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Der Straßburger Prozeß um die Domänen
des Griechischen Königshauses

– Ein Wegweiser für den Streit um das vormals Großherzoglich Badische Kulturgut –

Von Reinhard Mußgnug

Das Eigentum des Landes Baden-Württemberg an der Markgrafentafel Hans Baldung Griens in der Karlsruher Kunsthalle ist nicht unbestritten, denn Erbprinz Bernhard von Baden bestreitet es. Aber das heißt zum Glück nicht, daß dieses Kunstwerk unbestreitbar Eigentum des Hauses Baden wäre. Das Verdienst, das aufgedeckt zu haben, gebührt dem Freiburger Historiker Dieter Mertens. Sein Aktenfund im Karlsruher Generallandesarchiv zwingt die Stuttgarter Landesregierung, endlich zu tun, was sie bislang versäumt hat: Die Eigentumsverhältnisse am vormals Großherzoglich Badischen Kulturbesitz genau und vor allem sachverständig untersuchen zu lassen, statt blind ergeben den Rechtsbehauptungen des Erbprinzen und seiner Fürsprechern Glauben zu schenken. Nun werden wir doch noch erfahren, was wirklich unbestreitbar dem Haus Baden gehört, was ihm unbestreitbar nicht gehört und was für die dritte Kategorie übrig bliebt, bei der die Eigentumsfrage nicht mehr zu klären ist und daher in der Tat durch einen Vergleichsvertrag, wenn nicht gar durch einen Zivilprozeß beantwortet werden muß.

Das zu eruieren, wird nicht leicht fallen. Aber ein Urteil des Straßburger Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) aus dem Jahre 2000 wird dabei spürbar helfen. Es ist vom früheren Griechischen König und seinen beiden Schwestern erstritten worden und betrifft die auf dem griechischen Festland gelegenen Domänengüter Tatoi und Polyendri sowie die Domäne Mon Repos auf der Insel Korfu. Diese Ländereien waren bis zu dem Militärputsch von 1967 Eigentum des griechischen Königshauses. 1973 hat sie die Militärjunta enteignet. Daran hielt die Republik Griechenland 1994 mit einem „Gesetz über die Regelung von Fragen bezüglich des enteigneten Vermögens der abgesetzten königlichen Familie von Griechenland“ fest. Wegen dieses Gesetzes haben der König und seine Schwestern nach erfolglosen Klagen vor den Griechischen Gerichten den EGMR angerufen und einen bemerkenswerten Erfolg erzielt. Der EGMR hat die Enteignungen beanstandet und den Klägern ihretwegen eine Entschädigung zugesprochen.

Das Urteil des EGMR ist mit Hilfe seines Aktenzeichens 225701/94 über die Webside des EGMR http://www.echr.coe.int/echr zu beziehen, dort allerdings nur in Englisch und Französisch erhältlich; eine deutsche Übersetzung findet sich in der Neuen Zeitschrift für Verwaltungsrecht 2002, S. 321-326. Die Lektüre lohnt. Das Urteil liefert ein wichtiges Präjudiz, das der Entscheidung über das Eigentum am vormals Großherzoglich Badischen Kulturbesitz den Weg weist. Es beweist, daß das von Ministerpräsident Oettinger medienwirksam beschworene Prozeß-Risiko um ein Vielfaches geringer einzuschätzen ist, als das seine und die Gutachter des Erbprinzen behaupten. Der EGMR weist zwar die Behauptung der Griechischen Regierung, es habe sich bei den drei Gütern um fürstenrechtlich gebundenes Patrimonialeigentum gehandelt, das mit der Abdankung des Königs ipso iure auf den griechischen Staat übergangen sei, mit nur mäßig verhohlenem Befremden zurück. Aber sein Urteil gibt dem Haus Baden dennoch Steine statt Brot. Es zählt, wie so oft bei Präjudizien, einmal mehr nicht das Ergebnis; die wichtigeren Aussagen des Urteils stecken in seinen Gründen.

