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Eigentlich wollte ich heute, also gestern Abend nur nachschauen, ob die Forschung zu Dr. Konrad Humery schon zur Kenntnis genommen hat, dass er im Januar 1447 als Freischöffe agiert, was Mone in einem Aufsatz (ZGO 1856, S. 410) aus Unterlagen des Stadtarchivs Speyer mitteilte:

http://books.google.de/books?id=nYwVAAAAYAAJ&pg=PA410

Dann sah ich, dass die Bochumer Magisterarbeit von Arne Schumacher "Die Berliner Humery-Handschrift Ms. theol. lat. fol. 490" online ist:

http://staff.germanistik.rub.de/arne-schumacher/wp-content/uploads/M_A_-Arbeit_zu_PDF.pdf

[10.3.2013: Die Arbeit ist nicht mehr erreichbar. Herrn Schumacher hatte ich von diesem Beitrag unterrichtet, ohne Redaktion gegenüber mir. Ich habe das PDF abgespeichert, falls es jemand benötigt.]

Bl. 229r-279r ist eine von Jakob Schirl, der sich mit Datum 1467 als Besitzer des Codex nennt, abgeschriebene deutschsprachige Ständelehre, die von Schumacher ausführlich gewürdigt wird (S. 47-58). Mit dem Text hatten sich schon Otto Herding (AKG 1956) und Michael Mommert (Diss. 1965) beschäftigt und diesen Schirl zugeschrieben, der 1435 in Köln studiert hatte und 1477/87 Ratsherr in Köln war.

Nun kann man zwar der Forschung über den "Dornenkranz von Köln", einen Inkunabeldruck Koelhoffs aus dem Jahr 1490, nicht gut zum Vorwurf machen, die Humery-Forschung übersehen zu haben, wohl aber Herding, Mommert und Schumacher, dass sie die einschlägigen Kölner Quellen (samt Sekundärliteratur) ignoriert haben.

Mir war anhand der Charakteristik Schumachers, die dieser von dem Werk gibt, sehr rasch klar, dass es sich um den Dornenkranz handeln muss, und einige ausführliche Zitate, die Schumacher gibt, bestätigten den Befund. Die bildliche Darstellung des Dornenkranzes mit den Namen der Kölner Kirchen stimmt mit dem Inkunabeldruck überein.

Ich hatte ja hier 2009 auf das Darmstädter Digitalisat des Dornenkranzes aufmerksam gemacht:

http://archiv.twoday.net/stories/5919301/

Digitalisat:
http://tudigit.ulb.tu-darmstadt.de/show/inc-ii-674

Die 1466/67 zu datierende Berliner Handschrift Schirls überliefert also jene Ständelehre "doernen krantz van Collen", die 1490 gedruckt wurde und am Ende das Datum 1468 trägt, was man bisher auf die Abfassung der Abhandlung bezogen hat.

Es ist schon ausgesprochen erstaunlich, dass das bisher niemandem aufgefallen ist.

Da die Berliner Handschrift nicht online ist, muss man sich an die Angaben Schumachers halten. Die Verfasserschaft Schirls ist für mich keineswegs ausgemacht. Dass der Kaufmann ein solches gelehrtes Werk verfassen konnte, mag man bezweifeln. Schumacher übergeht Hinweise Roses 1901 auf lateinische Zusätze:

http://www.manuscripta-mediaevalia.de/hs/katalogseiten/HSK0704_b0338_jpg.htm

Intensiver hat sich leider niemand in der gedruckten Literatur mit dem Dornenkranz befasst, die Staatsarbeit von Dirk Venns (1997) dürfte nur beim Autor selbst erhältlich sein.

Schon Wolfgang Stammlers Verfasserlexikon-Artikel ist herzlich unergiebig und kurz (²VL 2, Sp. 211). Genannt werden nur bibliografische Arbeiten. Dazu zählt auch Schmitz 1990, S. 94
http://kups.ub.uni-koeln.de/volltexte/2004/1234/pdf/schmitz.pdf
ebenso wie Rautenberg, Überlieferung und Druck (1996), S. 18, 165. Dem Titelblatt widmete sich Gummlich-Wagner in Rautenbergs Titelblatt-Publikation im AGB 2008, S. 130ff.

