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Deutschlandradio Kultur, 6.03.2007
Sparzwang bringt Ordensbibliotheken in Gefahr

Auch in Klöstern muss gespart werden - mit teilweise schlimmen Folgen für die dortigen Buchbestände. Aus Geldmangel würden wertvolle Sammlungen allzu schnell abgegeben oder zerschlagen, kritisiert die Arbeitsgemeinschaft Katholisch-Theologischer Bibliotheken (AKThB). In einigen Fällen seien sogar historische Exemplare über das Internet-Aktionshaus e-bay verkauft worden. Die Arbeitsgemeinschaft klagt aus aktuellem Anlass: An der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt sind mehr als achtzig Tonnen vermutlich wertvoller Bücher im Reißwolf gelandet, die der Kapuziner-Orden der Hochschule überlassen hatte. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen die Bibliotheksdirektorin der Universität wegen des Verdachts auf Untreue.

Der Deutschlandfunk brachte hierzu in der Sendung Campus & Karriere vom 06.03.2007 ein Gespräch mit Jochen Bepler zu bedrohten Büchersammlungen in Kirchenbesitz (Autor: Lothar Guckeisen, 05:40 min, mp3), das wir nachfolgend dokumentieren:

(...) Der Fall ist dubios und auch im Moment noch etwas undurchsichtig, aber er wirft auch ein Licht auf ein grundlegendes Problem - das sagt jedenfalls Jochen Bepler, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft katholisch-theologischer Bibliotheken:

B: "... zunächst haben wir es mit Sparzwängen zu tun, denn die kirchlichen Bibliotheken leben von Kirchensteuer und die Entwicklung des Kirchsteueraufkommens ist natürlich allgemein bekannt, das geht stark zurück. Wir haben deswegen entsprechende Personalnäte, Platznöte, Haushaltsnöte, und das wirkt sich u.U. mit einem Rigorismus aus, den man so nicht haben möchte.

Das zweite ist, dass sich sicherlich auch die Ansicht zum "alten Buch" geändert hat; man muss davon ausgehen, dass Bücher, alte Bücher zumal, bis ins 19. Jh. aber vor allem 16. und 17. Jh. individuelle Einheiten sind, also kein Buch dem andern vergleichbar. Die Texte sind gar nicht so sehr entscheidend als das Drumherum: der Einband, die Prägungen, die handschriftlichen Beigaben, ... Wir müssen also immer von Individualitäten ausgehen, die Lebensgeschichte transportiert, und zwar ... des jeweiligen Besitzers und Lesers. Und das ganze gehört natürlich in ein Ensemble, d.h. das Buch, das daneben steht, charakterisiert dieses Buch auch. ... Ein Sammelband Lutherschriften ist an sich schon eine Kostbarkeit, wenn sie das aber wie hier im Hause etwa in einer Jesuitenbibliothek finden, öffnet das einen ganz anderen Interpretationshorizont.

DLF: Sie haben gerade dargestellt, dass diese Bücher natürlich von einem ganz besonderen Wert sind, aber eben auch sehr aufwendig instandzuhalten. Sind denn Klöster und Orden überhaupt finanziell dazu in der Lage? Sie haben eben gerade gesagt, Sparzwang, das sei ein grundlegendes Problem - das wirft ja schon die Frage auf: ist das überhaupt noch zu leisten mit den Mitteln?

B: Für viele Klöster, so fürchte ich, wird es nicht mehr zu leisten sein auf lange Sicht, da sind im Augenblick genau wie in der Kirchenverfassung große strukturelle Wandlungen im Gange; das kann professionell so wohl nicht immer geleistet werden und wird auch in Zukunft abnehmend geleistet werden können. Hier muß die Hilfestellung vor allem der Diözesen, aber auch der Bibliothekare und Bibliothekarinnen speziell kommen, damit die Bestände in ihrer wissenschaftlichen Relevanz erhalten bleiben können.

DLF: In den vergangenen Jahren mussten ja bereits einige Klöster schließen - was passiert denn in der Regel mit den Büchern?

B: Das ist glücklicherweise unterschiedlich. Es kommt auch zu Verkäufen im Einzelnen - leider erfährt man davon erst hinterher, aber im Regelfall können sie in Diözesanbibliotheken übernommen werden, oder ... in staatliche Obhut übernommen werden, und wir können bei manchen Sachen auch dann vorher schon entscheiden, in wieweit die Dinge zu erhalten wesentlich sind oder nicht.

DLF: Der Geschäftsführer des Aachener Hochschularchivs Klaus Graf sagt, dass jedes Jahr so zwei, drei Klosterbibliotheken verkauft werden, ohne dass einer was davon mitbekommt. Ist das nicht auch ein Problem, dass hier eben möglicherweise Missbrauch getrieben werden kann oder zumindest Schlamperei?

B: Die Gefahr besteht immer, aber im Regelfall wird bei den Klosterbibliotheken, vor allem bei den kleineren ... natürlich die wissenschaftliche und erbauliche Literatur, die für den Klosteralltag relevant ist, vorgehalten - diese Bibliotheken sind vom Erhalt her nicht so dramatisch zu beurteilen. Das, was an Altbeständen im kirchlichen Besitz ist, ist im wesentlichen bekannt - da kümmern wir uns auch drum; dann kann man immer noch nicht ausschließen, dass das auch mal in den Handel gerät, aber im Regelfall können die Kolleginnen und Kollegen das einigermaßen auffangen, und wir versuchen es dann öffentlich zugänglich unterzubringen.

DLF: Was da jetzt in Eichstätt passiert ist, die tonnenweise Vernichtung von historischen Büchern, war das ein heilsamer Schock, daß man sagt: wir müssen uns generell etwas sorgfältiger um Klosterbibliotheken kümmern? Was ist da ihr Eindruck?

B: Ein heilsamer Schock sicherlich für die Öffentlichkeit; für die Mitarbeiter und für die Bibliothekarinnen und Bibliothekare ist das im wesentlichen als Problem längst erkannt, und wir versuchen auch, Einfluß zu nehmen, wo immer möglich.

DLF: Finden Sie denn Gehör bei den Kirchen?

B: ... Das ist sehr unterschiedlich. Leider nicht in dem Umfang, in dem es die Bestände rechtfertigen. Wir können uns da durchaus Öffentlichkeit wünschen und eine stärkere Beachtung dieser Probleme, denn das meiste beim bibliothekarischen Berufsstand findet wenig spektakulär statt. Man kann mit den klassischen Tätigkeiten, die notwendig sind, um etwas zu erschließen, d.h. also öffentlich zugänglich zu machen, damit kann man keinen presseöffentlichen Blumentopf gewinnen, sondern nur mit den spektakulären Dingen. Aber hier kommen wir wieder in die Haushaltsschere hinein: die großen Projekte und Einzelstücke, die finden immer ihren Weg in eine öffentliche Beachtung; aber die Ensemble, die auch erst durch Ensemble wirken, die sind schwerer darzustellen und bekannt zu machen.

(Das Gespräch führte Lothar Guckeisen)
 

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