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2009 schrieb ich in meiner "Urheberrechtsfibel" S. 80f.:

Die Soziologieprofessorin F. schreibt für die Festschrift eines ihrer
Kollegen einen Artikel. Wie bei akademischen Festschriften üblich,
erhält sie kein Honorar, sondern nur ein Exemplar des Bandes und eine
Anzahl Sonderdrucke. Eine schriftliche oder mündliche Vereinbarung
mit dem Verlag existiert nicht, die ganze Korrespondenz lief über den
Festschriftenherausgeber. Als sie ihren Festschriftenbeitrag unter einer
Creative-Commons-Lizenz auf ihrer Homepage einstellt, macht sie der
Verleger darauf aufmerksam, dass sie ein Jahr nach Erscheinen zu warten hätte. Netterweise genehmigt er aber die an sich unzulässige Nutzung.

§ 38 enthält eine Auslegungsregel, wenn nicht klar vereinbart wurde,
bei wem die Rechte liegen, wenn Beiträge in Zeitschriften, Sammelbänden oder Zeitungen veröffentlicht werden. Betroffen ist also vor allem
der traditionelle Verlagsbereich.
Absatz 1 gilt für Zeitschriften und ähnliche Veröffentlichungen wie
Almanache, auch wenn diese unregelmäßig erscheinen. Nach einem
Jahr erlischt das ausschließliche Nutzungsrecht des Verlegers, es wird zu
einem einfachen. Der Verleger darf Nachdruckrechte nun nicht mehr
vergeben, und der Autor darf ohne Zustimmung des Verlegers den Beitrag anderweitig verwerten – es sei denn, er hat sich vertraglich zu etwas
anderem verpflichtet. Typische Beispiele für Sammlungen nach Absatz 2
sind Festschriften und Sammelbände, die Aufsätze unterschiedlicher 82
Autoren enthalten. Erhält bei ihnen der Autor ein Honorar, gelten die
allgemeinen urhebervertraglichen Regeln. Bei Zeitungen, wozu auch
Wochenzeitschriften gezählt werden, entfällt das ausschließliche Nutzungsrecht und die Jahresfrist.

Wieso man nicht – im Zweifel für den Urheber – alle drei Fälle zusammenfasst, auf ein ausschließliches Nutzungsrecht für den Verleger
und eine Sperrfrist verzichtet, erschließt sich mir nicht. Wenn der Verleger ein ausschließliches Nutzungsrecht benötigt, kann er es sich ja
vertraglich einräumen lassen.

Vervielfältigung und Verbreitung bezieht sich nicht auf die öffentliche Wiedergabe. Der Verleger durfte also ohne Zustimmung des Autors
beispielsweise keine Lesung durch einen Dritten erlauben. Bei der Einführung des für die Online-Nutzung erforderlichen Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung, Teil des Rechts zur öffentlichen Wiedergabe,
blieb § 38 unverändert. Nach meiner Ansicht ergibt sich aus § 38 in
Verbindung mit der Zweckübertragungsregel, dass Autoren bei der
Online-Nutzung nicht an die Jahresfrist gebunden sind. Die Professorin
aus meinem Beispiel hätte also sofort nach Erscheinen den Beitrag auf
ihrer Homepage zugänglich machen dürfen. Sie durfte nur nicht die
CC-Lizenz verwenden, da sich diese auch auf Nutzungen durch den
Buchdruck (oder auf CD-ROM) bezieht.

2007 hat der Bundestag bei der Behandlung des „zweiten Korbs“ der
Urheberrechtsreform das Bundesjustizministerium aufgefordert, zu
überprüfen, ob eine Regelung nötig ist, wonach den Urhebern von wissenschaftlichen Beiträgen, die überwiegend im Rahmen einer mit öffentlichen Mitteln finanzierten Forschungstätigkeit entstanden sind, ein
Zweitverwertungsrecht zustehen soll. Diese Vorschrift soll den „grünen
Weg“ von Open Access, bei dem die Wissenschaftler ihre Beiträge auf
Schriftenservern (oder Repositorien) zweitveröffentlichen, absichern. Es
stellt sich allerdings die Frage, ob dies nicht auch im Interesse der nicht
öffentlich geförderten Wissenschaftler ist. Eine radikalere Lösung schlug
Rainer Kuhlen vor: Bei wissenschaftlichen Veröffentlichungen sollten
Urheber nur noch einfache, aber keine ausschließlichen Nutzungsrechte vergeben dürfen.

http://ebooks.contumax.de/02-urheberrechtsfibel.pdf

Daraus ergibt sich: Die Diskussion über das Zweitverwertungsrecht der wissenschaftlichen Urheber greift zu kurz. Es gibt gute Gründe, die Position auch nicht-wissenschaftlicher Autoren zu verbessern.

Daran erinnert Dr. Joachim Meier in seinem Kommentar, den ich hier ganz wiedergebe:

Kommentare
kurzer Satz, reizende Wirkung: Appendix in §38 (1) S.2
Verfasst von Dr. Joachim Meier am 18. März 2011 - 14:03.
Ich meine damit den "Appendix"-Satz am Ende von §38 (1),Satz 2: ", wenn nichts anderes vereinbart ist."

