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In den USA sind urheberrechtlich schutzfähige Werke von Bediensteten von US-Bundesbehörden gemeinfrei (Public Domain), was von den Verfechtern einer reichen Public Domain als Glücksfall angesehen wird.

In Deutschland herrscht hingegen eine im rechtswissenschaftlichen Diskurs nicht hinreichend reflektierte Gemengelage von Urheberrecht und öffentlichem Recht.

Auf die entscheidenden Probleme geht die Kommentarliteratur zu den hauptsächlich einschlägigen urheberrechtlichen Vorschriften (§ 5 Amtliche Werke, § 45 Rechtspflege und öffentliche Sicherheit, § 43 Urheber in Arbeits- oder Dienstverhältnissen) kaum ein.

Das Urteil des BGH über Topographische Landeskarten von 1987
http://www.jura.uni-sb.de/clear/de/web-dok/19990008.html
wirft mehr Fragen auf, als es beantwortet.

Die Informationsfreiheitsgesetze und andere Einsichtsrechte oder faktische Zugangsmöglichkeit zu amtlichen Dokumenten, die womöglich urheberrechtlich geschützt sind, werfen ebenfalls urheberrechtliche Fragen auf:
http://archiv.twoday.net/stories/1666772/
http://archiv.twoday.net/stories/1946870/

Zum Zugang der Medien zu staatlichen Informationen aus europäischer Perspektive:
http://www.obs.coe.int/oea_publ/iris/iris_plus/iplus2_2005.pdf.de

Die Archivgesetze regeln die Nutzung dort verwahrter amtlicher Unterlagen umfassend, ohne einen Gedanken an fiskalisch motivierte Genehmigungsvorbehalte zu verschwenden (diese stehen immer nur in den Benutzungsordnungen). Während die bloße Einsichtnahme in Akten als urheberrechtlich nicht relevanter Akt gesehen werden kann, liegt beim Abhören eines digitalisierten Tonbands oder beim Einsehen eines digitalisierten Videos zwingend eine Vervielfältigung vor, für die § 53 UrhG gilt. Wenn also für einen gewerblichen Zweck ein Nutzer ein digitalisiertes Tonband des Bundesarchivs, dessen Rechte beim Bund liegen, anhören möchte, dann ist das nach dem Bundesarchivgesetz ohne weiteres möglich; aber urheberrechtlich ist die erforderliche Vervielfältigung durch § 53 UrhG nicht abgedeckt. Ebenso gehen die Archive stillschweigend davon aus, dass Zitate aus unveröffentlichten urheberrechtlich geschützten Schriften, deren Rechte bei öffentlichen Verwaltungen liegen, von Nutzern ohne weiteres publiziert werden können.

Wenn Regierungsdirektor G., Beamter des Freistaats B., eine kleine Ausarbeitung erstellt, die er auf ein presserechtliches Auskunftsersuchen einem Anfragenden mitteilt, so ist es klar, dass der Pressevertreter aus dem womöglich urheberrechtlich geschützten Schriftsatz zitieren und seinen Inhalt mitteilen darf (§ 12 UrhG), obwohl beides bei unveröffentlichten Werken dem Verbotsrecht des Urhebers unterfällt.

Soweit es sich nicht um eine kommerzielle Nutzung handelt (wobei der Abdruck in einem Printmedium in vielen Kontexten als gewerblich eingestuft werden würde), spricht eigentlich alles dafür, die - bei Unsicherheit über das Bestehen des urheberrechtlichen Schutzes gebotene - Einigung über die Nutzung des Textes (z.B. durch unbefristete Online-Veröffentlichung) dem öffentlichen Recht unterfallen zu lassen. Eine entsprechende "Genehmigung" könnte womöglich als Verwaltungsakt angesprochen werden, da eine Regelung mit Außenwirkung vorliegt.

Liegt kein Urheberrecht oder anderes Immaterialgüterrecht vor und werden Rechte Dritter wie Persönlichkeitsrechte nicht tangiert und besteht kein spezielles gesetzliches Verbot (z.B. Zitate aus Strafverfahrensakten sind verboten), so darf jedermann aufgrund der insoweit geltenden allgemeinen Handlungsfreiheit amtliche Dokumente zu jedem beliebigen Zweck veröffentlichen. Der in IFGs anzutreffende Vorbehalt, dass eine gewerbliche Nutzung der erlangten Informationen nicht zulässig ist, ist nicht verfassungskonform, da zu unbestimmt. An den Informationen besteht kein dingliches Herrschaftsrecht des Staates, weitergegeben an einen Dritten darf der damit anstellen, was er möchte.

