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Kurzreferat auf dem Essener Archivtag am 28.9.2006

"11.30-12.30 Uhr Open access: Freier Zugang zu Kulturgut in Archiv, Bibliothek und Museum
Leitung: Franz-Josef Gasterich (Frankfurt a.M.) mit Kurzreferaten von Dr. Klaus Graf (Aachen), Dr. Harald Müller (Heidelberg), Thilo Martini M.A. (Pulheim)".

Definition:

Open Access meint den
*dauerhaften
*kostenfreien
*sowie von urheber- und lizenzrechtlichen Beschränkungen freien Zugang zu

*wissenschaftlicher Fachliteratur
*wissenschaftlich relevanten Daten und zu
*Kulturgut in Bibliotheken, Archiven und Museen

* via Internet.

Ich konzentriere mich im folgenden ganz auf archivische Belange.

(Siehe dazu auch meinen Beitrag vom Februar 2004: Open Access für Archivalien http://archiv.twoday.net/stories/145113/ )

Dauerhaft bezieht sich auf die wünschenswerte Langzeitarchivierung der elektronischen Daten. Das sollte für uns Archivare kein Problem sein.

Kostenfrei im Internet: Der Gegensatz von Open Access ist der kostenpflichtige Zugang zu Findmitteln oder Archivgut, sei es auf der Basis individueller Gebühren, sei es durch institutionelle Subskription. So ist die weltweit umfassendste Findmitteldatenbank im World Wide Web, der ArchivesGrid der Research Libraries Group nur für zahlende Institutionen und Einzelpersonen - diese zahlen knapp 15 Dollar im Monat - zugänglich.

http://archivegrid.org/

Kostenfrei ist jedoch nur die eine Seite der Medaille, das wird oft unterschlagen. Die "Berliner Erklärung für Open Access" sieht ausdrücklich vor, dass eine freie Verbreitung erfolgen darf, die es etwa erlaubt, ohne Zustimmung des Urhebers seinen Beitrag auf fremden Servern zu spiegeln oder in eine andere Sprache zu übersetzen. Der Philosoph Peter Suber, einer der führenden Köpfe der Open Access Bewegung in den USA , spricht von der Beseitigung der "permission barriers".

Um auszudrücken, dass ein Dokument frei von "permission barriers" genutzt werden kann, sind sogenannte "Creative Commons Lizenzen" das beste Mittel.

http://creativecommons.org

Oft begegnet man der Annahme, dass die kommerzielle Nutzung der Open-Access-Dokumente ausgeschlossen werden darf, aber diese Ansicht hat keinerlei Stütze im Wortlaut der Berliner Erklärung.

Hinsichtlich der kostenfrei im Internet verfügbaren Fachliteratur sind andere Länder bei der Nutzung der spezifischen Open Access-Infrastruktur, der sogenannten Repositorien oder Archive weiter. In dem Repositorium "E-LIS - E-Prints in Library and Information Science" gibt es in der Gruppe Archives 55 Dokumente, meist wissenschaftliche Artikel auf Spanisch, von denen sich die meisten tatsächlich auf archivfachliche Fragen beziehen.

http://eprints.rclis.org/view/subjects/DL.html

Wir brauchen natürlich auch ein deutschsprachiges Repositorium für archivische Fachbeiträge, das die Langzeitarchivierung und die Kompatibilität mit dem sogenanten OAI-Standard garantiert. OAI steht für: Open Archives Initiative und bedeutet ein offenes Austauschformat. Vielleicht könnte man diesen archivfachlichen Dokumentenserver an der Archivschule Marburg ansiedeln.

Nun aber zu meinem Hauptpunkt. Die Berliner Erklärung von 2003 hat auf Betreiben des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte das Open Access-Prinzip auch für Kulturgut gefordert.

Nun kann man sicher bei vielen Archivaren Verständnis dafür wecken, dass archivische Fachliteratur bequem und kostenfrei im Internet greifbar sein soll (unsere Fachzeitschrift "Der Archivar" ist das ja bereits), und konsensfähig ist sicher auch die kostenfreie Bereitstellung von Findmitteln. Kontroverser ist da schon die Frage, in welchem Umfang und welcher Bildauflösung digitalisiertes Archivgut kostenfrei ins Internet gehört. Und nur wenige teilen meinen dezidierten Standpunkt, dass die Beseitigung von permission barriers essentiell für Open Access ist, die übliche Bildrechte-Abzocke auf dubioser rechtlicher Grundlage also ein Ende haben sollte.

Siehe nur:
http://archiv.twoday.net/stories/2102658/
http://archiv.twoday.net/stories/2518568/ mit weiteren Hinweisen

Open Access und freie Inhalte stehen auf der einen Seite, der fiskalisch motivierte Wunsch, die Kontrolle über die Bildrechte nicht aufzugeben, auf der anderen Seite.