Wie dieser § 38 in das "Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) Vom 9.September 1965" gekommen ist, wird in http://www.urheberrecht.org/law/normen/urhg/1965-09-09/materialien/ds_IV_270_A_01_00.php3 so erklärt:

"Die für eine Neufassung der Urheberrechtsgesetze bestehenden Gründe gelten nicht für das Verlagsgesetz. Jedoch sind einige änderungsbedürftige Bestimmungen des Verlagsgesetzes neugestaltet in den vorliegenden Entwurf übernommen (vgl. §§ 38, 139)."

Das erwähnte "Gesetz über das Verlagsrecht vom 19. Juni 1901" führte als § 42 folgende Norm: "Sofern nicht aus den Umständen zu entnehmen ist, daß der Verleger das ausschließliche Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung erhalten soll, verbleibt dem Verfasser die anderweitige Verfügung über den Beitrag. Über einen Beitrag, für welchen der Verleger das ausschließliche Recht zur Vervielfältigung und Verbreitung hat, darf der Verfasser anderweitig verfügen, wenn seit dem Ablaufe des Kalenderjahres, in welchem der Beitrag erschienen ist, ein Jahr verstrichen ist. Ist der Beitrag für eine Zeitung geliefert, so steht diese Befugniß dem Verfasser alsbald nach dem Erscheinen zu."

Diese Norm ist als "änderungsbedürftige Bestimmung des Verlagsgesetzes neugestaltet" zu § 38 UrhG geworden.

Anders als heute das Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft hat damals offensichtlich niemand die Interessen der wissenschaftlich arbeitenden Urheber vertreten. Aus heutiger Warte sieht es für mich so aus, als sei 1965 der § 38 in einer Nacht-und- Nebel-Aktion in das UrhG geschmuggelt worden. Von da an konnte der Appendix ", wenn nichts anderes vereinbart ist." seine "reizende" Wirkung entfalten, indem er die Grundlage für die immer unverschämter formulierten "Copyright Transfer Agreement"s liefert. Wenn im 3. Korb der Urheberrechtsreform nicht durch andere Regelung den Urhebern ein nicht abdingbares Recht der Verbreitung und öffentlichen Zugänglichmachung gewährt wird, so muss doch wenigstes dieser Appendix "herausoperiert" werden und "öffentlich zugänglich machen" ergänzt werden. Dann hätten endlich die Irritationen der Urheber durch Copyright Transfer Agreements der Verlage ein Ende.

Viele der Leser dieser Zeilen kommen seit ihrer Kindheit ganz gut ohne ihren "Appendix" (=Blinddarm) aus. Für das UrhG kann solches auch gelten.

http://www.iuwis.de/dossierbeitrag/bestandsaufnahme-wer-darf-was-nach-%C2%A7-38-urhg

Das Verlagsgesetz bestimmte also: Im Zweifel erwarb der Verleger kein ausschließliches Recht am Beitrag, und auch wenn er eines erwarb, durfte der Autor nach einem Jahr anderweitig nutzen. Der heutige § 38 UrhG ist ein Produkt der Verlagslobby: Im Zweifel erwirbt der Verleger ein ausschließliches Recht; die anderweitige Verwertung nach einem Jahr gilt nur, wenn nichts anderes vereinbart ist.

Aus welchem Grund soll der freie Autor, der für eine Publikumszeitschrift schreibt, nicht auch nach einem Jahr das Recht haben, seinen Beitrag anderweitig zu verwerten? Bei angestellten Urhebern können ja arbeitsvertraglich ausschließliche Nutzungsrechte vereinbart werden.

Die von der SPD vorgesehene Regelung nützt nicht allen wissenschaftlichen Arbeitern, sondern nur denjenigen, die öffentlich gefördert werden. Das ist nicht akzeptabel.

Richtig ist dagegen der Ansatz, die Veröffentlichung in der Formatierung der Erstveröffentlichung zu erlauben.

Aber kann die Vorschrift Open Access wirklich spürbar fördern?

Abgesehen von den STM-Verlagen sind im geisteswissenschaftlichen Bereich Verträge über Beiträge in Zeitschriften und Sammelbänden unüblich - trotzdem sind die deutschen Open-Access-Repositorien gähnend leer, wenn man die Dissertationen und anderen Abschlussarbeiten abzieht!Bereits nach der geltenden Rechtslage könnten unendlich viele wissenschaftliche Beiträge Open Access zur Verfügung gestellt werden - aber die Autoren nutzen diese Möglichkeit nicht!

Daher brauchen wir für öffentlich geförderte Beiträge ein Anbietungsrecht (Mandat), wenn man nicht auf Modelle wie "Cream of Science" (NL) setzen will. Zum Thema Mandate siehe meine Auseinandersetzung mit Steinhauer:

http://archiv.twoday.net/stories/8401787/

Stellungnahme des Urheberrechtsbündnisses zum SPD-Vorschlag
http://www.urheberrechtsbuendnis.de/pressemitteilung0311.html.en
Stellungnahme von Rainer Kuhlen
http://www.iuwis.de/blog/ein-bedenkenswerter-vorschlag-der-spd-zugunsten-eines-zweitverwertungsrechts-im-urheberrecht
 

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