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Neue Informationen bringt der Artikel von Rüdiger Soldt vom 27.9., S. 37:

Im Streit über den Verkauf von Handschriften der Badischen Landesbibliothek lautet die juristische Frage: Wer ist Eigentümer der Handschriften - das Land oder das markgräfliche Herrscherhaus Baden? Der angesehene Anwalt Hachenburg war schon 1919 an dieser Frage verzweifelt. [...]

Vor drei Jahren hat ein Gutachten des Bonner Völkerrechtlers Rudolf Dolzer dem Haus Baden Hoffnung gemacht, die Eigentumsfrage zu seinen Gunsten gerichtlich klären zu lassen. Ein Gutachten des Freiburger Rechtswissenschaftlers Thomas Würtenberger und des früheren Landgerichtspräsidenten Peter Wax malt nun das Prozeßrisiko aus und rät der Landesregierung zum Vergleich. Was den Inhalt des Gutachtens angeht, ist man allerdings auf die Angaben des Auftraggebers angewiesen. Die Landesregierung lehnt eine Veröffentlichung ab und verweist darauf, man wolle der Gegenseite, dem Haus Baden, keine nützlichen Hinweise geben.

Allerdings hat die Öffentlichkeit ein eigenes Interesse daran, sich ein Urteil über einen Sachverhalt zu bilden, der den Anschein eines anrüchigen Gegengeschäfts weckt: Warum soll der Staat einer Familie beim Erhalt einer Schloß-Immobilie unter die Arme greifen, wenn diese Familie im Gegenzug der Öffentlichkeit einen Schatz entzieht, der jahrzehntelang aus öffentlichen Mitteln konserviert und erschlossen worden ist? Die Opposition wirft der Regierung vor, in die "Falle der Familie" gegangen zu sein. "Die Frage, wem was gehört, ist bisher nie endgültig geklärt worden", sagt der finanzpolitische Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Nils Schmid. Bis die Besitzverhältnisse geklärt seien, solle das Land "ruhig Blut bewahren".

Die Eigentumsfrage stellt sich seit Beginn des neunzehnten Jahrhunderts, seit der zaghaften Herausbildung säkularer Verfassungsstaaten. Es begann damit, daß nach der Säkularisation Handschriften aus den Klöstern in die Sammlungen integriert wurden, die einige Jahre zuvor von der markgräflichen Familie eingerichtet worden waren. In der Staatsrechtslehre begann man, zwischen dem Eigentum eines Herrscherhauses und dem des Staates zu unterscheiden: Was ist privat, was dient der staatlichen Repräsentation? Die Markgrafen sahen im materiellen Gewinn aus der Säkularisation der Klöster auch eine Entschädigung für linksrheinische Gebietsverluste und betrachteten die Handschriften als ihr Eigentum. In der damals wohl fortschrittlichsten deutschen Verfassung von 1818 gibt es einen Artikel 59, der das Domäneneigentum, zu dem die Sammlungen gezählt wurden, zum Privateigentum der Markgrafen erklärte.

Das badische Landrecht sah die Möglichkeit vor, "Eigentum zu ersitzen". Das heißt: 1803 nicht erworbene Handschriften könnten durch das "Ersitzen" in den darauffolgenden dreißig Jahren Eigentum des Hauses Baden geworden sein. 1872 übereignete der badische Markgraf Friedrich I. seine Kunstsammlung in die Obhut des Staates, doch entschieden war damit nichts; denn die Eigentumsrechte behielt er. An den badischen Innenminister schrieb er damals, "ein Wechsel des Eigentums" sei "nicht angezeigt".

1918 dankte der Großherzog ab und schloß mit dem Land Baden einen Vertrag, dessen Regelungen aus Sicht der Rechtsgutachter widersprüchlich sind. Bis 1924 stritten sich das Herrscherhaus und das Land über die Zuständigkeit für die Sammlungen. Erst das Testament Friedrichs II. von 1927 schien Klarheit zu schaffen: Er vererbte die Sammlungen nicht dem Markgrafen Berthold, sondern seiner Ehefrau Hilda, der er vorschrieb, die Kunstschätze nach ihrem Tod in die "Zähringer Stiftung" einzubringen. Der Großherzog starb 1928, seine Frau lebte bis 1952, zwei Jahre später wurde die Stiftung gegründet. Damit könnte die Eigentumsfrage geklärt sein, das Problem ist nur: Es gibt kein Übergabeprotokoll der Sammlung an die Stiftung. "Was 1919 Eigentum des Großherzogs war, ist das Eigentum seiner Erben geblieben", heißt es im Finanzministerium. Die Gutachter des Landes sind der Auffassung, daß die Übergabe der Sammlungen und Kunstgegenstände in die "Zähringer Stiftung" nicht den gesetzlichen Erfordernissen entsprach. Zudem sei es auch tatsächlich "heute nicht mehr möglich, die Erwerbsgeschichte jedes einzelnen Gegenstandes zu rekonstruieren", argumentieren die Gutachter.

4200 Handschriften werden in der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe aufbewahrt, 3600 hiervon waren 1919 in Besitz des Hauses Baden. Von einer "Zerschlagung der Sammlung" will die Landesregierung nicht sprechen, da man nur etwa 70 von 3600 Handschriften veräußern will. [...]


Kommentar: Das Eigentum am Domäneneigentum wurde 1919 durch das von mir hier besprochene Gesetz http://archiv.twoday.net/stories/2708484/ abschließend geregelt. Wenn die Handschriften zum Domäneneigentum zählten (und nicht zum Hausfideikommiss oder zum Privateigentum) sind sie 1919 qua Gesetz Staatseigentum geworden.
 

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