http://books.google.de/books?id=mXWHxxaooS4C&pg=PA130

Etwas ausführlicher ging Beatrix Alexander, Der Kölner Bauer (1987), S. 15-19 auf den Text ein, für mich interessant aufgrund der Behandlung des Quaternionensystems und der Stadtpatrone-Problematik. 1998 befasste sich Robert Meier mit dem Werk kurz in seiner Studie zur "Agrippina" Heinrichs van Beek (Register S. 278). Vermutlich geht auch Militzers grundlegender Aufsatz in Colonia Romanica 1, 1986, den Schumacher nun wirklich nicht hätte übersehen dürfen, auf das Werk ein (die Kopien habe ich gerade nicht zur Hand). Schon 2009 hätte man nach "Collen eyn kroyn boven allen steden schoyn" googeln können.

[Robert Meier befasste sich auch in Geschichte in Köln 42 (1997), S. 37-39 mit dem Dornenkranz.]

Der GW nennt noch nicht einmal den VL-Artikel (was sich aber wohl bald ändern wird ...)
http://www.gesamtkatalogderwiegendrucke.de/docs/M16401.htm

Zur Berliner Handschrift
http://mrfh.de/10140
http://www.handschriftencensus.de/10855

[Freundlicherweise hat die SB Berlin den Codex digitalisiert (30.4.2013):
http://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB0000B35E00000000 ]

Zu Jakob Schirl außer Schumacher
http://mrfh.de/2300
und ein Aufsatz in GiK, siehe den Schnipsel
https://www.google.de/search?tbm=bks&q=%22gleichnamigen+Sohn+auf+die+K%C3%B6lner+Universit%C3%A4t.+...+*%22
[= Tewes, Studentenburse GiK 20, 1986, S. 52, vermutlich auch in dessen Bursen 1993. Namensform Schirll, unter dieser mehr bei Google Books.

Bei Tewes, Bursen finde ich nichts zu Schirll.]

Nun will ich keinen anderen Autor vorschnell aus dem Hut zaubern, aber wenn es um den Stände-Diskurs um 1470 in Köln geht, sollte jedem Kundigen ein Name einfallen: Werner Rolevinck schrieb, siehe ²VL 8, 155, De optimo genere gubernandi rem publicam (Berlin theol. lat. oct. 171), De origine nobilitatis (Köln ca. 1472) und De regimine rusticorum (Köln ca. 1472). Auch wenn die Volkssprache gegen Rolevinck spricht, sollte man seine Positionen mit dem Dornenkranz-Text vergleichen.

Dadurch dass Schumacher seine Magisterarbeit ins Netz gestellt hat und dadurch dass die Darmstädter Bibliothek ihr Inkunabelexemplar online verfügbar gemacht hat, konnte ein geradezu sensationeller Erkenntnisfortschritt erzielt werden. Bleibt zu hoffen, dass sich endlich mal ein paar Leute an den Text setzen und etwas Gründliches über ihn schreiben. Und dass möglichst bald die Berliner Handschrift im Netz ist.

#forschung



Eva büthe-Scheider (Gast) meinte am 2013/12/09 07:42:
Sehr geehrter Herr Graf,

ich danke Ihnen außerordentlich für den Hinweis in diesem blog, der für mich sehr nützlich ist, da ich einen Teil des Dornenkranz-Textes in meiner Dissertation auswerte und bei der Frage der Quellen und Vorlagen bislang noch etwas im Dunkeln tappte. Ich habe einen Teil beider Texte verglichen. An der von Ihnen hier vertretenen Auffassung kann in der Tat kein Zweifel bestehen! Wären Sie so freundlich und würden mir die gespeicherte Magisterarbeit von Herrn Schumacher zur Verfügung stellen?

Mit freundlichem Gruß
Eva Büthe-Scheider 
KlausGraf antwortete am 2013/12/09 17:29:
Kann ich gern tun
Schicken Sie mir bitte eine Mail. klausgraf an dieser Stelle das @ einfügen googlemail punkt com. 
Eva Büthe-Scheider (Gast) antwortete am 2013/12/13 09:05:
Sehr geehrter Herr Graf,

Herr Schumacher hatte sich zwischenzeitlich selbst an mich gewendet, so dass sich meine Anfrage dadurch erledigt hat. Nochmals vielen Dank für Ihren Beitrag! Ich habe mich nun an die Untersuchung des Verhältnisses beider Texte begeben.

Mit freundlichen Grüßen
Eva Büthe-Scheider 
 

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