http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/hd_taschenbuch1809/0061
Varianten in der bayerischen Landeschronistik vom Ende des 15. Jahrhunderts weichen nicht unerheblich ab.
Älter als Arnpeck
https://archive.org/stream/VeitArnpeckSaemtlicheChroniken#page/n357/mode/2up
ist Füetrer, der verschiedentlich auf die Geschichte gestoßen war.
http://digital.ub.uni-duesseldorf.de/ihd/content/pageview/1034320
Leidinger bezweifelt (in seiner Arnpeck-Ausgabe), dass Füetrer das Gedicht vorlag.
Anhaltspunkte, dass die Erzählung bzw. das Gedicht vor das 15. Jahrhundert zurückgeht, sehe ich nicht. Wie Brautwerbungserzählungen bringt sie den Landes-Diskurs mit dem Minne-Diskurs zusammen:
https://books.google.de/books?hl=de&id=pcvWAAAAMAAJ&pg=PA152
Seit Fischer 1780 wird der aus einer Arnpeck-Ausgabe bekannte Stoff, der auch im Wikipedia-Artikel zu Ludmilla erwähnt wird, mit den sogenannten "Probenächten" der Bauernmädchen zusammengebracht:
https://books.google.de/books?id=1McsAAAAYAAJ&pg=PA25
https://books.google.de/books?id=EyoHAAAAQAAJ&pg=PA16 (ein Reprint)
Elfriede Moser-Rath erwähnt Fischers Arbeit (am Rande) in ihrem Artikel zu den Brautproben (Enzyklopädie des Märchens 2, Sp. 750). Einschlägig ist auch der Artikel Eideslist (ebd., Bd. 3, Sp. 1154-1158 von der gleichen Autorin, aber ohne Nennung unseres Stoffs), der Beispiele für Täuschungen im Zusammenhang mit Eidleistungen (hier: einem Eheversprechen) ausbreitet.
Sympathisch berührt, dass Ludmilla sich nicht als Sex-Spielzeug bzw. Test-Objekt missbrauchen lässt, sondern mit einer List den Fürsten zu einem gültigen Eheversprechen zwingt. Dieser macht dazu gute Mine und nimmt die Fürstin zur Frau. Sie bringt die Grafschaft Bogen zu Bayern. Am Ende des Gedichts wird die Übernahme des Bogener Wappens, der weißblauen Rauten, angesprochen.
http://www.bogen.de/default.asp?pid=4964&mid=44977
http://www.bogener-rautentage.de/ (mit Abbildung einer Illustration des 19. Jahrhunderts zu unserem Stoff)
Darstellung in Hohenschwangau:
https://books.google.de/books?id=JESWBAAAQBAJ&pg=PA207
Von literarischen Rezeptionszeugnissen nenne ich nur ein frühes Beispiel, ein Lustspiel von 1782:
https://books.google.de/books?id=KmhTAAAAcAAJ
#forschung
Allgemeine neue Erkenntnisse fehlen also, wie sieht es im Detail aus? Tiefenbohrungen und intensive Recherchen zu Provenienzen hat die Autorin ersichtlich nicht vorgenommen; stellenweise hat sie meines Erachtens allzu oberflächlich recherchiert. Es geht nicht an, beim Chorherrenstift Wiesensteig statt des Württembergischen Klosterbuchs die alte Ausgabe der "Historischen Stätten" zu zitieren (S. 40 Konrad von Göppingen, Chorherr schrieb 1446 eine Handschrift und schenkte sie Jungfrau Lucia Füchsin
http://www.handschriftencensus.de/4296 ). S. 93 zu Erlangen B 12 darf man die Herren von Schönau zu Wehr nicht nennen, ohne Otto Herdings Studie (FDA 1979
http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:25-opus-56865 ) zu erwähnen. S. 258-265 (St. Gallen 1164) zu Anna Wiechbalmerin hätte man den Rorschacher Vogt Hans Wiechbalmer nennen müssen.
[online: http://e-codices.ch/de/list/one/csg/1164 ]
Notizen und Ergänzungen:
Liste der Handschriften im Handschriftencensus:
http://www.handschriftencensus.de/werke/233
S. 1 Das Zeugnis aus des Cincinnius "Frage boich" (Köln 1527, leider nicht online) bei Lienert: Dietrich-Testimonien (2008) Nr. 294.
