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Den Schluss dieses Buchs, einer an der Universität Bielefeld abgeschlossenen Dissertation, sollte man wohl zuerst lesen. Denn dort, ab Seite 291, erhält man eine Orientierung über die Inhalte und die Struktur der Darstellung, die bis dahin immer etwas im Ungefähren bleiben. Allein schon die Frage: Worum geht es?, ist mit Blick auf dieses Buch nicht einfach zu beantworten. Die Nebelschleier lichten sich zum Teil erst nach Dutzenden von Seiten, um sich dann in einem neuen Argumentationsschritt mitunter wieder herabzusenken. Das Buch macht es dem Leser nicht gerade einfach.

Die dreigeteilte Gliederung bietet noch den besten Ansatzpunkt zur Orientierung; zudem kann man sich auch an den beiden zentralen Figuren festhalten: dem Archivar und Archivwissenschaftler Heinrich Otto Meisner sowie dem Privatgelehrten Karl Hauck. Aber dies sind Orientierungsmarken, die erst im Verlauf der Lektüre als solche deutlich werden. Der erste Teil widmet sich den Praktiken der Archivverwaltung, wobei vor allem die Etablierung des Provenienzprinzips und die Versuche zur Normierung einer Archivberufssprache im Mittelpunkt stehen. In diesem Kontext spielt Meisner die Hauptrolle. Der zweite Teil setzt ganz neu an: Es geht um die Archivaliendiebstähle, die Karl Hauck in verschiedenen deutschen und österreichischen Archiven bis 1924 in großem Stil verübte. Auch hier taucht Meisner wieder auf, allerdings eher in einer Nebenrolle. Die Versuche, Hauck des Diebstahls zu überführen, werden mitsamt den polizeilichen Ermittlungen, den psychologischen Einschätzungen und dem Gerichtsverfahren sehr detailliert geschildert. Der dritte Teil schlägt erneut einen Haken: Nun werden die geschichtstheoretischen Konsequenzen aus den ersten beiden Teilen gezogen, und die Bedeutung des Archivs für die historiographische Praxis wird diskutiert. Ins Zentrum rückt dabei einerseits Magnus Hirschfeld, der bei seinen Untersuchungen zur Sexualpathologie auch den Archivaliendieb Hauck als Fallbeispiel heranzog. Andererseits richtet sich der Blick auf die Klassiker Ranke und Michelet und ihre Umgangsweisen mit dem Archiv.

Der Begriff „Archivkörper“ gibt dem Buch nicht nur den Titel, sondern bringt auch die inhaltliche Hauptaussage auf den Punkt, nämlich ein „Gefüge aus Worten, Dingen und Einbildungskraft“ zu bezeichnen, in dem sich „das Denken deutscher Archivare“ für einen bestimmten Zeitraum gebündelt habe. Zugleich zeige sich in diesem Begriff „etwas vom Denken der Geschichte und der historischen Einbildungskraft des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts“ (S. 17). Aber ganz gleich, von welcher Seite man dieses Buch zu packen versucht – vom Aufbau oder von zentralen Begrifflichkeiten her –, es scheint einem immer wieder zu entgleiten. So wirkt der Terminus „Archivkörper“ als organisierendes Signalwort nicht ganz passend, weil sein Gehalt immer wieder mit umschreibenden Formulierungen angedeutet wird und er im Buch auch wiederholt zum Einsatz kommt, ohne dass daraus jedoch die analytischen Gewinne deutlich werden.

Trotz mancher interessanter Einsichten und Ergebnisse im Detail lässt einen die Studie daher unzufrieden zurück.


Ganzer Text:
Achim Landwehr: Rezension zu: Wimmer, Mario: Archivkörper. Eine Geschichte historischer Einbildungskraft. Konstanz 2012, in: H-Soz-u-Kult, 10.01.2013, http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensionen/2013-1-022
 

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