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Eberhard Koestler schreibt mir:

Als Vorsitzender des "Verbandes deutscher Antiquare" werde ich daher anwaltlich prüfen lassen, in wieweit man mit Rechtmitteln gegen rufschädigende öffentliche Äußerungen von Ihnen, wie etwa "Der Antiquariatsbuchhandel ist ein halbseidenes Gewerbe, in den Randzonen offen zur Kriminalität" ( http://archiv.twoday.net/stories/3399900/ ) vorzugehen, um eine Unterlassung zu erwirken.

Ich sehe keinen Grund, diese Aussage zurückzunehmen. Sie ist vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt.
Ladislaus meinte am 2007/03/14 16:21:
Dass der "Verband deutscher Antiquare" über die kriminalitätsaffinen Randzonen noch nie ein Wort verlor (oder gibt es wenigstens eine Äußerung über "Schwarze Schafe"? in jedem Gewerbe gibt es so etwas), aber den erstbesten Kritiker in geradezu unerhörter Weise mundtot machen will, bestätigt wohl, wer hier etwas zu verbergen hat. Es ist doch eine bare Selbstverständlichkeit, dass sich jeder Second-Hand-Handel wenigstens an seinen Randzonen in die Gefahr von Hehlerei begibt. Solange diese Randzonen klar bekannt und halbwegs überwachbar sind, ist das auch kein großes Problem.

Ich denke auch, dass KG nach diesen albernen Drohgebärden keineswegs zurückstecken muss. Im Gegenteil. Übrigens wurde hier nicht der "Verband deutscher Antiquare" "beleidigt", obwohl mir sofort mindestens ein Name auch unter dessen erlauchten Mitgliedern einfallen würde, der sich bei genauerem Hinsehen nicht gerade als das weißeste Schaf der Antiquariatsherde erweisen dürfte.

Koestler soll doch erst mal ein Gegenbeispiel bringen: wo wurde in Deutschland in den letzten 20 Jahren durch das beherzte Eingreifen des Anitquariatsbuchhandels eine Sammlung gerettet oder auch nur in "gute Hände" verbracht? Wo wurde durch den Antiquariatshandel ein einziges Buch gerettet oder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht? Im Gegenteil fallen einem zig Beispiele ein, wo Sammlungen undokumentiert zerrissen, staatliches Archivgut verhökert, Bücher und Grafiken zerschnitten, Kulturgüter unter zweifelhaften Bedingungen ins Ausland verbracht wurden oder zumindest werden sollten. Die Liebe zum Kulturgut Buch sieht anders aus. Wenn man der auch in Antiquariatskreisen gerne gepflegten Tradition der großen Antiquare, ihrer Sammlungen, Kunden und Kataloge gedenkt - dann wird einem wirklich schlecht, wenn man zusieht, was manche Antiquare heute so treiben. 
Rosenlauer meinte am 2007/03/14 18:25:
Üble Nachrede und Verleumdung
Das von Klaus Graf für sich in Anspruch genommene "Recht auf freie Meinungsäußerung" wird vom Strafgesetzbuch (StBG) wie folgt eingeschränkt:
§ 186 Üble Nachrede
Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

§ 187 Verleumdung
Wer wider besseres Wissen in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder dessen Kredit zu gefährden geeignet ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Es kann gar keine Rede davon sein, daß Graf "mundtot" gemacht werden soll, wie der Kommentator "Ladislaus" meint, aber er muß sich schon wie jeder andere Bürger an das geltende Recht halten. In diesem Falle ist er nicht Opfer, sondern Täter; das Strafrecht spricht da eine zu eine deutliche Sprache. 
Ladislaus antwortete am 2007/03/14 23:14:
Zu übler Nachrede und Verleumdung gehört auch, dass sich solche Straftaten auf bestimmte Personen oder halbwegs dingfest zu machende Personenmehrheiten beziehen. Allgemeine Aussagen selbst polemischster Art wie "Soldaten sind Mörder" sind letztlich legal, wie zahlreiche Freisprüche beweisen. Da kann auch das Bellen des offenkundig getroffenen Hundes "Rosenlauer" nichts daran ändern. Das war übrigens nur eine schiefe Metapher und keine Herabwürdigung. Meine Güte, liebe Antiquare, werdet mal erwachsen und kehrt vor der eigenen Haustüre. 
Prospero meinte am 2007/03/14 23:16:
Selbst wenn...
an gewisse Grenzen gestoßen sein sollte - ich sehe nicht wo in dieser einen speziellen Aussage nun wirklich direkt auf den "Verband deutscher Antiquare" eingegangen wird. Dann hätte ich persönlich wohl auch ein Problem damit, aber die generelle Aussage über einen Berufszweig, so unschön sie vielleicht auch sein mag, erscheint mir immer noch als vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt.
Es mag ja natürlich auch sein dass in irgendeinem anderen Artikel sich eine spezielle rufschädigende Aussage finden mag. Dafür hätte man dann aber auch gerne irgendwelche Hinweise. Sofern die nicht geliefert werden ist das Verhalten des Verbandes sehr - nun - formulieren wir es wertneutral - merkwürdig...
(Abmahnblog schon informiert?)
Ad Astra 
Ladislaus antwortete am 2007/03/14 23:20:
Genau. Und als nächstes klagt der Bund der Prostituierten gegen die katholische Kirche wegen der Aussage im Katechismus "Prostitution ist eine Geißel der Gesellschaft." 
Rosenlauer meinte am 2007/03/14 23:58:
Grenzenlose Freiheit?
Mit der freien Meinungsäußerung ist das eben so eine Sache. Die Freiheit stößt nämlich dort an ihre Grenzen, wo die Rechte anderer verletzt werden. Daß dabei nicht zwingend eine bestimmte Person oder ein fest umrissener Personenkreis in seinen Rechten verletzt werden muß, zeigt ein bekanntes Beispiel: strafbar macht sich (in Deutschland), wer die historische Realität des Holocaust leugnet. Das ist nun freilich keine Verleumdung, sondern Schlimmeres, zeigt aber eben auch eine Grenze in der Freiheit der Meinungsäußerung. Man muß gar nicht persönlich getroffen sein, um diese Grenze anzuerkennen, es braucht dazu nur etwas natürliches Rechtsempfinden. Mehr setzt auch der von Kant dargestellte "kategorische Imperativ" nicht voraus. 
CH. antwortete am 2007/03/15 01:54:
Bleiben wir doch bitte beim Thema!
Es ist nicht nur mit der Meinungsfreiheit "so eine Sache", das ist auch mit der Brauchbarkeit von Analogien der Fall. Kennen Sie Godwin's Law? Falls nicht, lesen Sie es doch bitte mal kurz nach:
http://de.wikipedia.org/wiki/Godwins_Gesetz

