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Text: F.A.Z., 01.12.2010, Nr. 280 / Seite N5

Digitaler Tod oder digitale Freiheit?
Wer vermisst Skriptorien? Die Stärkung der Autoren durch "Open Access" in der Wissenschaft / Von Olaf Gefeller

Unter der Überschrift "Vom digitalen Tod des freien Forschers" (F.A.Z. vom 3. November) hat der Konstanzer Bibliothekar uns Bibliothekshistoriker Uwe Jochum ein apokalyptisches Bild vom Niedergang der freien Wissenschaft, der "Demolierung der Autorenschaft" und dem "Tod der Wissenschaftsverlage" gezeichnet. Wie in ähnlichen Beiträgen aus seiner
Feder in den letzten zwei Jahren sieht er die deutsche Wissenschaft auf dem Weg in die "staatskapitalistische Planwirtschaft . . . in der Verbandsfunktionäre das Sagen haben", sofern bei der Reform des wissenschaftlichen Urheberrechts die Vorschläge der "Allianz der deutschen Wissenschaftsorganisationen" - ein Zusammenschluss von zehn
deutschen Wissenschaftsorganisationen von der DFG über Max-Planck-, Frauenhofer-, Helmholtz- und Leibniz-Gesellschaft bis hin zum Wissenschaftsrat und der Hochschulrektorenkonferenz - in geltendes Recht umgesetzt würden.


Siehe http://archiv.twoday.net/search?q=jochum

Olaf Gefeller, Direktor des Instituts für Medizininformatik, Biometrie und Epidemiologie an der Friedrich-Alexander-Universität
Erlangen-Nürnberg, begrüßt dagegen die Vorschläge der Allianz.

Ich erhalte die Chance, eine von mir verfasste Arbeit nach der Veröffentlichung in einer angesehenen Zeitschrift, welche mich regelmäßig vor Annahme der Publikation zwingt, all meine Urheberrechte an den Verlag zu übertragen, da sonst die Arbeit in der Zeitschrift nicht erscheinen kann, nach meinen Vorstellungen einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Ich hätte endlich eine rechtlich abgesicherte Möglichkeit, über die Homepage meines Lehrstuhls auch meine Forschungspublikationen und die meiner Mitarbeiter zum Download anzubieten oder ich könnte mich an einem entsprechenden Volltextserver meiner Universität beteiligen. All dies kann ich aktuell nicht.
Selbst wenn die Materialien einer von mir zu haltenden Lehrveranstaltung aus von mir selbst verfassten Publikationen bestehen, darf ich diese den Studenten nicht zum Download auf die Homepage stellen. Auch beim elektronischen Versand meiner Publikationen in Form der originalen Zeitschriften-pdfs an nachfragende Interessenten betrete ich offensichtlich ein urheberrechtlich vermintes Gebiet, wie der lange Streit über die Zulässigkeit der elektronischen Dokumentenlieferung von
Bibliotheken im Rahmen von Fernleihbestellungen gezeigt hat.
Für mich ist ein wesentliches Element der freien Wissenschaft die freie Wissenschaftskommunikation. Dazu gehört auch die Zugänglichkeit zu wissenschaftlicher Information und wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Jede Initiative, die hier Verbesserungen im Sinne eines Abbaus von Hemmnissen des Zugangs schafft, findet daher meine Zustimmung. Ich sehe in den Vorschlägen der Allianzinitiative das aufrichtige Bemühen um Verbesserungen und vernünftige Schritte in die richtige Richtung.

Meine Sorge um das ökonomische Überleben der Wissenschaftsverlage ist dabei gering. Ich bin sicher, dass hier neue Geschäftsmodelle entstehen werden, die innovativen Verlagen ein auskömmliches Wirtschaften ermöglichen werden. Wissenschaftsverlage, die mit Unterstützung von Jochum und einigen anderen jetzt das Ende der freien Wissenschaft, den
kulturellen Untergang des Abendlandes durch die fortschreitende
Digitalisierung und ähnliche Schreckensszenarien an die Wand malen, um diese Entwicklung mit allen Mitteln zu stoppen, anstatt sich zum konstruktiven Begleiter der sich anbahnenden Umwälzungen zu machen, könnten tatsächlich Probleme bekommen. Doch warum soll es diesen Verlagen besser ergehen als den klösterlichen Skriptorien des Spätmittelalters, die sich gegen die Einführung des Gutenbergschen Buchdruckverfahrens stemmten?
Die Vorteile der digitalen Verfügbarkeit wissenschaftlicher Information sind derart evident, dass es - zumindest außerhalb der
Geisteswissenschaften - darüber keine Kontroverse mehr gibt. Die
Organisation des Zugriffs auf die digitalisierte Information ist die
Herausforderung der kommenden Jahre. Hierbei müssen
Wissenschaftsverlage, Anbieter von Open Access-Plattformen, Bibliotheken und natürlich die Wissenschaftler selbst mit Unterstützung der Wissenschaftsorganisationen ein für alle Seiten akzeptables Modell für die digitale Zukunft entwickeln. Die "freie Wissenschaft", da bin ich unerschütterlich optimistisch, wird daran nicht versterben.
 

twoday.net AGB

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