Allgemeines
Architekturarchive
Archivbau
Archivbibliotheken
Archive in der Zukunft
Archive von unten
Archivgeschichte
Archivpaedagogik
Archivrecht
Archivsoftware
Ausbildungsfragen
Bestandserhaltung
Bewertung
Bibliothekswesen
Bildquellen
Datenschutz
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren
null

 
In Ordensarchiven gibt es viel zu entdecken

Linz, 17.06.2011 (KAP) Ordensarchive sind «Gedächtnis und Hilfestellung für das Gewissen einer Gemeinschaft». Das erklärte Abt Maximilian Neulinger vom Benediktinerstift Lambach im «Kathpress»-Gespräch im Zuge der Jahrestagung der Ordensarchive und -bibliotheken im Seminarhaus St. Klara der Franziskanerinnen in Vöcklabruck. Hier trafen sich Ordensarchivare und -bibliothekare diese Woche zum Erfahrungsaustausch und besuchten abschließend das Stift Lambach als gelungenes Beispiel dafür, wie man Räumlichkeiten zu Archivzwecken umbauen kann.

«Viele Menschen suchen in Archiven Stammbäume, Ahnen, Identitäten. Sie erzählen von unserer Geschichte als Gemeinschaft», sagte Abt Neulinger, der zusammen mit einem Angestellten selbst das Lambacher Stiftsarchiv führt. «Archive geben Zeugnis für geschichtliche Fakten und Daten. Und sie regen an, Vergangenes zu bewerten und Gegenwärtiges in Beziehung zu stellen - auch mit den Überzeugungen, die letztlich unsere wahre Identität sind, nämlich das Leben nach dem Evangelium.»

Ein wichtiger Dienst eines Archivs sei es heutzutage auch, «offen zu sein», betonte der Abt. «Kirche steht oft unter dem Generalverdacht des Bunkerns, Mauerns und des Verbergens. Wir haben bewusst ein offenes Archiv, mit dem wir Zugang auch für die Aufarbeitung von unbequemen Fragestellungen schaffen wollen.»

«Ein Archiv birgt vieles: Geordnetes und Ungeordnetes, hier ist immer wieder etwas zu entdecken», so Abt Maximilian. Das Archiv im Stift Lambach umfasst tausend Archivkartons, «noch einmal eine solche Zahl archivarische Handschriften und speziell abgesondert Handschriften des Mittelalters, Papier, Pergament, auch erste Wiegendrucke». «Aber es gibt auch Unikate, Kanonenkugeln, übriggebliebene Kreuzrippen, Uhren aus dem Fundus verstorbener Mitbrüder - alles, was sich sammelt und was die Geschichte hinterlässt», berichtete Neulinger. Zu seinen liebsten Stücken zähle eine Stiftungsurkunde für ein Waisenhaus in Pergament, das mit dem Jahr 1723 datiert ist.

Im Archiv des Stiftes finden auch viele Heimatforscher - vor allem auch aufgrund des hohen Datenbestands an Bildmaterial - sowie Diplomanten und Dissertanten ihre Quellen. Es sei großartig, einen solchen Fundus an «Textzeugen» zu haben und auf diese Weise in Dialog mit einem Schreiber oder einem Illustrator zu treten. Faszinierend sei es, Pergamenthandschriften in der Hand zu halten: «Durch Tausend Jahre verwahren wir eine Information, die auch heute noch lesbar ist, auch wenn Sprache und Schrift speziell sind», hob der Abt hervor und erinnerte daran, dass neue Tonträger wie eine CD oder DVD vielleicht nicht so lange haltbar sein werden.

Kulturelles Erbe auch in Frauenorden

In den meisten Gemeinschaften betreuen Ordensleute die Archive und Bibliotheken. Vor allem in größeren Stiften und Klöstern gibt es zunehmend aber auch mehr Fachangestellte in diesem Bereich, «denn die fachlichen Anforderungen haben sich im Archiv- und Bibliothekswesen in den vergangenen Jahren vor allem durch die Einführung des Computers verändert», erklärte Helga Penz vom «Referat für die Kulturgüter der Orden» der «Kathpress».

Dabei ist die Bewahrung der Archive und Bibliotheken von besonderer Wichtigkeit. «Nicht nur Männerorden, auch die vielen Frauenkongregationen haben ein reichhaltiges kulturelles Erbe zu bewahren», betonte Penz. «Es ist ein spannendes, für die Sozialgeschichte Österreichs auch höchst wichtiges historisches Erbe, das es zu bewahren und vermitteln gilt. Es ist auch wichtig, bewusst zu machen, dass diese Aufgabe nicht nur eine Angelegenheit der alten Stifte ist.»

Ordensbibliotheken: Spiegel der Zeit

«Ordensbibliotheken teilen die Geschichte des Ordens, sie haben die guten Zeiten mitgemacht, haben sich vermehrt besonders in Zeiten, als die philosophisch-theologische Bildung angesetzt hat. Aber sie haben auch die Zeiten der Ordensaufhebungen mitgemacht», erläuterte Manfred Massani, Provinzbibliothekar der Kapuziner in Innsbruck, gegenüber «Kathpress». Unterm Strich sehe man, «was die Ordensgeschichte ausgemacht hat, vor allem das spirituelle Wirken des Ordens ist hier eins zu eins vertreten».

In seinem Vortrag gab Massani eine Einführung, was eine moderne Bibliothek leisten soll. Denn war früher die Klosterbibliothek der einzige Ort im Kloster, an dem Ordensfrauen und -männer ihre Fachlektüre, Nachschlagewerke, aber auch Erbauungs- und Unterhaltungsliteratur benutzten, hat heute jeder seine eigene kleine Handbibliothek.