Was mich jedoch viel mehr interessieren würde als Ihre höchstwahrscheinlich vergeblichen Versuche, Grafs Äußerungen in ein strafrechtlich relevantes Umfeld zu bringen, sind Antworten auf die von Ladislaus aufgebrachten Fragen: "Wo wurde in Deutschland in den letzten 20 Jahren durch das beherzte Eingreifen des Anitquariatsbuchhandels eine Sammlung gerettet oder auch nur in "gute Hände" verbracht? Wo wurde durch den Antiquariatshandel ein einziges Buch gerettet oder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht?"

Das es gute, kompetenten und gewissenhafte Antiquare gibt, sei unbestritten. Genauso unbestritten, wie es die schwarzen Schafe gibt. Etwas anderes zu behaupten, ist (bestenfalls) hochgradig naiv. 
BCK antwortete am 2007/03/15 08:44:
Autographenjägern ins Stammbuch
Wer der Kunst sich weiht, gilt oft als Missetäter,
Und die Welt empfängt ihn vielfach mit Geheul.
Autographensammler aber sind Erfolgsanbeter,
Und Erfolgsanbeter sind der Kunst ein Greul!

Die selbstironische Haltung, das Verdikt von Wedekind als Motto zu nehmen, steht Herrn Köstler viel besser zu Gesicht als sein den eigenen Verband der Lächerlichkeit preisgebender Versuch, einen Kritiker mit haltlosen juristischen Drohungen einzuschüchtern. Ich nehme an, Wedekind hätte das mit dem "halbseidenen Gewerbe" sofort unterschrieben.

Die weltoffene Großmannshaltung, mit der Eberhard Köstler sich am Eingang seiner Internetseite http://www.autographs.de/ präsentiert, kontrastiert leider etwas mit dem lästigen Verhau aus hundertfachen Passwortabfragen, mit der er seine Website verbarrikadiert hat (ich nehme an, er übt noch - aber man merkt, daß er es nicht nötig hat, über das Internet Verkäufe zu tätigen). Aber wenn man die Abfragen für sein Pflegetool geduldig wegklickt (bitte nicht aufgeben und bis zu 5x "Abbrechen" klicken), kann man die Seiten sogar lesen.

Da lesen wir dann unter "Aktuelles":

Sommerkatalog 2006

Die lyrische Handschrift - 300 Gedichtmanuskripte, großenteils aus der Sammlung Georg Schneider

Unter diesem Titel vereinigt der neue Sommerkatalog 300 Autographen aus der Sammlung des Lyrikers, Erzählers und Übersetzers Georg Schneider (1902-1972), darunter Gedichtmanuskripte, Briefe und Albumblätter von Hermann Hesse, Wilhelm Lehmann, Johannes Bobrowski, Max Dauthendey, Ricarda Huch und vielen anderen sowie die handschriftliche erste Fassung von Franz Grillparzers Gedicht „Verwünschung“ (1827) und eine der berühmten „Klecksographien“ Justinus Kerners aus dem Jahre 1857.

