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In der Stuttgarter Zeitung vom 7.10. kommentiert Tim Schleider das 3-Saeulen-Modell:

Nicht, dass damit alle Probleme gelöst wären. Da wird es zweifellos noch ein Hauen und Stechen geben, wenn es um die jeweiligen Anteile besagter Säulen geht. Aber zumindest handelt es sich um eine diskutable Vorlage. Umso fassungsloser fragt man sich, wie es eigentlich zu der kulturpolitischen Geisterbahnfahrt der vergangenen zwei Wochen in Baden-Württemberg kommen konnte. Wie es überhaupt möglich war, dass ein Ministerpräsident und mindestens zwei seiner Fachminister (darunter der Kunstminister) glaubten, es sei die geradezu wundersame Lösung drückender Probleme, wenn man einen historisch gewachsenen Bibliotheksbestand, der just in seiner Geschlossenheit ein kostbarer Teil des historischen Erbes und Gedächtnisses unserer Region im Herzen Europas ist, mutwillig zerpflückt und zur Versteigerung freigibt? War da denn wirklich niemand, der in den entsprechenden Sitzungen und Beratungen versucht hätte, dieses Debakel zu verhindern?

Es ist keineswegs nur die Idee an sich, die viele so bestürzt hat. Es war vor allem die Art und Weise, wie sie verkauft werden sollte. Während Oettinger sich vor einem Jahr beim Kulturkongress in Karlsruhe noch als ernsthaft interessierter Gesprächspartner der Künstler und Wissenschaftler gerierte, ließ er in den vergangenen Tagen in Sachen Kultur wieder ganz den knallhart-kühlen Rechner und Betriebswirt heraus hängen. Was zu den wahren Schätzen eines Landes gehört, so seine Botschaft, das verhandeln die kundigen Leser der Wirtschaftsseiten unter sich; das Gejammer der Kulturseitenfritzen störe dabei gar nicht weiter.

Nun, als Kulturseitenfritze muss man vorerst feststellen, erstens: niemand in der politischen Spitzenriege dieses Landes war sich offenbar der kulturhistorischen Bedeutung besagter Handschriftenbestände bewusst. Das ist grob fahrlässig. Zweitens: niemand in besagter Spitzenriege konnte offenbar realistisch einschätzen, welch völlig zu Recht verheerendes Echo ihr Verkaufsprojekt in der Fachwelt, aber auch in breiten Schichten der Bevölkerung haben würde. Das ist dumm. Schließlich: der Streit in Baden-Württemberg markiert eine erschreckende Distanz der politischen Führung zur Kultur, ein bestürzendes Desinteresse an ihr. Das ist wichtig zu wissen.


In einem weiteren Artikel liest man:

Der Rechtsgelehrte Mußgnug hält die Befürchtung der Landesregierung für übertrieben, das Adelshaus könne über eine Herausgabeklage das gesamte Kulturgut gerichtlich zugesprochen bekommen. Ganz im Gegenteil befinde sich das Land juristisch in einer komfortablen Position. Die Beweislast liege beim Kläger. Selbst wenn es zutreffe, dass die Verhältnisse des Eigentums an den Handschriften, Inkunabeln, Waffen und Gemälden strittig seien, müsse die Markgrafenfamilie ihren Besitzanspruch beweisen. "Das Land sitzt prozessual auf dem höheren Ross."

Nach Ansicht des Professors hat sich die Regierung von den Rechtsberatern des Adelshauses in Bockshorn jagen lassen. Maßgeblich für die Bewertung der Besitzansprüche sei nicht das Bürgerliche Gesetzbuch, sondern das Verfassungsrecht. "Es spielt das Staatsrecht des 19. Jahrhunderts mit, aber das muss man halt kennen", erklärte er. Demnach gehörten die Kulturgüter zum Patrimonialeigentum der Großherzöge von Baden. Dieses Patrimonialeigentum sei nicht mit Privateigentum gleichzusetzen, sondern an die Landeshoheit gebunden. Es diene dazu, die Landesherrschaft auszuüben. Mit dem Regentschaftsverzicht gelangte der Patrimonialbesitz an die Republik.

Allerdings anerkennt auch Mußgnug, dass bei einigen Kunst- und Kulturschätzen die Rechtslage "nicht ganz klar" sei. Dies gelte für die so genannte Türkenbeute, die im Karlsruher Schloss zu sehen ist, außerdem für Meister der Malerei wie Hans Baldung Grien. Doch diese Kostbarkeiten könnten als nationales Kulturgut zumindest vor dem Verkauf ins Ausland bewahrt werden. Andererseits seien aber nur im Ausland die erhofften Preise zu erzielen. Mußgnug widersprach auch der Auffassung, es sei allein Sache des Stuttgarter Kabinetts, die Aufnahme der Kunstwerke in die Schutzliste zu beantragen. "Wenn es sich um nationales Kulturgut handelt, dann liegt das nicht im Ermessen der Landesregierung."

Die SPD-Chefin Ute Vogt verlangt nun, weitere Verhandlungen mit dem Haus Baden zu stoppen. Genau dies lehnte Regierungschef Oettinger in dem Krisengespräch am Mittwochabend im Staatsministerium aber ab. Der SPD-Finanzexperte Nils Schmid hält insbesondere Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (CDU) vor, er habe öffentlich die "Rechtsposition des Landes schlechtgeredet". Der Minister kontert in einer Pressemitteilung mit dem Vorwurf, die SPD drücke sich um die Frage, was für den Erhalt von Schloss Salem getan werden könne. Salem sei "unbestritten eines der höchstrangigen Kulturgüter im badischen Landesteil". Für die Landesregierung komme weder in Frage, das Schloss verfallen zu lassen, noch den Landeshaushalt zu belasten.

Finanzminister Gerhard Stratthaus (CDU) warnte erneut vor einem Prozess, der bei hohem Zeitaufwand und unverhältnismäßigen Kosten nicht zu einer befriedigenden Lösung führe.


Im Deutschlandradio schloss Minister Frankenberg Kunstverkaeufe nicht aus:

http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/fazit/550684/

Im Streit um den Verkauf wertvoller Handschriften aus der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe geht der baden-württembergische Wissenschaftsminister Peter Frankenberg davon aus, dass auch landeseigene Kunst veräußert werden muss.

Der CDU-Politiker sagte: "Es kann nicht den absoluten und unabdingbaren Grundsatz geben, dass überhaupt nichts an Kunst, das jemals beschafft worden ist, abgegeben werden dürfte." Als Beispiel nannte er angekaufte Kunstwerke, die "nicht mehr in eine Sammlung" passten "oder vielleicht auch noch nie richtig hineingepasst" hätten.

Außerdem verwies der Minister auf die besondere Situation, in der sich das Land befinde. Ein Verkauf von Kunstgegenständen diene nicht dazu, den Landeshaushalt zu sanieren, sondern es gehe darum, einen Vergleich mit dem markgräflichen Haus Baden zu erzielen und dadurch Rechtssicherheit zu gewinnen. Frankenberg betonte, eventuelle Veräußerungen sollten sich nicht allein auf die baden-württembergische Landesbibliothek konzentrieren, "so dass auch nicht die Gefahr besteht, dass die wertvollen Handschriften der Landesbibliothek verkauft werden oder dass Bestände zerschlagen werden, so dass die wissenschaftliche Nutzung nicht mehr gewährleistet ist".
 

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