Die Provinzbibliothek der Kapuziner wurde 1994 gebaut im Zuge der Generalsanierung des Klosters in Innsbruck. Ziel sei gewesen, der Bibliothek des Kapuzinerklosters Innsbruck genug Platz zu bieten und auch Aufbewahrungsort für Bibliotheken aufgelassener Niederlassungen zu sein, berichtete Massani. Durch die Aufhebung von Kapuzinerklöstern der ehemaligen Nordtiroler Kapuzinerprovinz seien ganze Teile von Bibliotheken nach Innsbruck gekommen. Massani sprach damit ein generelles Problem von Orden an, denn durch Klosteraufhebungen und damit verbundenen Bibliothekszusammenführungen entstünden immer wieder Platzprobleme. Diese versuchen die Kapuziner damit zu lösen, dass sie sich Kooperationspartner suchen.

Überlegungen gebe es auch für eine stärkere Zentralisierung, erläuterte Massani. So wäre die Zentralbibliothek der Kapuziner in Rom interessiert daran, vor allem Kapuziner-Dubletten aus dem Altbestand zu erwerben. «Aber es gibt denkmalschutzrechtliche Bedenken, wenn man Kulturgut ins Ausland bringt.» Dabei müsse man aber auch bedenken, dass die Kapuziner ein weltweit tätiger Orden seien und Regionalgeschichte des Ordens immer auch Teil der gesamten Ordensgeschichte sei, merkte Massani an.

Heute umfasst die Bibliothek des Innsbrucker Klosters rund 80.000 Medien, samt eingelagerter Bestände der anderen Kapuzinerklöster komme man auf rund 120.000 Medien, die in der Provinzbibliothek verwahrt sind, so der Bibliothekar. Darunter finden sich u. a. Fragmente des Werkes «Buch des edlen Ritters und Landfahrers Marco Polo» aus dem Jahr 1477 und ein deutschsprachiges Herbarium «Gart der Gesundheit» von Johann Wonnecke von Kaub aus dem Jahr 1485.

Unter den theologischen Werken seien für die Forschung die Predigtwerke von Kapuzinern der Barockzeit interessant, z. B. «Göttlicher Cetechistische Catholische Lehr» von Aemilianus von Grätz aus dem Jahr 1712. In den Werken seien immer wieder für die damalige Zeit fortschrittliche Gedanken wie etwa die Forderungen nach «gerechter» Entlohnung zu finden, sagte Massani. 2001 begann man mit der elektronischen Erschließung der Bestände - diese ist zu rund 75 Prozent erledigt.

«Parzival» bei den Franziskanern

Über die Klosterbibliothek der Franziskaner in Graz, die den historischen Buchbestand der gesamten Provinz enthält, sprachen Gert Janusch und Wolfgang Lang, die ehrenamtlich in der Bibliothek mitarbeiten. Sie umfasst rund 45.000 Bände, davon 13.000 aus der Zeit vor 1700, weiters mehr als 800 Inkunabeln und 440 mittelalterliche Handschriften. Zu den ältesten Stücken zählen Fragmente einzelner Pergamenthandschriften aus dem 9. bis 13. Jahrhundert, die zur Verkleidung hölzerner Buchdeckel dienten und nun nach behutsamer Ablösung als sogenannte Makulaturen existieren, berichtete Janusch. Auch ein vierseitiges «Parzival»-Fragment Wolfram von Eschenbachs aus dem 13. Jahrhundert, ein zweitseitiges Bruchstück von «Willehalm», ebenfalls von Wolfram von Eschenbach aus dem 13. Jahrhundert, sowie ein vierseitiges Fragment der «Christherre-Chronik» finden sich unter den Werken. Die Bibliothek betreibt einen Online-Katalog (http://opac.obvsg.at/fpa).

Redemptoristen: Verschollene Chronik

Der langjährige Provinzarchivar und kundige Ordenshistoriker der Redemptoristen, Pater Ferdinand Zahlner, berichtete über seine Tätigkeit im Provinzarchiv im Provinzhaus in Maria am Gestade in Wien. Leider seien in den Wirren der Revolution von 1848 viele Archivalien verloren gegangen, «darunter auch die wertvolle alte Chronik», so P. Zahlner. «Ebenso sind die Provinzchroniken verschollen. Sie wurden wahrscheinlich während der gefährlichen Zeit des Zweiten Weltkriegs irgendwo versteckt.» Der Umfang des Archivs beläuft sich laut P. Zahlner auf rund 150 Laufmeter.

Weiterer Referenten der Tagung waren Severin Matiasovits - er hat im Rahmen eines vom «Referat für die Kulturgüter der Orden» betreuten Projekts im Jahr 2009 das Archiv der Passionisten an der Wallfahrtskirche Maria Schutz am Semmering geordnet und betreut - Monika Würthinger vom Diözesanarchiv Linz und Michaela Follner vom Österreichischen Staatsarchiv. Erwin Rotter von der Rechtsanwaltskanzlei Kuhn informierte über «Datenschutzfragen im Archivwesen».

Die Arbeitsgemeinschaft der Ordensarchive Österreichs wurde im Jahr 2004 als Plattform zum Erfahrungsaustausch von Archivaren in Orden und Klöstern gegründet. Seit der Gründung des «Referats für die Kulturgüter der Orden» im Jahr 2010 ist die ARGE Ordensarchive eine Abteilung des Referats, die sich besonders um Weiterbildung und fachliche Beratung in Angelegenheiten des klösterlichen Archivwesens bemüht. (Infos: www.superiorenkonferenz.at)

Quelle: http://www.kathpress.co.at/


http://www.univie.ac.at/voeb/blog/?p=14939
 

twoday.net AGB

xml version of this page

powered by Antville powered by Helma