"Es ist eine merkwürdige Sache mit diesen Gedichtautographen. Jedes einzelne Stück ist ein Werk für sich, eine mahnende, erinnernde, erzählende oder gestische, in jedem Fall aber lyrische Stimme; und die ganze Sammlung vereint sich zum seltenen Fall eines buchstäblich gemischten Chores. Der nachfolgende Katalog ist selbst wieder ein umfangreiches eigenartiges Gedicht, dessen Zitatzeilen vieles von dem anklingen lassen, was sich erst dem aufmerksamen Leser und erst recht dem kundigen Sammler erschließt."

(Dirk Heißerer im Vorwort zum Katalog über die Sammlung Georg Schneider)

Gerne senden wir Ihnen den Katalog zu. Oder Sie werfen unter "Kataloge" einen Blick in die PDF-Version.

[Zitat Ende. Bei der verlinkten PDF-Version hilft aber auch kein Wegklicken mehr - Error 401 - Unauthorized; dank Google kann man sich aber wenigstens eine on the fly konvertierte html-Fassung anschauen,
http://www.google.com/search?q=Kat06_Sommer_web.pdf ]

Man erkennt hieraus schon das Dilemma, in dem sich der ganze Autographenhandel befindet - um die vielen leidenschaftlichen Sammler versorgen zu können, werden gewachsene Sammlungen zerschlagen, da klingt vielleicht ein bißchen Wehmut an, aber man macht es - bedenkenlos. Und die letzte Dokumentation der Sammlung vor ihrer endgültigen Zerschlagung gibt dann einen noblen Antiquariatskatalog ab. Fügt sich philosophisch ja bestens in den ewigen Zyklus des Werdens und Vergehens ein.

Auch der Dichter Georg Schneider (1902-1972) war - in Einklang mit seinem Engagement als Übersetzer französischer, englischer und fernöstlicher Lyrik sowie als Herausgeber von Anthologien - ein leidenschaftlicher Sammler, in seinem Falle von Gedichtmanuskripten. Bloß: "Nur weniges erwarb er im Handel oder im Tausch, das meiste kam durch hochherzige Spenden seiner Dichterfreunde und -kollegen zustande. So entstand allmählich eine lyrische Anthologie in Originalhandschriften, in der die für Schneider wichtigsten Dichter zwischen 1940 und 1960 mit ausgewählten Proben vertreten sind." Hieraus wurde später der im Krefelder Scherpe-Verlag erschienene Faksimileband "Gedicht und Geschrift. Lyrik der Gegenwart in Handschriften mit einer Vorerinnerung von Ernst Penzoldt". Im Vorwort riet dieser dem geneigten Leser, "[...] dieses Schriftbilderbuch mit allem Ernst durchzunehmen […] je naturgetreuer, je raffinierter die Nachahmung geglückt sein wird umso schmerzlicher mag man empfinden, dass es eben leider doch nicht das Original sei […]." Köstler kommentiert das so:
Diesem nachvollziehbaren schmerzlichen Empfinden angesichts der "Mängel, die sich notwendig bei der mechanischen Wiedergabe eines so zarten Gebildes, ja Wesens wie der menschlichen Handschrift, nie ganz werden vermeiden lassen, auch bei der größten Sorgfalt nicht", kann man nun durch eine einfache Bestellung aus unserem Katalog leicht entgegenwirken und abhelfen. Der gedruckte Katalog selbst ist wiederum das, was Penzoldt für den Faksimileband beansprucht: Ein besonderes Zeugnis; und wenn er "mit teilnehmender Liebe betrachtet wird, dann wird er ein wesentlicher Beitrag zur Wahrheit der dichterischen Gestalt sein."

Dirk Heißerer endet sein Vorwort zum Katalog mit dem Satz: Was aber bleibet, das stiften gerade in diesem Fall einer einzigartigen Lyriksammlung deren Dichter (und Dichterinnen); und wer mag, der kann sie auf den leichten Blättern der Manuskripte zu sich bitten zu einer neuen Form angeregter Geselligkeit.

Das kann man feinsinnig nennen, oder auch für zynisch halten.
Dass Historiker und Literarhistoriker hier bisweilen eine etwas andere Perspektive haben (man denke etwa an das deutsche Literaturarchiv in Marbach, das für eine solche Sammlung ein idealer Ort gewesen wäre), versteht sich von selbst. (Heißerer ist selbst Literaturwissenschaftler, hat hiermit aber offenbar keine Probleme.)

Und was den Halbsatz betrifft "... in den Randzonen offen zur Kriminalität", so empfehle ich einen Blick in den Vortrag, den Hennadii Boriak, Direktor der staatlichen Archive der Ukraine, auf der VII. Europäischen Archivkonferenz in Warschau im Mai 2006 gehalten hat,

THEFTS IN ARCHIVES: NEW DANGER, NEW CHALLENGE
HOW TO PREVENT LOSSES : Position paper presented at the VII European Conference on Archives «Archivist: Profession of the Future in Europe» Warsaw, May 18-20, 2006 / by Hennadii Boriak
http://www.archives.gov.ua/Problems/Dop_Bor_Pol.pdf