"Open Access" ist ein heisses Thema bei forschungsfördernden Organisationen. So unterstützt die DFG Open Access ausdrücklich. Es ist also nicht ganz unrealistisch anzunehmen, dass bei drittmittelfinanzierten Archivprojekten die Geldgeber einen Open Access-Begriff zugrundelegen, der die Beseitigung von "permission barriers" und die Bereitstellung freier Inhalte, soweit diese nicht urheberrechtlich geschützt sind, vorsieht. Dies kollidiert natürlich mit dem umfassenden Kontrollanspruch der Archive in Sachen Bildrechte.

Archivrechtlich gibt es für diesen Kontrollanspruch keine Grundlage. Der Bundesgesetzgeber hat sich für eine Befristung des Schutzes des geistigen Eigentums entschieden, im Urheberrecht sind das 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Es ist den Bundesländern verwehrt, aus fiskalischen oder anderen Interessen ein urheberrechtsähnliches Immaterialgüterrecht zu schaffen, das den Gedanken der "Public Domain", des nach Schutzfristablauf nutzbaren Allgemeinguts, aushöhlt. Der Gesetzgeber hat alle wesentlichen Entscheidungen zu treffen, und er hat dies auch getan, indem er die Nutzung von Archivgut in den Archivgesetzen abschließend geregelt hat. Die Frage der Bildrechte wird in keinem Archivgesetz ausdrücklich angesprochen. Insbesondere das Grundrecht der Forschungsfreiheit steht einer von vielen aus fiskalischen Motiven gewünschten Überwachung der Nutzung von gemeinfreiem Archivgut durch Reproduktionen entgegen.

Es ist auch nicht einzusehen, wieso ein Wissenschaftler zwar eine Kaiserurkunde aus dem Mittelalter ohne Zustimmung des Archivs edieren darf, aber für die Bereitstellung eines Digitalisats, also einer Faksimileabbildung die Genehmigung des Archivs braucht. Beides unterfällt dem immaterialgüterrechtlichen Begriff der Vervielfältigung.

Ist "Open Access" mit dem geltenden Haushaltsrecht vereinbar?

Meine Antwort ist ein klares Ja. Wenn die Rechnungshöfe einer bedingungslosen Ökonomisierung und einem Drehen an der Gebührenschraube das Wort reden, so wird dies der spezifischen Interessenlage der Archive und der Bürger nicht gerecht.

Wir sollten eigentlich wissen, dass freier Eintritt in Museen und gebührenfreie Nutzung von Bibliotheken für den Bildungstandort Deutschland wichtig ist. Mit der Ablehnung freier Inhalte durch die Archive und dem Insistieren auf Reproduktionsgebühren auch bei gemeinfreien Unterlagen verprellen die Archive zunehmend die Forschung und sie verärgern eine wachsende Zahl an freien Inhalten interessierter Bürger (Stichwort: Wikipedia). Übermäßig viel nimmt das durchschnittliche Archiv mit den Bildrechten auch nicht ein. Eine wirkliche Refinanzierung der Archivkosten ist illusorisch.

Es ist auch im Bereich der kulturgutverwahrenden Institutionen sinnvoll, die Debatte um freie Daten des öffentlichen Sektors zu verfolgen, auch wenn die EU-Richtlinie über die Weiterverwendung der Daten des öffentlichen Sektors und das sie umsetzende, in Vorbereitung befindliche Informationsweiterverwendungsgesetz unsere Institutionen ausklammern.

http://archiv.twoday.net/stories/1790084/

Bereitstellung von gemeinfreiem Archivgut im Internet als "Open Access", also frei nutzbar, ist legitimer Teil der archivischen Öffentlichkeitsarbeit. Da sollte uns kein Rechnungshof und kein Stadtkämmerer hineinreden.

Gemeinfreies, also urheberrechtlich nicht mehr geschütztes Archivgut ist Kulturgut, und Kulturgut ist immer kulturelles Allgemeingut, das unbeschränkt allgemeinzugänglich sein muss - auch in Form von digitalen Reproduktionen im Internet. Es gehört - mit einem agrargeschichtlichen Vergleich - zur Allmende, nicht zum Herrschaftsland. Archive, Bibliotheken und Museen haben nicht die Befugnis, sich nach Gutsherrenmanier diese Allmende unter den Nagel zu reissen und ein finanzielles Verwertungsmonopol zu behaupten, gleichsam bildrechtliche "Archiv-Frondienste".

Archivgut gehört eigentumsrechtlich dem Archivträger, gemeinfreies Archivgut hinsichtlich seines geistigen Gehalts den Bürgerinnen und Bürgern, es gehört Jedermann. "Open Access" ist der beste Weg, damit ernst zu machen.
 

twoday.net AGB

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