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Der Professorenentwurf für ein völlig neues Bundesarchivgesetz
http://archiv.twoday.net/stories/4838980/
ignoriert leider urheberrechtliche Fragen komplett.

Für den § 19 Benutzungs- und Gebührenordnung wird folgender Wortlaut vorgeschlagen:

Das für das Archivwesen des Bundes zuständige Mitglied der Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung

1. die Nutzung des Archivguts (Benutzungsordnung), insbesondere das Verfahren, die Sorgfaltspflichten bei der Nutzung, die Ausleihe von Archivgut sowie die Herstellung von Kopien und Reproduktionen,

2. die Erhebung von Gebühren und Auslagen für die Archivnutzung (Gebührenordnung).

Die Gebühren sind unter Berücksichtigung des Nutzungszwecks nach dem Personal- und Sachaufwand, den die Nutzung dem Bundesarchiv verursacht, zu bestimmen. Sie sind so zu bemessen, dass sie eine angemessene Höhe nicht überschreiten; dabei sind Befreiungstatbestände sowie Ermäßigungen und der Erlass der Gebühren aus Billigkeitsgründen im Einzelfall vorzusehen. Auslagen sind zu erstatten; dabei dürfen die tatsächlich entstandenen Kosten nicht überschritten werden.


Das liest sich prima facie vernünftig, klammert aber wesentliche Sachverhalte aus, über die der Gesetzgeber nach dem Wesentlichkeitsprinzip zu befinden hätte.

Gibt es ein urheberrechtsgleiches Immaterialgüterrecht der Archive, das es erlaubt, über Bildrechte-Gebühren Nutzer nach Belieben abzuzocken, wie das Bundesarchiv das praktiziert?

Die Beiträge in Archivalia zu diesem Thema sind Legion, siehe
http://archiv.twoday.net/search?q=bildrecht
http://archiv.twoday.net/stories/4477824/

In der Kommentierung S. 226-231 wird S. 231 Anm. 24 auf ein angeblich unveröffentlichtes Urteil des VG Dresden verwiesen, das natürlich längst online publiziert und auch hier angezeigt wurde:

http://archiv.twoday.net/stories/7925/

Der ProfE setzt sich nicht mit der juristisch und moralisch durch und durch fragwürdigen Kostenordnung des Bundesarchivs auseinander, die bei der Wiedergabe von Archivgut kein Wissenschaftsprivileg kennt:

http://www.bundesarchiv.de/imperia/md/content/abteilungen/abtg/12.pdf

Wer eine wissenschaftliche oder nicht-kommerzielle Website betreibt, muss für die Einblendung in Onlinedienste 191,73 Euro berappen. Hier ist der Nutzungszweck nicht berücksichtigt und der Maßstab ist nicht der Personal- und Sachaufwand, die die Bereitstellung oder Genehmigung verursacht, sondern die Dauer der Internetnutzung. Gleiches gilt für die Forderung nach neuen Gebühren bei jeder Neuauflage. Auf der Seite des Archivs entstehen dadurch keine neuen Kosten. Das Ganze ist eine rein immaterialgüterrechtliche Gebühr, die nach gebührenrechtlichen Grundsätzen als Benutzungsgebühr unzulässig ist.

Siehe dazu schon
http://archiv.twoday.net/stories/168920/

Die Kopienpreise des Bundesarchivs sind mehr als happig, sie nähern sich der Wuchergrenze. Eine DIN A4-Kopie von Bibliotheksgut kostet 20 Cent, bei Archivgut sind es 41 Cent. Wenn aus Gründen der Bestandserhaltung bei Archivgut eine höhere Sorgfalt nötig ist, dann entstehen die Mehrkosten in öffentlichem Interesse und sind nach gebührenrechtlichen Grundsätzen nicht vom Benutzer zu tragen!

Es gibt in diesem Bereich keinen Markt, jeder Benutzer muss zähneknirschend die weit überhöhten Monopol-Preise bezahlen, während im Copyshop am Universitätsstandort die Selbstkopie ab 5 Cent zu haben ist.

Keine Rechtsgrundlage sehe ich auch für das Selbst-Fotografierverbot des Bundesarchivs:
http://archiv.twoday.net/stories/168920/

Die Nutzung des geistigen Gehalts von Reproduktionen kann das Bundesarchiv nur dann von Rechts wegen kontrollieren, wenn ihm eigene (Urheber)Rechte zustehen. Ein Professorenentwurf für ein Bundesarchivgesetz hätte endlich mit der miesen Flucht ins Privatrecht aufräumen müssen, die eine undurchschaubare Gemengelage von öffentlichrechtlichen Vorgaben und privatrechtlichen Geschäften erzeugt. Zu beantworten gewesen wären also etwas die Fragen:

* Welchen öffentlichrechtlichen Vorschriften unterliegt das Bundesarchiv, wenn es Archivgut vermarktet, dessen Urheberrecht beim Bund liegen?

* Welche Bedingungen gelten für das Zitieren und Veröffentlichen unveröffentlichten Archivguts, das urheberrechtlich geschützt ist und bei dem der Rechteinhaber der Bund ist?

Wir erinnern uns (den Staatsrechtslehrern, die den professorenentwurf verantworten, ist das Urheberrecht womöglich ein Buch mit 7 Siegeln): Gemäß § 51 UrhG sind Zitate aus unveröffentlichten urheberrechtlich geschützten Schriften verboten (sofern das Zitat selbst am Schutz des Werks teilhat).

In der Praxis zitiert und veröffentlicht die zeitgeschichtliche Forschung munter (und das ist gut so, aber nun einmal nicht legal).

Einige sehr explorative Überlegungen (terra incognita vel juristisches Niemandsland) zu diesem aus guten Gründen (fiskalische Brisanz!) nicht angefassten Themenbereich:

http://archiv.twoday.net/stories/3018048/

Zu thematisieren gewesen wäre auch die ebenfalls durchaus brisante Frage, ob im Bundesarchiv urheberrechtlich geschütztzes Archivgut, bei dem die Rechte nicht dem Bund zustehen, überhaupt vorgelegt werden darf. Das Benutzungsrecht des Bundesarchivgesetzes ist ja ein Jedermannsrecht, also zieht das Argument mit dem besonderen Interesse, das nachgewiesen werden muss, und eine Veröffentlichung im urheberrechtlichen Sinn durch reine Vorlage hindert, nicht. Auf diesem Kommentarargument, dessen Genealogie ich 1989 in meiner Ausarbeitung zu den Prüfungsunterlagen S. 36
http://www.db-thueringen.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-6476/GrafDiplomarbeiten.pdf
bis 1941 zurückverfolgt habe, fußt auch die Entscheidung "Jüdische Friedhöfe" des OLG Zweibrücken für ein rheinland-pfälzisches Stadtarchiv (Benutzung erfordert berechtigtes Interesse!), siehe mit weiteren Hinweisen:

http://archiv.twoday.net/stories/4130906/

Etwas optimistischer stimmt die überwiegende Position der Informationsfreiheitsbeauftragten, wonach die reine Vorlage von Unterlagen keinen Verstoß gegen das Recht des geistigen Eigentums bedeutet.

Die wirklich entscheidenden Fragen, die durchaus der Gesetzgeber zu regeln hat, weil sie von erheblicher praktischer (Bildrechte!) oder urheberrechtsdogmatischer Relevanz (Zitate, Vorlage urheberrechtlich geschützten Archivguts) sind, lässt der Professorenentwurf also offen - kein Ruhmesblatt!
 

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