Francois Lapelerie, Bibliothèque de l’université de la Méditerranée Aix-Marseille II schreibt auf der ExLibris-Liste über die ehemaligen Ostblockstaaten: "Those countries are systematically plundered, looted by organised gangs, who steal their goods in eastern countries to sell them in western countries. People steal to sell, and they sell to people who have money... In this case, thieves are in in eastern countries and customers in western countries. (...) Any kind of document or manuscrit, ancient or less ancient, precious or less precious. Everything that has a potential buyer is in danger." Von den Fällen, die Lapelerie beschreibt, waren auch angesehene Antiquariate wie Reiss und Hartung & Hartung betroffen, vgl. Copernic, Galilée, Ptolémée et les autres: Trafic de livres précieux en Europe l'Est, http://www.enssib.fr/bbf/bbf-2001-6/01-lapelerie.pdf . Boriak schreibt "For recent years European archival community has been facing the growing number of archives thefts which are becoming more mass in character." Und weiter:

Special attention should be drawn to documents sale via the Internet auctions.

Generally, Western respected collectors who deal with rare books, ancient maps and documentary rarities follow certain Code of Ethics; at least, some of them. Professional collectors’ associations, such as the Antiquarian Booksellers Association of America (ABAA) or International League of Antiquarian Booksellers (ILAB) pretend to take their Code of Ethics seriously: “It is the cornerstone document that makes us who we are: dedicated professionals with established reputations based upon integrity and reliability..” Point 3(b), in particular, stresses out that “... an Association member shall make every effort to prevent the theft or distribution of stolen antiquarian books and related materials. An Association member shall cooperate with law enforcement authorities and the Associations' Board of Governors in the effort to recover and return stolen materials, and apprehend and prosecute those responsible for the theft, including, but not limited to, providing the names of the persons involved”.

Activities of similar associations do not exclude the opportunities for archives and library thefts, but , at least, make it possible to keep a check on them.

The “documentary rarities” world lives an active and vigorous life. The respected worldwide known auctions, such as “Sotheby’s”, “Christie’s”, “Bohnams“, “Kotte-Autographs”, “Swann Galleries”, “Bohnams and Butterfields” and the like offer for sale (in particular, via the Internet) the autographs of outstanding public figures, mostly of the 20th century. The trade of these documents is constantly expanding and, thus, making the situation more precarious. Lermontov’s manuscripts, Turhenev’s letters, the Russian tsars’ decrees are being sold by “Sotheby’s”. Recently due to the uncleared origin of Rakhmaninov’s Second Symphony its author’s score has been withdrawn off sale at “Sotheby’s” (the estimated dollar value of the manuscript is approximately $950,000)
(...)
One of the European Internet auctions offered L. Trotsky’s autograph for €6.000. It is the last page of a German typescript dated by 1927. The document has no visual marks of a state archival holding. But the fact of vandalism is evident. Apparently, we will never know what way all identification sings of the rest of the typescript have disappeared.
(...)
Generally speaking, most of so-called “autographs” are the first pages of official documents torn out of files in barbarous manner, with instructions appended or the last pages signed by the authors.

One of the US Internet auctions posted clear cynical advertising (“180,000 autographs for sale. Authentity – 100%. Reasonable prices. All categories [of documents] available”). It is entitled “History for Sale” (...)

