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http://bibliotheksrecht.blog.de/2007/01/12/neue_bibliotheksgebuhrenverordnung_in_ba~1544752

Es geht um die neue Gebührenordnung für die Landesbibliotheken in Baden-Württemberg.

Text (aktuell):
http://www.wlb-stuttgart.de/benutzung/gebuehren.html

Erwähnenswert in der neuen BiblGebVO ist etwa § 6 Abs. 1, wonach Texte (!) und Bilder aus alten Bibliotheksbeständen nur mit Zustimmung der Bibliothek veröffentlicht werden dürfen. Das bedeutet bei gemeinfreien Werken eine Einschränkung für die Leser.

Die Konsequenzen können komisch sein. So darf ich einen Text aus einem alten Buch (1840) der BLB Karlsruhe bei Präsenznutzung nicht abschreiben und ohne Erlaubnis im Netz publizieren. Wenn ich den gleichen Band über die Fernleihe etwa nach Ilmenau bestelle, richtet sich die Benutzung nach der Benutzungsordnung der UB Ilmenau (vgl. auch § 16 Leihverkehrsordnung). Aus dieser Benutzungsordnung ergibt sich für die Veröffentlichung einzelner Texte keine derartige Beschränkung.

Würde aber die UB Ilmenau selbst einen solchen Text reproduzieren wollen, müßte sie allerdings nachfragen, da sie im Rahmen der Fernleihe Nutzerin der BLB Karlsruhe ist und damit grundsätzlich der BiblGebVO unterworfen wäre, vgl. § 3 Abs. 2 S. 1 Buchst. c der Benutzungsordnung der BLB Karlsruhe.


Ächz. Herr Steinhauer überrascht mich immer wieder durch Blitzgescheites und Vernünftiges einerseits und krude Positionen andererseits. Es ist ja nun nicht so, dass der zur Rede stehende Sachverhalt nicht "offiziell" geklärt wäre. Die entsprechenden Klärungen sind unter meiner Beteiligung im Bibliotheksdienst vorgenommen worden und ich wurde nicht müde, immer wieder darauf hinzuweisen, auch in Foren, die Herrn Steinhauer gut bekannt sind.

Rechtsverordnungen müssen hinreichend ermächtigt sein (gegen Gödan zur bayerischen ABOB). Soweit gemeinfreie Texte, die meiner Ansicht nach gemäß § 64 UrhG zu frei zugänglichen Informationsquellen zu zählen sind, weil ihnen die Gemeinfreiheit eine entsprechende Widmung verleiht, nur nach vorheriger Genehmigung veröffentlicht werden dürfen, ist das Eingriffsverwaltung und nicht Leistungsverwaltung. Es wird hier in die Kommunikationsgrundrechte eingegriffen, ohne dass der Landesgesetzgeber darüber entschieden hat.

Die Norm ist nichtig, da nicht mit den Anforderungen des BVerfG an Erlaubnisvorbehalte vereinbar, siehe
http://archiv.twoday.net/stories/2812929/
http://archiv.twoday.net/stories/2478861/

Hier werden ohne zureichende gesetzliche Ermächtigung Benutzer kujoniert und Herr Steinhauer beanstandet das nicht! Der Zweck des Genehmigungsvorbehalts ergibt sich eindeutig aus der Vorschrift nicht (anders als bei dem Fall des OLG Zweibrücken: http://de.wikipedia.org/wiki/Genehmigungsvorbehalt ) und Herr Steinhauer ignoriert diese massiven Bedenken!

Na wenigstens argumentiert er nicht so dümmlich wie Harald Müller, der mich auf Baumschulniveau widerlegt
http://www.ib.hu-berlin.de/texte/muellerbbk06.pdf

Wenn der Landesgesetzgeber möchte, dass Bibliotheken das ihnen anvertraute Kulturgut vermarkten dürfen (und darum gehts im Kern), dann muss er das in einem Gesetz regeln, das strikt eine Kollision mit der bundesrechtlichen Kompetenz für das Urheberrecht vermeidet. Es geht nicht an, dass einerseits Gemeinfreiheit in § 64 UrhG beliebige, auch kommerzielle Nutzbarkeit bedeutet, andererseits aber Länder Quasi-Immaterialgüterrechte qua Zugang errichten.

Diese sind im übrigen auch nicht mit "Open Access" vereinbar. Aber dass Baden-Württemberg Open Access fördert, habe ich ja auch noch nicht gehört.