Der EGMR hält eingangs fest, daß das griechische Königshaus einen Teil des umstrittenen Vermögens „gekauft und aus seiner Privatschatulle bezahlt“ habe. Es hebt darauf ab, daß der griechische Staat die drei Güter nicht etwa als sein Eigentum herausverlangt, sondern sie im Wege der Enteignung an sich gebracht und damit anerkannt habe, daß sie bis zu ihrer Enteignung unbestrittenes Privateigentum der königlichen Familie waren. Besonderes Gewicht mißt das Gericht der Tatsache bei, daß das griechische Königshaus nicht nur behauptet habe, die drei Domänen stünden in seinem Privateigentum, sondern daraus auch die Konsequenz gezogen hat, für sie regelmäßig Steuern zu entrichten. Für ein zur Domäne Tatoi gehörendes Waldgebiet folgt das Gericht dem Vorbringen des Königs, die Regierung habe es Georg I. anläßlich seiner Wahl zum König im Jahre 1864 schenken wollen; dieser habe aber darauf bestanden, dafür „als Gegenleistung“ 60.000 Drachmen bei der Nationalbank zu deponieren; das Gericht sieht darin den Beweis für einen Privatkauf des Geländes. Was die Domäne Polyendri angeht, so nimmt der EGMR auf Urkunden Bezug, die ihre Zugehörigkeit zum königlichen Privatvermögen belegen. Für Mon Repos gab für den EGMR den Ausschlag, daß dieser Besitz Georg I. vom Provinzialrat Korfus zum Dank für dessen Ringen um den Anschluß der ionischen Inseln an Griechenland geschenkt und später vom Königshaus durch private Hinzukäufe erweitert worden sei, an denen keine staatlichen Stellen beteiligt gewesen seien.

Dies alles sind handfeste Indizien für das Privateigentum der königlichen Familie. Beim vormals Großherzoglich Badischen Kulturbesitz sind Anzeichen, die mit der gleichen Deutlichkeit auf erbprinzliches Privateigentum hinwiesen, nicht zu erkennen. Die Indizien für seine fürstenrechtliche Bindung an das Amt des Staatsoberhaupts und seine Zugehörigkeit zu dessen Patrimonialeigentum sind indessen unübersehbar: Die Karlsruher Handschriften hat das Markgrafenhaus weder gekauft, noch bezahlt, schon gar nicht aus seiner Privatschatulle. Sie stammen aus Klöstern, die aufgrund des Reichsdeputationshauptschlusses säkularisiert worden sind. Daß sie aus dem Klostereigentum in fürstenrechtlich gebundenes Staatseigentum überführt worden sind, ist nicht ganz unbestritten; das zeigt die Ansicht des Erbprinzen, die Handschriften könnten auf seine Rechnung versteigert werden. Das ändert aber nichts an der Unbestreitbarkeit der Tatsache, daß die Säkularisation des Kirchenguts nicht der persönlichen Bereicherung der von ihr begünstigten Fürstenhäuser diente. Die Karlsruher Handschriften wie die Bilder der Karlsruher Kunsthalle befanden sich auch nie unmittelbar in der Hand der Großherzoglichen Familie. Sie wurden in der Bibliothek wie in der Kunsthalle der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Kosten ihrer Verwaltung und Pflege hat der Großherzog ab den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts zur Gänze aus der Staatskasse bestreiten lassen. Soweit nicht ein klarer Ausweis als Dauerleihgabe im Einzelfall das Gegenteil beweist, waren sie somit unmißverständlich vom großherzoglichen Privateigentum abgesondert. Es mißlang bezeichnenderweise, den letzten Willen Großherzog Friedrichs II. zu erfüllen, der die vermeintlich seinem Haus gehörenden Handschriften, Bilder und sonstigen Kunstwerke der Zähringer Stiftung vermacht hat. Ihre Übereignung scheiterte daran, daß Friedrichs Erben über keine Verzeichnisse verfügten, die den auf die Stiftung zu übertragenden Bestand näher konkretisiert hätte. Im übrigen ist nichts davon bekannt, daß das Haus Baden für das angeblich in seinem Privateigentum stehende Kulturgut jemals Vermögen- und Erbschaftsteuer entrichtet hätte. Dazu wäre es von 1918 an verpflichtet gewesen wäre, wenn die umstrittenen Kunstwerke wirklich sein Privateigentum gewesen wären. Von der Erbschaftsteuer befreit wären die Kunstwerke, die der Erbprinz für sein Haus reklamiert nur dann, wenn sie in das Verzeichnis zum Schutze des Deutschen Kulturguts gegen Abwanderung eingetragen worden wären. Gerade das aber ist nicht geschehen, weil das staatliche Kulturgut nicht eintragungsfähig ist.

Das alles verdeutlicht, welch schweren Stand der Erbprinz in einem Prozeß um sein angebliches Eigentum an den Karlsruher Kunstschätzen haben würde. Er wird mehr erklären müssen, als er erklären kann. Das Urteil des EGMR führt ihm das drastisch vor Augen. Die Beweislast für sein Eigentum liegt wohlgemerkt beim Erbprinzen, nicht beim Land! Grund genug für das Land, dem Prozeß den Ministerpräsident Oettinger ohne Not fürchtet, mit großer Gelassenheit entgegenzusehen.
 

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