Und so weiter ... - ein Dokument des Grauens. 
Rosenlauer antwortete am 2007/03/15 09:55:
Only bad news are good news
"Wo wurde in Deutschland in den letzten 20 Jahren durch das beherzte Eingreifen des Antiquariatsbuchhandels eine Sammlung gerettet oder auch nur in "gute Hände" verbracht? Wo wurde durch den Antiquariatshandel ein einziges Buch gerettet oder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht?"
Nicht ist leichter, als die Frage von Ladislaus zu beantworten. Das Vermitteln von geschlossenen Sammlungen gehört zu den normalen Alltagstätigkeiten jedes tüchtigen Antiquars, nur wird darum normalerweise kein großes Tamtam gemacht. Nach der guten alten Pressemaxime "Only bad news are good news" wird lieber über Katastrophen berichtet. Schlichte Gemüter konstruieren sich aus solchen Nachrichten dann gerne Weltverschwörungstheorien und Dolchstoßlegenden. - Man muß nicht nur auf frühere Zeiten verweisen, wo durch die Hilfe der Antiquare ganze Universitätsbibliotheken neu aufgebaut wurden, indem wissenschaftliche Bibliotheken en bloc an die neu gegründeten Fakultäten in USA, Japan und an die jungen Universitäten in Deutschland, darunter auch Eichstätt, geliefert wurden. Eine vergnüglich zu lesende Dokumentation bietet "Die Bibliothek der Deutschen Sozialisten Cleveland/Ohio. Kommentierter Katalog des historischen Buchbestandes" (Antiquariat Inlibris 2001). Die Sammlung war jahrzehntelang eingemauert und ging geschlossen an eine amerikanische Universität. Dieselbe Firma verkaufte auch geschlossen die Lexica-Sammlung Seemann sowie Nachlässe von Max Reinhardt, den Brüdern Schrammel u. v. m. Das Antiquariat Blank trug in den vergangenen Jahren sogar mehrfach Sammlungen zusammen, die dann geschlossen den Besitzer wechselten. So etwa "Kafkas Bibliothek", die mit Hilfe einer deutschen Kulturstiftung ihren Platz in Prag fand. Und so weiter und so fort - man könnte mit Beispielen leicht ein ganzes Buch füllen. Die Arbeit des Antiquars wird wie die des Bibliothekars und Archivars in Bescheidenheit verrichtet, man arbeitet und Stillen und unbeachtet von einer weithin desinteressierten Öffentlichkeit. Aus der Froschperspektive des naiven Zeitungslesers und Internetbrowsers aber scheint die Welt voll zu sein von Zunamis, Flugzeugabstürzen, Vulkanausbrüchen und (in seltenen Fällen besonders selektiver Wahrnehmung) auch Bibliothekszerstörungen. 
Rosenlauer antwortete am 2007/03/15 10:30:
Wedekinds Gedanken
Es zeugt von erstaunlichen medialen Fähigkeiten des BCK, wenn er tatsächlich im Stande sein sollte, die Gedanken des 1918 von uns gegangenen Dichters Frank Wedekind zu erforschen und sogar zu wissen, was dieser unterschrieben hätte. Bei dergleichen Spökenkiekereien kann dann schon einmal der Klabautermann in die Gedärme des Computers fahren und ganz neue Paßwortsperren heraufbefördern, die für den Rest der Welt ebenso wenig einsehbar sind wie Wedekinds Gedanken über "Halbseidenes". Was die Ukraine betrifft, so hat uns ja zu olims Zeiten bereits Joschka Fischer im Zusammenhang mit der unseligen Visaaffäre beizupuhlen versucht, daß man dieses Land nicht pauschal als kriminell betrachten dürfe. Dann wollen wir das auch mal nicht tun, aber dennoch scheint es zwischen der BRD und der Ukraine ein gewisses Gefälle zumindest gegeben zu haben. Was es dort sicher nicht gibt ist ein so famoses Institut wie das SNM/DLA in Marbach. Aber so famos es ist, so kauft man dort nicht alles, was zum Verkauf steht, sondern wählt sorgsam aus. Aus gut unterrichteten Kreisen kann man daher in Erfahrung bringen, daß das Archiv an einem geschlossenen Erwerb der Sammlung Georb Schneider gar kein Interesse hatte. 
Ladislaus antwortete am 2007/03/15 11:05:
Re: Only bad news are good news
Danke für diese Hinweise. Umsomehr verwundert, dass auch diese lobenswerten und seriösen Antiquare sich zumindest bei den mir bekannten Messen und in den mir bekannten Verbänden anscheinend klaglos mit sehr viel weniger seriösen, skrupellosen Geschäftemachern gemeinmachen. Das von Klaus Graf in vorbildlicher Weise seit vielen Jahren dokumentierte Schicksal von Adelsbibliotheken z. B. zeigt m. W. nur Negativbeispiele (daher seine aus seiner Perspektive gewonnene und in dieser Perspektive durchaus richtige Einschätzung der Branche). Dass "der Adel" an der Misere ebenso schuld, wenn nicht schuldiger ist, ist klar. Aber da handelt es sich wenigstens nicht um Leute, die die Liebe zum Buch und zur Kultur ständig als Monstranz vor sich hertragen (von Ausnahmen abgesehen, z. B. Haus Baden). 
BCK antwortete am 2007/03/15 14:09:

Ad Rosenlauer: Niemand wird ausgerechnet dem Direktor der ukrainischen Archive unterstellen wollen, dass er sein Land pauschal als kriminell betrachten wolle. Aber es ist natürlich eine für's Geschäftemachen sehr komfortable Position, die Augen zu verschließen und einfach so zu tun, als ob dieser Schwarzmarkt nicht existiere. Hauptsache, man kann im Westen ungehindert weiter gute Geschäfte mit den im Osten geraubten Kulturgütern machen.

Noch ein Hinweis auf Praktiken der Branche:

Klaus Graf: Spannender Kulturgut-Krimi. (Rezension über: Opritsa D. Popa: Bibliophiles and Bibliothieves. The Search for the Hildebrandslied and the Willehalm Codex. With a preface by Winder McConnel. Berlin / New York: Walter de Gruyter 2003.) In: IASLonline [05.06.2004],
http://iasl.uni-muenchen.de/rezensio/liste/Graf3110177307_868.html

Darin zu einem Stück aus dem Quedlinburger Domschatz (Siegfried Kogelfranz / Willi A. Korte: Quedlinburg – Texas und zurück. Schwarzhandel mit geraubter Kunst, München 1994, S. 236 f.): »Tatsächlich scheint es zwischen 1986 und 1990 in Amerika keinen Handschriftenhändler von Rang gegeben zu haben, der nicht vom Samuhel-Evangeliar gehört hatte. Aber keiner, nicht ein einziger, gab je öffentlich Laut über den Skandal, keiner informierte eine zuständige Behörde. Vertraulichkeit ist halt, so das offenbar stets befolgte Motto der halbseidenen Branche, die Grundlage vom Geschäft«
N.B.: dies Zitat ist zur Abwechslung mal von Kogelfranz / Korte, nicht von Graf.

