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Rafael Ball, Leiter der Bibliothek des Forschungszentrums Jülich, ist der dezidierteste Open-Access-Feind in der Reihe der deutschen Bibliothekare. Sein Artikel in B.I.T Online 2/2006 wird derzeit in

http://atakan.blogg.de/eintrag.php?id=185

diskutiert.

Ball: "Wir müssen davon ausgehen, dass für den Wissenschaftler Open Access nichts als ein Nebenkriegsschauplatz ist."

Man kann auch die These vertreten, dass wissenschaftliches Publizieren für "den" Wissenschaftler ein Nebenkriegsschauplatz ist. Es gibt genügend Wissenschaftler, die kaum publizieren (nicht nur in der Wirtschaft Tätige).

Soweit Publizieren Wissenschaftler tangiert, ist bislang nur eine kleine Minderheit über Open Access unterrichtet. Gleichwohl gibt es weltweit zehntausende Wissenschaftler (und die Zahl nimmt ständig zu), die sich für OA einsetzen.

Für forschungsfördernde Organisationen wie die DFG ist OA alles andere als ein Nebenkriegsschauplatz.

Es geht Wissenschaftlern - entgegen Ball - auch nicht um einen womöglich ideologischen Kampf um Autorenrechte. Wenn sie ihre Ergebnisse einem möglichst großen Fachpublikum kostenfrei im WWW zur Verfügung stellen wollen, brauchen sie die rechtliche Möglichkeit, dies bei gedruckten oder elektronisch verbreiteten Zeitschriftenartikeln zu tun. Die Frage der Autorenrechte ergibt sich aus dem Wunsch nach OA und nicht umgekehrt.

Ball: "Es existiert ein funktionierendes System der Wissensstrukturierung und der Wissensverbreitung und jeder IT-Spezialist würde uns zurufen: "Never change a running system"!"

Das ist Unsinn, denn nur aus der Perspektive einer höchst privilegierten spezialisierten Forschungseinrichtung kann behauptet werden, dass die Wissensexplosion im wissenschaftlichen Bereich nicht zu gravierenden Krisenerscheinungen geführt hat. Das System funktioniert immer schlechter: Auch im Bereich der geisteswissenschaftlichen Monographien wird es immer schwieriger Bücher zu finanzieren, Sammelbände bleiben lange ungedruckt, weil die Haushaltskrise der öffentlichen Hand zu Subventionskürzungen führt und man erst einmal - womöglich jahrelang - Gelder zusammenbetteln muss. Dies führt zu bedenklichen Publikationsverzögerungen: manche Artikel sind bereits veraltet, wenn sie erscheinen.

Wissenschaftliche Publikationen sind schlicht zu teuer. Wenn ein freiberuflicher Wissenschaftsjournalist einen Artikel über naturwissenschaftlich-technische Verfahren bei der Analyse mittelalterlicher Handschriften schreiben will, bekommt er dafür vielleicht 250 Euro von einer Zeitung. Er muss aber 10-20 Zeitschriftenbeiträge lesen, die Pay-per-View sicher über 250 Euro kosten. Nicht jede Universitätsbibliothek bietet ihm die Möglichkeit, diese vor Ort einzusehen (höchst bescheiden ist z.B. das E-Journal-Angebot der Bibliothek der RWTH Aachen, notabene einer technischen Universität). Fernleihe dauert lange, SUBITO wird von Verlegerseite rechtlich angegriffen (und die Kosten von über 100 Euro reduzieren das Einkommen.)

Die von Ball'sche These 4 "Open Access ermöglicht den Zugriff auf Informationen auch für jene, die sich kostenpflichtigen Content nicht leisten können" betrifft also entgegen seiner Darstellung nicht nur Dritteweltländer.

Ball: "Ein sozialistisches Einheitsmodell ist die Golden Road von Open Access ohnehin: Staatliche Mittel werden für eine Eigenproduktion ausgegeben, das ein Profitunternehmen viel besser und kostengünstiger herstellen kann. Die Oberaufsicht über die Publikationsserver der Golden Road-Zeitschriften liegt in der öffentlichen Hand und wird von Bürokraten verwaltet und zentralistisch strukturiert. Die Golden Road Server sind "Volkseigene Open Access-Betriebe" und agieren nicht auf dem Markt."

Das ist offenkundig ideologische Polemik. Geistiges Eigentum ist Monopol-Eigentum, bei dem es keinen Wettbewerb gibt. Wer darauf angewiesen ist, einen bestimmten Artikel einzusehen, muss entweder die Monopolpreise zahlen oder sich ihn über Bibliotheken oder persönliche Kontakte (wie hoch der Prozentsatz derjenigen Wissenschaftler ist, die auf nette Bitten um eine Kopie überhaupt nicht reagieren, weiss niemand) besorgen.

WENN die Profitunternehmen kostengünstiger produzieren können, haben sie doch kein Interesse daran, die Preisreduzierungen an die Kunden weiterzugeben. Inzwischen ist es Standard, dass der wissenschaftliche Autor (oder seine Sekretärin) die Funktion des früheren Setzers übernehmen - aber die Rationalisierung hat nicht dazu geführt, dass wissenschaftliche Bücher billiger wurden.

Worin unterscheidet sich ein kommerzieller Server von einer DSpace-Installation? Wieso sollten Bibliotheksserver automatisch ineffizienter sein?

Ball: "Eine Erstveröffentlichung auf dem Dokumentenserver einer Hochschule oder Forschungseinrichtung ist in der Wissenschaftscommunity genau so viel wert wie eine Hauspublikation von IBM, nämlich gar nichts."

Das ist eine unbewiesene Behauptung. Man sehe beispielsweise
http://www.earlham.edu/~peters/fos/2006_10_15_fosblogarchive.html#116091803913012027

Nur aus der engen Perspektive einer Spezialbibliothek ist das Thema OA mit der Etablierung eines Dokumentenservers abgeschlossen. Die Vielfalt der Themen etwa in Subers OA News zeigt, dass man es sich nicht so einfach machen kann.

OA betrifft nicht nur Zeitschriftenartikel, sondern den Gesamtbereich wissenschaftlicher Publikationen, wissenschaftliche Daten und last but not least Kulturgut in Archiven, Bibliotheken und Museen. Zudem ergeben sich viele Überschneidungen von OA mit der Förderung freier Inhalte (Wikipedia, CC). Das alles ist für das KFZ Jülich nicht relevant, aber sehr wohl für Bibliothekare (und Archivare).

Fazit: Balls Versuch einer Entzauberung des OA-Mythos ist ein ausserordentlich schwaches Pamphlet, das man ignorieren sollte.
 

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