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Die Düsseldorfer Ordnung
http://www.ub.uni-duesseldorf.de/home/ueber_uns/archiv/ordnung
und die sich an sie anlehnende Duisburger Satzung bestimmen:

"Die Benutzung der archivierten Unterlagen richtet sich nach den Bestimmungen des ArchiG NW und der Verordnung über die Benutzung der staatlichen Archive des Landes Nordrhein-Westfalen vom 27. September 1990 (ArchivBO NW), soweit sie auf die universitären Verhältnisse anwendbar sind.

Über die Verkürzung von Sperrfristen entscheidet das Universitätsarchiv im Einvernehmen mit den abgebenden Stellen oder den betroffenen natürlichen Personen. Über Widersprüche im Speerfristverkürzungsverfahren [!] entscheidet die Rektorin oder der Rektor auf der Grundlage eines Berichts und Entscheidungsvorschlags des Archivs." (Düsseldorf)

Die Regelung über das Einvernehmen ist mit höherrangigem Landesrecht nicht vereinbar und damit nichtig.

Für die NRW-Universitäten gilt § 11 Archivgesetz
http://www.archive.nrw.de/archive/staatl/archivges/

Darin wird der komplette Nutzungsparagraph 7 für entsprechend anwendbar erklärt. Daraus folgt, dass auch im Universitätsarchiv § 7 Abs. 4 zwingend anzuwenden ist:

"(4) Die Sperrfristen nach Absatz 2 können verkürzt werden, im Falle von Absatz 2 Satz 3 jedoch nur, wenn

a) die Betroffenen, im Falle ihres Todes deren Rechtsnachfolger, in die Nutzung eingewilligt haben oder

b) das Archivgut zu benannten wissenschaftlichen Zwecken genutzt wird und dann durch geeignete Maßnahmen sichergestellt ist, daß schutzwürdige Belange Betroffener nicht beeinträchtigt werden."

Das Verb "können" gilt im Archivrecht als hinreichendes Indiz dafür, dass eine Ermessensentscheidung von der Verwaltung zu treffen ist. Dafür gibt es in der Literatur des Verwaltungsrechts definierte Vorgaben. Siehe etwa:
http://de.wikipedia.org/wiki/Ermessen

Die Satzungsregelung verkennt mit der Bindung an das Einvernehmen den Rahmen einer Ermessensentscheidung. Ich sehe nicht, wie man den gesetzlich geforderten Abwägungsprozess im Einzelfall fehlerfrei durchführen kann, wenn von vornherein klar ist, dass der abliefernden Stelle ein Veto zukommt.

Benehmen heisst: die Stelle wird unterrichtet und kann sich äußern. Einvernehmen heisst: lehnt die Stelle ab, ist die Verkürzung nicht möglich.

Man kann die Vorschrift nicht dadurch retten, dass man annimmt, dass der Archivträger, die Universität, die Ermessensentscheidung trifft und die Ablehnung durch die abliefernde Stelle in die Erwägung einfließt. Einvernehmen meint ein Veto, das gesetzlich nicht vorgesehen ist. Natürlich ist es sinnvoll, das Votum der abliefernden Stelle in eine korrekte Ermessensentscheidung einfließen zu lassen, aber es muss im Einzelfall möglich sein, die Forschungsfreiheit (Art. 5 GG) höher zu gewichten als die Bedenken der Verwaltung oder eines Instituts.

Deutlicher wird die Rechtswidrigkeit der Norm bei den personenbezogenen Unterlagen. Hier hat der Gesetzgeber eine bindende Vorgabe gemacht, indem er die Möglichkeit eröffnet hat, auch ohne Zustimmung des Betroffenen bei wissenschaftlicher Nutzung (und nur bei dieser) das Archivgut zu benutzen, wenn durch geeignete Maßnahmen (z.B. Auflagen) sichergestellt ist, dass schutzwürdige Belange nicht beeinträchtigt werden.

Der Satzungsgeber kann von dieser Vorgabe nicht abweichen, indem er an die Stelle der vom Gesetzgeber vorgesehenen Ermessensentscheidung eine gebundene Entscheidung setzt, die in jedem Fall das Einvernehmen, also die Zustimmung des Betroffenen fordert. Die Wissenschaft muss in Ausnahmefällen, wie vom Landesgesetzgeber vorgesehen, auch ohne Zustimmung des Betroffenen die Möglichkeit haben, ihrem Forschungsauftrag nachzugehen.

Da eine verfassungskonforme Auslegung universitärer Satzungen nicht möglich ist, ist der Satz mit dem Einvernehmen nichtig. Bei einer Änderung der Satzungen oder anderen NRW-Satzungen ist statt Einvernehmen Benehmen zu schreiben. Die Bindung an das Benehmen begegnet keinerlei Bedenken.

Auch wenn zu hoffen ist, dass Benutzungswünsche gesperrter Akten pragmatisch-benutzerfreundlich in NRW-Universitätsarchiven entschieden werden, sollte man bei Satzungen keine groben verwaltungsrechtlichen Fehler begehen.
WernerLengger meinte am 2006/12/12 18:29:
Geht man vom NRW-Archivgesetz aus, hätte das Universitätsarchiv wohl den rechtlichen Freiraum, selbst über Schutzfristverkürzungen zu entscheiden, ohne die Zustimmung der abgebenden Stelle einholen zu müssen. Ich kann andererseits die Einbeziehung der abgebenden Stelle als Rückversicherung für den Archivar durchaus schon auch verstehen. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass verschiedene universitäre Registraturbildner nur deshalb überhaupt bereit sind, ihre Unterlagen an das Archiv abzugeben, weil sie sicher sein können, dass sie im Falle eines Antrags auf Benützung vor Ablauf der Schutzfrist ihr Veto einlegen können.

Wir haben in unserer Augsburger Benützungsordnung auch vorgesehen, dass die Zustimmung der abgebenden Stelle eingeholt wird. Das wäre zwar rechtlich auch nicht nötig gewesen, da nach dem Bayerischen Archivgesetz die Universität hier in eigener Zuständigkeit handeln und entscheiden kann, aber aus den genannten "politisch-taktischen" Gründen haben wir uns dennoch zu der genannten Einbindung der abgebenden Stelle entschlossen. Dafür haben wir auf der anderen Seite die Schutzfrist für "normale", also nicht-personenbezogene Unterlagen auf 10 Jahre verkürzt, was der Forschung letztlich auch entgegenkommen sollte. Diese vom Universitätsarchiv vorgeschlagene Verkürzung der Schutzfrist von 30 auf 10 Jahre wurde im übrigen von den zuständigen Gremien der Universität ohne Probleme gebilligt. 
KlausGraf antwortete am 2006/12/12 18:50:
Andere Rechtslage in Bayern
Wie ich ausgeführt habe, hat ein NRW-Uniarchiv sich bei den Benutzungsmodalitäten an die gesetzliche Vorgabe zu halten. Es ist unzulässig, das Ermessen durch die Satzung dahingehend zu reduzieren, dass in jedem Fall eine positive Stellungnahme der abgebenden Stelle vorliegen muss. Ich bezweifle, dass es archivpolitisch sinnvoll ist, sich die Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht auf Kosten der Rechte der Benutzer zu erkaufen.

In Bayern sieht die Rechtslage völlig anders aus. Hier besteht kein gesetzlicher Benutzungsanspruch für nicht-staatliche Unterlagen, die Universität Augsburg könnte rechtsfehlerfrei auch eine 200jährige Sperrfrist einführen, eine Freiheit, die ich für grundsätzlich verfehlt halte. 
 

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