[Frageboich van CCCC fragen gotlicher und naturlicher sachen" mit der Kölner Signatur A2/110 liegt nun als Digitalisat vor:
http://www.ub.uni-koeln.de/usbportal?query=USB:522883 ]
S. 23f. (Do 1). Der Standort ist keineswegs unbekannt, die ehemals Donaueschinger Handschrift des Stegmüller mit dem Iatromathematischen Hausbuch liegt in Philadelphia und ist online:
http://archiv.twoday.net/stories/8418200/
Aus dem späteren Besitz der Herren von Gundelfingen darf man keineswegs folgern, dass die Handschrift "vermutlich" auch für sie geschrieben wurde (so S. 343).
S. 86 zu Meisterlin in Murbach
S. 101-111 (Gießen 231) zur Bibliothek der Schürstab in Nürnberg.
S. 133-141 (Kassel phil. oct. 5, online) zur Bibliothek der Grafen von Manderscheid.
S. 152 zu den Sulzbacher Handschriften (Sulzbach in der Oberpfalz!):
http://archiv.twoday.net/stories/1022412587/
S. 180 (Cgm 246) Münchner Bürger Jordan Golnhuter
S. 181-186 (Cgm 252) zum Schreiber Bollstatter
http://archiv.twoday.net/search?q=bollstatter
Meine Mitteilung 1987 zur Handschrift wurde ignoriert:
https://books.google.de/books?id=pcvWAAAAMAAJ&pg=PA198
S. 199-202 zu München 2° Cod. ms. 688 wird aufgrund der Lirer-Mitüberlieferung meine soeben angeführte Dissertation zitiert.
S. 212-218 Dr. med. Sigmund Gotzkircher, S. 217 Dr. med. Johannes Fink aus Sulzfeld
S. 220-222 Nürnberg, Staatsarchiv, Nürnberger Hs. 338
https://de.wikisource.org/wiki/Burgunderkriege#Kleinere_lateinische_und_deutsche_Texte_in_Handschriften
S. 235f. (Prag XVI E 33) und S. 284-287 (Wien 2808) zur Trenbach-Bibliothek. Jüngst schrieb ich zu ihr:
http://frueheneuzeit.hypotheses.org/1847
S. 238 Streitgespräch Christ und Jude.
S. 255-258 Zur Sutro-Library siehe
http://archiv.twoday.net/stories/326525255/
Entgangen ist Ulmschneider die von mir in
http://archiv.twoday.net/stories/233328051/
angezeigte (auszugsweise?) Abschrift Schorbachs, die sich in der Stadtbibliothek Straßburg befindet.
S. 280f. (Tübingen Mc 129). Thomas Miles von Geislingen OESA trat in den Gmünder Konvent der Augustinereremiten ein. Der Codex ist online:
http://idb.ub.uni-tuebingen.de/diglit/Mc129
S. 197 Der Clm 9711, Bl. 315ra (Mitte 15. Jahrhundert, aus Oberaltaich OSB)
http://www.handschriftencensus.de/6386
überliefert ein schwankartiges Gedicht (Vers 1: Ein furst von payren kam gein pogen geriten), das wohl aufgrund seiner Kürze von der Germanistik nicht zur Kenntnis genommen wurde. Einzige Überlieferung ist anscheinend diese Handschrift, aus der es die Monumenta Boica 12 (1775), S. 92f. druckten.
https://books.google.de/books?id=WNpCAAAAcAAJ&pg=PA92
Es geht um die Eheanbahnung Herzog Ludwigs von Bayern mit Ludmilla von Böhmen, die in erster Ehe mit Graf Adalbert von Bogen verheiratet war. Die Ehe wurde 1204 geschlossen. Das Gedicht berichtet von einer List, mit der die Gräfin nach dem Rat ihrer Räte den Bayernherzog bewegte, ein Eheversprechen abzugeben. Sie ließ auf einen Bildteppich drei Ritter malen und forderte ihn auf, bei diesen Zeugen, die Ehe zu versprechen. Das tat der Herzog, worauf unter dem Teppich die dort verborgenen drei Ritter hervorkamen.
