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http://winzen.hypotheses.org/351 berichtet, dass er die für teures Geld erworbenen Scans aus dem Bundesarchiv nicht online stellen kann, da die Kostenordnung für die “Einblendung in Onlinedienste je Reproduktion” 25,56€/Woche veranschlagt.

Die Kosten für eine Klage könnte man leicht mitttels Crowdfunding finanzieren. Die Aussichten sind aus meiner Sicht gut.

Bereits 2007 hatte ich an dem Kostentatbestand Anstoß genommen:

http://archiv.twoday.net/stories/4345664/

Speziell zum Bundesarchiv hatte ich 2008 etwas ausführlicher kritisch Stellung genommen:

http://archiv.twoday.net/stories/4939537/

(Alles ohne weiteres mit der Suchfunktion dieses Blogs auffindbar!)

1. Wenn das Bundesarchiv Rechteinhaber an urheberrechtlich noch geschützten Medien wie Fotos und Filmen ist, wäre eine privatrechtliche Nutzungsgebühr denkbar.

2. Einer Geltendmachung im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Kostenordnung steht jedoch die BGH-Entscheidung Topographische Landeskarten entgegen, denn auch hier geht es um die Einräumung privatrechtlicher Nutzungsrechte.

Volltext:
https://de.wikisource.org/wiki/Bundesgerichtshof_-_Topographische_Landeskarten

3. Archivalienscans sind nicht nach § 72 UrhG urheberrechtlich geschützt.

http://archiv.twoday.net/search?q=reproduktionsfoto
und zum Archivgut die Position von Polley, zitiert in:

http://archiv.twoday.net/stories/565877119/

In diesem Beitrag finden sich Nachweise für zahlreiche Stellungnahmen von mir zu dem hier verhandelten Problem.

4. Eine Rechtsgrundlage für die Gebührenpflichtigkeit ist weder dem Archivgesetz noch der als Rechtsverordnung erlassenen Benutzungsverordnung zu entnehmen.

5. Da anders als in anderen Archivbenutzungsordnungen kein Genehmigungsvorbehalt für die Nutzung und Weitergabe von Reproduktionen vorgesehen ist, dürfen die Scans an Dritte übermittelt werden (sofern keine Sperrfristen oder ein Persönlichkeitsschutz entgegensteht).

6. Öffentlich-rechtliche Gebührenordnungen können nur das Benutzungsverhältnis regeln, das nicht vorliegt, wenn ein Dritter, dem die Reproduktion übergeben wurde, das Archivgut veröffentlicht.

Zum einschlägigen Urteil des OVG Münster 2009 ist der Aufsatz von Michael Scholz zu konsultieren, den ich unter

http://archiv.twoday.net/stories/565877105/

besprochen habe.

7. Aber auch wenn der Nutzer das Archivgut veröffentlicht, wirkt die Position der Kostenordnung des Bundesarchivs wie ein unzulässiger Genehmigungsvorbehalt.

Zur Unzulässigkeit solcher Genehmigungsvorbehalten sind etliche Beiträge von mir durchzuarbeiten:

http://archiv.twoday.net/search?q=genehmigungsvorbehalt

8. Die Einblendungsgebühren sind prohibitiv und behindern die Wissenschaft, was der Bundesgesetzgeber nicht wollte.

Die amtliche Begründung für das Bundesarchivgesetz (BT-DS 11/498) von 1987 ist online. Zu § 6 heißt es:

"Die Einzelheiten der Benutzung einschließlich der
Erhebung von Gebühren bedürfen einer gesetzlichen
Regelung nicht. Die zur Regelung der Benutzung
notwendige Rechtsverordnung soll von dem
für das Bundesarchiv zuständigen Bundesminister
erlassen werden, der auch erforderliche Entgelte
festsetzen kann. Die Beteiligung des Bundesministers
der Verteidigung beim Erlaß der Benutzungsordnung
entspricht der bisherigen Praxis. Die Höhe
der Gebühren hat sich nach dem Personal- und
Sachaufwand, die die Benutzung dem Bundesarchiv
verursacht, zu richten.