 
KlausGraf antwortete am 2007/03/15 22:21:
Antiquare als Kriminelle
http://log.netbib.de/archives/2004/08/05/antiquare-als-kriminelle/
http://log.netbib.de/?s=halbseid

Diese Aussagen wurden bislang nie beanstandet.

Das sind Wertungen und nur teilweise Tatsachenbehauptungen. Ein hartes Durchgreifen der Staatsanwaltschaften was die kunsthandelsspezifische "Kriminalität" anbetrifft, lässt sich nicht konstatieren. Rechtskräftige Verurteilungen oder auch nur staatsanwaltschaftliche Ermittlungen sind in Deutschland rar.

Wenn noch niemand wegen Zerlegens einer unersetzlichen Handschrift in seinem Eigentum aufgrund § 304 StGB verurteilt wurde - ist dann das Zerlegen legal? Die Unschuldsvermutung hat auch presserechtlich ihren guten Sinn, ist aber fehl am Platz, wenn es um Vorwürfe gegen einen Berufsstand geht.

Zur Rede steht neben der gemeinschädlichen Sachbeschädigung öffentlicher Denkmale nach § 304 StGB ( http://archiv.twoday.net/stories/3359620/#3359739 ) insbesondere die Hehlerei (§ 259 StGB) und der Verstoß gegen ausländische (Kulturgutschutz-)Gesetze.

Provenienzfälschungen könnten als Betrug gewertet werden und nicht nur als irreführende Werbung.

Ungezählt sind die Fälle, bei denen durch grob fahrlässige Unterlassung gebotener Provenienzrecherchen ein Schaden entstanden ist bzw. Diebesgut in den Handel gelangte.

Der Antiquariatsbuchhandel ist durchzogen von dubiosen, unethischen Verhaltensweisen - dies halbseiden zu nennen ist noch recht zurückhaltend. An den Rändern gibt es eine breite Grauzone
von halblegalem Verhalten, und vermutlich gibt es mehr schwarze Schafe, die tatsächlich Gesetze brechen, als dem Berufsverband lieb sein kann. Die Branche agiert im Halbdunkel, nur gelegentlich werden einschlägige Fälle bekannt.

Kunsthandel, Auktionshäuser (kleine und große) und Antiquariatsbuchhandel arbeiten Hand in Hand. Dass nur ausländische Händler unseriös sind, wird man kaum behaupten können. Die schmutzigen Machenschaften des Kunsthandels wurden wiederholt aufgedeckt, etwa von Michel van Rijn:
http://www.michelvanrijn.nl/

Oder von Peter Watson:

"Es ist schon interessant wie der internationale Kunsthandel, oder sollte man nach der Lektüre dieses Buches lieber sagen: der internationale Kunstbetrug, hinter einer Fassade der Anständigkeit residiert. In einem Gewerbe, welches nach außen die vornehme Maske der Diskretion, der Ehrlichkeit, der Vornehmheit und der Korrektheit zur Schau stellt, in seinem inneren System jedoch genauso handelt wie ein erfolgreicher Gebrauchtwagenverkäufer.

Da wird betrogen, gefälscht, Zoll und Steuer hintergangen. Papier werden manipuliert, Unterlagen verschwinden, doch nach außen tritt das Gewerbe makellos wie ein weißes Leinentuch auf.

Peter Watson, ein Kunstjournalist belegt in seinem Buch mehrere dunkle Kapitel im internationalen Kunst- und Antiquitätenhandel auf. Im Mittelpunkt seiner Recherche steht das Auktionshaus Sotheby. Versteigerungen werden manipuliert, Kunstobjekte aus ihren Ursprungsländern regelrecht gestohlen und auf Auktionen zum Höchstpreis versteigert. Viele leitende Angestellte von Sotheby`s sind genauso darin verwickelt wie die Geschäftsführer selber."
http://www.inkultura-online.de/sotheby.htm

Mich selbst hat vor einigen Jahren die Steuerfahndung kontaktiert, weil sie gegen das Donaueschinger Konsortium von Shapero/Heritage ermittelte. Was daraus geworden ist, weiss ich nicht.