Ob Schreibers modernisiertem Abdruck im Heidelberger Taschenbuch auf 1809 tatsächlich der Codex vorlag, lässt sich nicht entscheiden:
http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/hd_taschenbuch1809/0061
Varianten in der bayerischen Landeschronistik vom Ende des 15. Jahrhunderts weichen nicht unerheblich ab.
Älter als Arnpeck
https://archive.org/stream/VeitArnpeckSaemtlicheChroniken#page/n357/mode/2up
ist Füetrer, der verschiedentlich auf die Geschichte gestoßen war.
http://digital.ub.uni-duesseldorf.de/ihd/content/pageview/1034320
Leidinger bezweifelt (in seiner Arnpeck-Ausgabe), dass Füetrer das Gedicht vorlag.
Anhaltspunkte, dass die Erzählung bzw. das Gedicht vor das 15. Jahrhundert zurückgeht, sehe ich nicht. Wie Brautwerbungserzählungen bringt sie den Landes-Diskurs mit dem Minne-Diskurs zusammen:
https://books.google.de/books?hl=de&id=pcvWAAAAMAAJ&pg=PA152
Seit Fischer 1780 wird der aus einer Arnpeck-Ausgabe bekannte Stoff, der auch im Wikipedia-Artikel zu Ludmilla erwähnt wird, mit den sogenannten "Probenächten" der Bauernmädchen zusammengebracht:
https://books.google.de/books?id=1McsAAAAYAAJ&pg=PA25
https://books.google.de/books?id=EyoHAAAAQAAJ&pg=PA16 (ein Reprint)
Elfriede Moser-Rath erwähnt Fischers Arbeit (am Rande) in ihrem Artikel zu den Brautproben (Enzyklopädie des Märchens 2, Sp. 750). Einschlägig ist auch der Artikel Eideslist (ebd., Bd. 3, Sp. 1154-1158 von der gleichen Autorin, aber ohne Nennung unseres Stoffs), der Beispiele für Täuschungen im Zusammenhang mit Eidleistungen (hier: einem Eheversprechen) ausbreitet.
Sympathisch berührt, dass Ludmilla sich nicht als Sex-Spielzeug bzw. Test-Objekt missbrauchen lässt, sondern mit einer List den Fürsten zu einem gültigen Eheversprechen zwingt. Dieser macht dazu gute Mine und nimmt die Fürstin zur Frau. Sie bringt die Grafschaft Bogen zu Bayern. Am Ende des Gedichts wird die Übernahme des Bogener Wappens, der weißblauen Rauten, angesprochen.
http://www.bogen.de/default.asp?pid=4964&mid=44977
http://www.bogener-rautentage.de/ (mit Abbildung einer Illustration des 19. Jahrhunderts zu unserem Stoff)
Darstellung in Hohenschwangau:
https://books.google.de/books?id=JESWBAAAQBAJ&pg=PA207
Von literarischen Rezeptionszeugnissen nenne ich nur ein frühes Beispiel, ein Lustspiel von 1782:
https://books.google.de/books?id=KmhTAAAAcAAJ
#forschung
KlausGraf - am Donnerstag, 25. Juni 2015, 22:07 - Rubrik: Kodikologie
Heinz (Gast) meinte am 2015/06/26 11:18:
Hilfeersuch(en)
Appel à l'aide pour retracer une version roumaine de Beuve de Hantone: Jennifer Fellows est à la recherche de "the Romanian version, supposedly translated from the Yiddish by M. Aziel in 1881 in a collection called O mie si una de zile (A Thousand and One Days). My information comes from Willem P. Gerritsen and Anthony G. van Melle, A Dictionary of Medieval Heroes, trans. Tanis Guest (Woodbridge: Boydell Press, 1998), p. 63, and from M. Gaster, Literatura Populara Romana, ed. Mircea Anghelescu (Bucharest: Minerva, 1983), p. 70; all attempts to find out anything more about it, or even to locate a copy, have failed."
Si quelqu'un est en mesure d'aider Mme Fellows, merci de bien vouloir prendre contact avec Arlima pour obtenir son adresse de courriel. Merci d'avance!
http://www.arlima.net/