Deutlich ist auch der Verstoß gegen Art. 3 GG. Es ist überhaupt nicht klar, was alte und wertvolle Bibliotheksbestände sind, wenn es heisst: "Texte und Bilder aus alten und wertvollen Bibliotheksbeständen dürfen nur mit Zustimmung der Bibliothek veröffentlicht werden." Man wird diese allzu vage und unbestimmte Formulierung dahingehend verstehen können, dass die Materialien, die nur in den Sonderlesesälen benutzbar sind, darunter verstanden werden. das ist aber von Bibliothek zu Bibliothek verschieden und hängt von vielen Zufälligkeiten ab. In der Bibliothek einer Berufsakademie (von der BiblGebVO neben den beiden LBs erfasst) wird man womöglich schon ein Buch von 1899 als "alt und wertvoll" ansehen.

Unabhängig von einem Benutzungsverhältnis bindet die Vorschrift im übrigen keine Dritte, die Bibliotheksgut z.B. der Landesbibliotheken publizieren. (Das LG Hannover hat die Klage des Landes Niedersachsen gegen einen Rechtsanwalt, der Schriftstücke, die im Staatsarchiv Bückeburg liegen, publizierte, ohne Archivnutzer zu sein, aus eher formalen Gründen zurückgewiesen und damit jedenfalls die niedersächsische Ansicht von einem umfassenden, eigentumsrechtlich abzusichernden Gebührenanspruch des Staats bei Bildrechten seiner Archive nicht geteilt.)

Was meint überhaupt Text? Wo ist die Grenze zwischen Textveröffentlichung und Zitat?

Veröffentlichung meint bei den Bildern offenbar jede Reproduktion, während man bei Texten die Veröffentlichung bereits gedruckter Publikationen in keiner Hinsicht als erlaubnispflichtig betrachten kann.

Zur Editio princeps siehe außer Gödan et al. (s.o. unter Bibliotheksdienst)
http://archiv.twoday.net/stories/832672/ m.w.N.
http://bibliotheksrecht.blog.de/2006/09/22/schutz_nachgelassener_werke~1149650

Konsequenzen drohen dem Benutzer, der sich nicht an die Norm hält, nach der VO nicht; man wird aber davon ausgehen können, dass die Einhaltung der Gebührenordnung zu den Handlungen gehört, die von einem Benutzer im Rahmen der Benutzungsordnung abverlangt werden dürfen und ein Ausschluss von der Benutzung in betracht kommt.

Soweit ein Informationszweck (Mitteilung von Editionen aus Rara und Handschriften) der Bibliothek gegeben ist, wäre eine Anzeigepflicht das mildere Mittel.

Das paternalistische Kontrollsystem, das beispielsweise schon Leibniz behinderte
http://www.literature.at/webinterface/library/ALO-BOOK_V01?objid=1511&page=350&zoom=4&ocr=
wird nach kurzem bibliotheksrechtlichen Frühling 1994/95 wieder verankert und Steinhauer findets zwar kurios, setzt aber nicht die dogmatische Axt an.

Was mit den gemeinfreien Texten ihrer Hand- und Druckschriften geschieht, geht die Bibliotheken juristisch nichts an. Sie haben die Aufgabe, der Informationsfreiheit zu dienen und diese nicht zu behindern.

Eine Feststellungsklage vor dem VG Stuttgart (WLB Stuttgart) scheint angesagt ...
KlausGraf meinte am 2007/01/12 22:43:
Gebührenordnung als Ersatz für Bibliotheksgesetz
Wieso steht diese Vorschrift in einer Gebührenordnung, die den Status einer Rechtsverordnung, ermächtigt durch das Landesgebührengesetz, hat?

Weil BW kein Bibliotheksgesetz hat und weil BW offensichtlich nicht den bayerischen Weg gehen will, eine Benutzungsordnung als Rechtsverordnung ohne ermächtigendes Gesetz zu erlassen.

Die Benutzungsordnungen der betroffenen Bibliotheken, in die die Vorschrift dogmatisch eindeutig gehört, sind keine Rechtsverordnungen, sie sind Verwaltungsvorschriften und können daher die Benutzer nur schwach binden. Es sind keine Grundrechtseingriffe möglich, ausser die durch den Benutzungszweck vorgesehenen.

Um aber einen quasi-gesetzlichen Genehmigungszwang einzuführen wählte das Ministerium den Umweg über die Gebührenverordnung. 
KlausGraf meinte am 2007/01/14 23:44:
Stellungnahme Steinhauers
widerspricht mir nicht:
http://bibliotheksrecht.blog.de/2007/01/14/wirksame_nutzungsbeschrankungen_in_der_b~1555122 
 

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