Hier geht es nicht darum ein ehrenwertes Gewerbe anzuschwärzen. Es geht darum, dass nur scharfe Kritik und gesellschaftlicher oder politischer Druck den Antiquariatsbuchhandel dazu bringen kann, von unredlichen und kulturgutschädlichen Machenschaften Abstand zu nehmen. Bei den Antiken hat man sich von Seiten des Handels gezwungen gesehen, Lippenbekenntnisse gegen die Raubgräber abzugeben. Doch nur weil das Zerstören von Kulturdenkmalen wie einer Adelsbibliothek (oder das nach wie vor häufige Zerlegen mittelalterlicher Handschriften) durch Zerstückelung hierzulande nicht strafrechtlich verfolgt wird, ändert das nichts daran, dass der Unrechtsgehalt exakt der gleiche ist wie wenn man aus Schatzgier einen Grabhügel plündert und dabei historische Befunde zerstört. Wer das eine kriminell nennt, kann das andere nicht legal finden. 
Ladislaus meinte am 2007/03/15 10:04:
Selbsverständlich erfüllt der Antiquariatsbuchhandel eine unersetzliche Funktion für die Versorgung (auch von Bibliotheken) mit Literatur und auch für das Bewahren von Kulturgut. Denn wohin sonst sollten alte Bücher bei Nichtinteresse von Erben z. B. hin? Die Bibliotheken können und sollen nicht alles aufbewahren, und wohin deren Überforderung führt, zeigt sich gerade aufs schönste in Eichstätt. Antiquariate bewahren auch Dinge, die Bibliotheken nicht interessier(t)en (Comics, Romanhefte, Adressbücher, Firmenschriften). Dazu kommt: Wenn alte Bücher aller Art nur noch in Bibliotheken oder gar Museen schlummern, fehlt irgendwann das gesellschaftliche Milieu, das den Umgang mit solchen Büchern überhaupt noch als Selbstverständlichkeit begreift und den Wert nicht nur in Euro und Cent und wissenschaftlicher Verwertbarkeit, sondern auch in Lesefreude und Ästhetik sieht. Dann sind die Bücher in der Bibliothek, aber die potentiellen Leser existieren nicht mehr. Und der Steuerzahler fragt sich, was das dann noch soll. Ich erinnere daran, dass selbst die ach so konservative bad.-württ. CDU bis heute keinerlei Gefühl für die Bedeutung der Karlsruher Handschriften zeigt, dass selbst von den Kapuzinern selbst in der Causa Eichstätt nur technokratisches Drumherumgerede zu hören war.

Sammlungen nach Dokumentation auch wieder zu "zerreissen" gehört tatsächlich zum ewigen Kreis des Lebens von Büchern. Das Problem sind ja auch weniger neuere private Sammlungen, von denen es natürlich auch schön ist, wenn die ein oder andere in ihrer Gesamtheit erhalten bleibt. Dafür muss sich dann eben ein Sponsor oder Käufer finden, oder der Erblasser muss im Vorfeld tätig werden. Bei jahrhundertelang mehr oder weniger zufällig erhaltenen Privatsammlungen, bei in Jahrhunderten gewachsenen Adelsbibliotheken, bei Handschriftenbeständen wie in Karlsruhe, überhaupt bei Sammlungen von nationalem Wert muss aber dann auch Schluss sein mit dieser ansonsten legitimen Mentalität. (Analogie: Natürlich kann der Kunsthandel einzelne minder wichtige Werke verkaufen an wen er will, aber wenn die katholische Kirche mangels Mitgliedern den Kölner Dom verkaufen will, könnte man auch nicht eine Skulptur dahin, einen Schrein dorthin und einen Altar woandershin verkaufen. Beim Schloss Baden-Baden hat man aber genau das gemacht. Es gibt gewachsene Ensembles, die bewahrt werden müssen. Für jedes noch so unscheinbare Bodendenkmal gibt es bei Gefahr einen Aufschrei der Denkmalpflege, Bibliotheken und Sammlungen beweglicher Güter werden aber nicht einmal von den Spezialisten selbst – Antiquaren, Bibliothekaren, Sammlern – in der täglichen Praxis als schützenswert erkannt.)