Dabei ist darauf zu achten, daß sich die Gebührensätze
nicht nachteilig auf die Wahrnehmung der
Wissenschafts- und Informationsrechte auswirken."
http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/11/004/1100498.pdf

Die zur Diskussion stehende Monatsgebühr bei Einblendung in Online-Dienste verstößt gegen die Vorgaben der amtlichen Begründung, da nicht jeden Monat ein Personal- und Sachaufwand entsteht.

9. Indem das Bundesarchiv nach eigenem Ermessen Archivgut veröffentlichen und sogar unter freie Lizenzen stellen darf, während Benutzer aufgrund der Kostenordnung keine vernünftige Chance dazu haben, verstößt es gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 GG).

Tausende Fotos des Bundesarchivs auf Wikimedia Commons - Frucht der beendeten Kooperation mit der Wikimedia-Foundation - stehen unter einer CC-Lizenz, ebenso wie die Digitalisate im Archivportal D (CC-BY).

http://archiv.twoday.net/stories/1022457762/

2004 schrieb ich in Archivalia:

"Die mehr als fragwürdige Anordnung von Reproduktionsgebühren insbesondere bei Online-Wiedergabe (jährliche Gebühr) durch das Bundesarchiv hat schon dazu geführt, dass eine Freiburger Dissertation auf dem Hochschulschriftenserver auf Abbildungen verzichten musste. Mehr dazu in INETBIB 2002

http://www.ub.uni-dortmund.de/listen/inetbib/msg09588.html

Bundesarchiv-Kostenverordnung von 2000
http://www.bundesarchiv.de/imperia/md/content/abteilungen/abtg/12.pdf

Ein Erlass für wiss. Zwecke ist danach nicht möglich.

Da die Kostenverordnung nur für das Benutzungsverhältnis gilt, ist eine Bindungswirkung hinsichtlich Dritter, die Archivgut reproduzieren, zu verneinen.

Dass diese Kosten-Ordnung mit höherrangigem Recht (BArchG) vereinbar ist, wage ich zu bezweifeln.

Kann das Bundesarchiv beliebig Archivgut nach eigenem Ermessen auf eigenem Server online frei zugänglich machen, müssen Wissenschaftler aber prohibitive jährliche Gebühren entrichten, so sind sowohl der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 GG) als auch das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit tangiert, da auf diese Weise de facto ein staatliches Forschungsmonopol zustandekommt, das es nicht geben darf bzw. das nur bei hochrangigen Gemeinwohlinteressen zulässig erscheint (z.B. "Eigenforschung" der Stasi-Unterlagenbehörde). Man wird dies als wesentliche Entscheidung einzuschätzen haben, die der Gesetzgeber hätte regeln müssen.

Es ist zu hoffen, dass irgendwann auf dem Verwaltungsgerichtswege eine Klärung zustande kommt."
http://archiv.twoday.net/stories/168920/

10. Gemeinfreies muss auch bei der Digitalisierung gemeinfrei bleiben. Dieses Prinzip teilen die Zeichner der Europeana-Charta, die EU-Kommission, der europäische Gesetzgeber und der Bundesgesetzgeber. Daher ist die erhobene Gebühr auch kulturpolitisch abwegig.

Nachweise zuletzt in:
http://archiv.twoday.net/stories/1022460169/

In der Hauszeitschrift des Bundesarchivs "Forum" wurde 2013 ein Umdenken vorsichtig signalisiert:

Thekla Kleindienst / Bettina Martin-Weber: Neue Bedingungen für
die Nutzung und Weiterverwendung von Archivgut? Die geänderte europäische Richtlinie über die Weiterverwendung
von Informationen des öffentlichen Sektors (PSI-Richtlinie)
http://www.bundesarchiv.de/imperia/md/content/bundesarchiv_de/oeffentlichkeitsarbeit/fach-publikationen/forum2013_endfassung.pdf

Es ist an der Zeit, der Abzocke ein Ende zu bereiten. Durch eine Klage oder öffentlichen Druck (etwa durch eine Petition).

Update:
http://rivva.de/263406982

Bundesarchiv, Bild 183-21910-0004 / CC-BY-SA
https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.de
 

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