Regierungsdirektor G. wird womöglich geneigt sein, aus der Bitte um Publikation keine große Sache zu machen. Aber wenn es sich um einen Verwaltungsakt handeln sollte, kommt über § 21 Verwaltungsverfahrensgesetz die Besorgnis der Befangenheit ins Spiel. Kann ein Landesbeamter in eigener Person über Urheberpersönlichkeitsrechte verfügen (z.B. mit der Auflage, den Namen zu nennen oder nicht zu nennen)? Nach der Kommentarliteratur verbleiben die Urheberpersönlichkeitsrechte "im Kern" auch dem Beamten (siehe jüngst Schricker, UrhR, ³2006, § 43 Rdnr. 73 ff.). Womöglich hat Regierungsdirektor G. den Schriftsatz gar nicht selbst verfasst, vertritt diesen aber nach den Gepflogenheiten der Behörde nach außen (ebd. Rdnr. 77). Explizite Regelungen dazu enthalten die Beamtengesetze meines Erachtens nicht. Regierungsdirektor G. kann hinsichtlich seines eigenen Schriftsatzes gar nicht unparteiisch sein, da ihm ein unverzichtbarer Rest an Urheberrechtspersönlichkeitsrecht verbleibt. Auch wenn er sich zur unpersönlichen Staatsperson erklärt, die als Amtsträger und nur als solcher handelt, bleibt die - gewiss vielfach nur theoretische - Besorgnis der Befangenheit, in eigener Sache entscheiden zu müssen. Bei solchen Kinkerlitzchen aber jedesmal den Dienstvorgesetzten zu bemühen, ist mit dem Bürokratieabbau, dem sich die öffentlichen Verwaltungen verpflichtet fühlen, kaum zu vereinbaren.

Könnte der Freistaat B. auf die Idee kommen, die Wahrnehmung aller ihm zustehenden Immaterialgüterrechte (einschließlich der Rechte am Schriftsatz von Regierungsdirektor G.) durch eine kommerziell orientierte GmbH wahrnehmen zu lassen ("Oursourcing"), so wie die Stiftung Preußischer Kulturbesitz jegliche Bildnutzung von Bildern der privatrechtlich agierenden eigenen Bildagentur vorbehält? Soweit die Grundrechte (insbesondere das Gleichbehandlungsgebot) und die durch das öffentliche Recht begründeten subjektiven Rechte der Bürger dadurch nicht auf der Strecke bleiben, was freilich zu befürchten wäre, würden viele Privatisierungs-Apostel das wohl bejahen. Es gibt für solche Fragen eine Zauberformel: Alle wesentlichen Fragen hat der Gesetzgeber zu regeln.

Bei der ganzen Problematik spielt natürlich auch Art. 12 GG mit. Zwar darf der Staat aus bedeutenden Gemeinwohlgründen die Mikroverfilmung von Krankenunterlagen durch private Firmen untersagen, aber darf er auch den fiskalisch motivierten Wunsch, möglichst viel Entgelte aus der Wahrnehmung urheberrechtlicher oder urheberrechtsähnlicher Rechte (Stichwort: Reproduktionsrechte bei nicht bestehendem Schutzrecht) einzunehmen, zur Maxime seines Handelns machen mit der Konsequenz, dass private Firmen, die vergleichbare Leistungen anbieten möchten, einem strikten Monopol gegenüberstehen? Angesprochen ist hier natürlich die Problematik des in Vorbereitung befindlichen Informationsweiterverwendungsgesetzes, siehe die Hinweise unter
http://archiv.twoday.net/search?q=sektor

Und einmal mehr die (von mir bejahte) Frage: Ist "Open Access" mit geltendem Haushaltsrecht vereinbar?
http://archiv.twoday.net/stories/2712317/

Fragen über Fragen.
Ladislaus meinte am 2006/12/03 21:44:
"Während die bloße Einsichtnahme in Akten als urheberrechtlich nicht relevanter Akt gesehen werden kann, liegt beim Abhören eines Tonbands oder beim Einsehen eines Videos zwingend eine Vervielfältigung vor, für die § 53 UrhG gilt." Wieso? Nur beim Download im Internet besteht doch dieses Problem, da ja meist/immer, und sei es nur temporär, eine Kopie eines digitalen Werks auf der eigenen Festplatte oder im Speicher abgelegt wird. Aber ich kann doch ein Tonband abhören, ohne es zu "vervielfältigen"? Genauso wie ich eine Akte einsehen kann, ohne sie zu fotokopieren. 
KlausGraf antwortete am 2006/12/04 00:43:
Ist ja gut
Geändert. 
Ladislaus antwortete am 2006/12/04 08:48:
war ja nicht böse gemeint...
ich hatte es nur nicht verstanden... :-) 
 

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