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Am 11. Mai 2012 richtete ich eine Anfrage zu dem Torgauer Turnier, von dem Vulpius berichtet

http://archiv.twoday.net/stories/96986323/

an das Hauptstaatsarchiv Weimar. Erst jetzt bekam ich von Frau Blaha eine Antwort.

Die von Vulpius in den „Curiositäten …, Bd. 8“ geschilderten Ereignisse bei einem Turnier in Torgau
am 16. November 1540 können quellenmäßig belegt werden (ThHStA Weimar, Ernestinisches
Gesamtarchiv, Reg. D 129). Es handelt sich um ein Doppelblatt mit der zeitgenössischen Aufschrift
Turnir Zetel a[nn]o 1536. „1536“ ist allerdings später mit Bleistift gestrichen worden. Das Dokument
beginnt Vortzaichnus des turners, von anderer Hand ist später zugesetzt worden zu Torgau Dinstags nach
Martini 1540. Der Schrift nach passt dieser Zusatz nicht ins 16. Jahrhundert. Verzeichnet wurde das
Dokument erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die Schrift der Verzeichnung und die des Datierungszusatzes in der Überschrift stimmen nicht überein.

Im Großen und Ganzen folgt Vulpius der Darstellung auf dem Zettel, allerdings ist nie von einem
Ritter vom goldenen Rade, sondern immer nur von einem ritter vom Rade die Rede. Der unter 10.
aufgeführte Kontrahent heißt Rabitz, ein Vorname ist nicht genannt (Vulpius: „Christoph von
Racknitz“). Vornamen fehlen im Dokument auch für Nr. 3 (Konritz) und Nr. 4 (im Dokument Gruner;
Vulpius: „Albrecht von der Grün“). Zudem ist Nr. 4 von Vulpius sehr ausgeschmückt. Das Original
lautet: Ritter vom Rade und Gruner haben mit den spiessen zusammen gerant und gefelet, aber sich mit den schwert[ern]
wol geschlag[en] und darvon abgetzog[en], also kein Wort von „Gaulen (Rossen)“. Sollte sich Vulpius
verlesen haben (Spiessen – Rossen)?

Der Bräutigam Christoph von Harstall war 1540 Amtmann auf der Wartburg und verheiratet mit
Barbara von Schönberg. Dass Christoph von Harstall als Bräutigam gekennzeichnet und unter 10 ein
Christoph von Schönberg Kontrahent des Ritters vom Rade ist, lässt die Vermutung zu, dass es sich
um ein Turnier zur Hochzeit des Christoph Harstall mit Barbara Schönberg handelte. Ihr Bruder,
Heinrich von Schönberg, war Hofmarschall am Hofe Johann Friedrichs des Großmütigen von Sachsen
(1540-1547).

Aus unserer Sicht handelt es sich bei dem vorliegenden Dokument um keine Fälschung, aber das
Datum wurde eindeutig manipuliert. Um die Datierungsfrage eindeutig zu klären, müssten die
Amtsrechnungen von Torgau sowie die kurfürstlichen Schatull- und Kammerrechnungen, Küchbücher
und Lagerbücher des kurfürstlichen Hofes (ThHStA Weimar, Ernestinisches Gesamtarchiv, Reg. Bb)
mindestens für die Jahre 1536 und 1540 auf entsprechende Anhaltspunkte durchgesehen werden. Führt
das nicht zum Ziel, ist ein weiterer Anhaltspunkt der Aufenthalt des Herzogs Moritz von Sachsen, des
Herzogs Johann Ernst von Sachsen sowie des Grafen Christoph von Mansfeld in Torgau. Dazu sind
neben dem Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar die Staatsarchive des Freistaates Sachsen und des
Landes Sachsen-Anhalt zu konsultieren. Letztlich kann auch der Vermutung nachgegangen werden,
dass es sich um ein Turnier anlässlich der Hochzeit des Christoph von Harstall mit Barbara von
Schönberg handelt, um mit dem Hochzeitsdatum das korrekte Datum für das stattgefundene Turnier
zu erhalten.


Auch wenn keine komplette Fälschung vorliegt (wie bei anderen Vulpius-Texten nachweisbar), so warnen doch die festgestellten Ausschmückungen davor, Vulpius' Texte als authentische Wiedergaben seiner Vorlagen anzusehen.

Das Stadtarchiv Torgau meldete am 11. Mai 2012: "das Stadtarchiv Torgau ist derzeit aus Krankheitsgründen geschlossen. Der Dienstbetrieb ist deshalb nur eingeschränkt möglich. Wir bitten um Verständnis, dass die Bearbeitung Ihrer Anfragen leider nur mit zeitlicher Verzögerung erfolgen kann." Bis heute gab es keine Antwort.

#forschung
 

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