Selbstverständlich ist auch nicht jede beliebige Klosterhandschrift von nationalem Wert, und wenn diese 1802 zerstreut wurden, ist der heutige Antiquariatshandel da als letztes daran schuld. Im Gegenteil: Weil es immer schon einen gewissen Markt gab für Handschriften, ist ihr materieller Wert überhaupt bekannt, und die Bestände sind schon daher vor dem Wegwerfen oder Zerstörung geschützt. Aber wenn ich auf der Stuttgarter Antiquariatsmesse mehrere Anbieter sehe, die immer noch den wirtschaftlich unsinnigen und moralisch barbarischen Akt begehen, Pergamentnotenblätter aus ma. Musikhandschriften herauszuschneiden und einzeln zu verhökern, empfinde ich ein mangelndes Bewusstsein dafür, was die da eigentlich in Händen halten. Gleiches gilt für aus Büchern geschnittene Holzschnitte und Karten. (Um beim Beispiel zu bleiben: Natürlich kann ein Altbaustoffhändler einzelne alte Steine, Fenster, Türen aus Abbruchhäusern in sein Sortiment nehmen und verkaufen, an wen er will. Aber wenn ihm jemand unter der Hand den Kölner Dom anbietet, wird niemand auf die Idee kommen, dass er diesen legitim auseinandernehmen kann und in Einzelteilen nach Japan verkaufen kann.) 
Rosenlauer meinte am 2007/03/15 14:40:
Ergänzung zum Kommentar von Ladislaus
Ladislaus betrachtet Vieles erfreulich differenzierter als KG. Ich möchte seinen Überlegungen noch drei hinzufügen:
1. Antiquar ist (Gott seis geklagt) leider keine geschützte Berufsbezeichnung. Jedermann kann sich so nennen, jeder kann sich beim zuständigen Amt eine Gewerbeerlaubnis als Antiquar ausstellen lassen, denn so will es die Gewerbefreiheit. Freilich, wer den Beruf wirklich ernst nimmt, muß eine langjährige Ausbildung durchlaufen, für die ein Hochschulstudium zwar keine unabdingbare Voraussetzung, aber doch eine sehr gute Voraussetzung ist. Gelehrsamkeit, Fleiß, Neugier und kaufmännisches Geschick zeichnen den rechten Antiquar aus. Da ist es dann mehr als ärgerlich, wenn Nichtskönner und Amateure, Abenteurer und Freibeuter sich dieselbe Berufsbezeichnung zulegen dürfen. Um sich dagegen wenigstens etwas abzusetzen, bleibt nur der Weg, sich einem seriösen Berufsverband anzuschließen, der durch seine Zugangsschranken und seine Qualitätsgarantien nur Antiquare mit einwandfreiem Leumund aufnehmen darf.
2. Es ist gar nicht, wie hier zu hören war, das vornehmliche Ziel eines Antiquars, eine gewachsene oder zusammengestellte Sammlung zu zerteilen und in Einzelteilen zu verkaufen, da es nicht nur unter kulturschützerischem, sondern auch besonders unter kaufmännischen Gesichtspunkten immer besser ist, eine ganze Sammlung geschlossen zu verkaufen, als in einzelnen Teilen. Was aber tun, wenn sich trotz aller Bemühungen kein Käufer für das Ganze finden lässt und der Auftraggeber zur Abwicklung drängt? Die Bibliothek in Donaueschingen würde noch heute bestehen, wenn sie nur Jemand zur Gänze vom Haus Fürstenberg übernommen hätte. Doch war dazu keine Stiftung, kein Bundesland, keine Privatperson willens oder in der Lage. Von der Versteigerung en détail haben nun viele öffentliche wie private Sammlungen profitiert, weil sie Bestandslücken schließen oder Kriegsverluste ergänzen konnten.
3. Eine kaufmännische Milchmädchenrechnung wäre es auch, vom Vandalismus einmal ganz abgesehen, würde man heute noch ein intaktes Stundenbuch in Einzelblätter zerteilen und sich davon einen besseren Gewinn erwarten als vom kompletten Werk. Man würde die Blätter mit den Miniaturen rasch verkaufen können und die Textblätter lägen wie Blei. Es ist in jeder Hinsicht besser, das intakte Buch anzubieten. Vor hundert Jahren war das anders. Man schätzte Stundenbücher nicht sonderlich hoch und zerteilte besonders inkomplette und beschädigte Exemplare in Einzelblätter. Diese Blätter sind natürlich erhalten und weil sie zu schön und zu interessant sind, um sie achtlos wegzuwerfen, kommen sie immer wieder und in gar nicht kleiner Zahl in den Handelskreislauf zurück. Wie schön, wenn dann auch nicht sehr betuchte Buch- und Schriftfreunde, die sich ein komplettes Livre d'heures niemals leisten könnten, so ein Schmuckstück als Beispiel einer untergegangenen Schreibkultur ihr eigen nennen können 
Rosenlauer meinte am 2007/03/16 00:14:
Der Aachener Reißwolf und sein Wärter
"Alle Hochschuleinrichtungen [der Rheinisch-Westfälischen Hochschule Aachen] müssen ihre Unterlagen nach Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen an das Archiv in die Kopernikusstraße weiterleiten. 'Wir sortieren die Dinge gewissenhaft, archivieren das dauerhaft Wichtige und entsorgen den Rest datenschutzgerecht', versichert Christine Roll. Das heißt konkret: Fünf bis zehn Prozent der Unterlagen oder Gegenstände landen letztendlich in den fünf Magazinräumen [...]" (Ilse Trautwein: Schatztruhe der Vergangenheit [Interview mit Professorin Dr. Christine Roll und Archivar Dr. Klaus Graf, in: RWTH inside. Zeitung der Rheinisch-Westfälischen Hochschule Aachen 3/2006. Seite 4)."'Wir wollen ein schleichendes Vergessen verhindern [...]', so der promovierte Historiker [Graf]" (Ebenda).
Na klar, das geht natürlich am Besten, wenn man 90 bis 95 Prozent der weitergeleiteten Unterlagen datenschutzgerecht entsorgt. Jeder, der des Archivars giftige Pasquille gegen die allgegenwärtige Kulturgutvernichtung liest, wird dafür sicherlich Verständnis haben. Ab in den Reißwolf mit ihnen (den Pasquillen), aber datenschutzgerecht! 
Ladislaus antwortete am 2007/03/16 09:47:
Si tacuisses... oder in der neueren Übersetzung von Dieter Nuhr: "Wenn man keine Ahnung hat: Einfach mal Fresse halten". 
FeliNo meinte am 2007/03/17 22:46:
nein
1. "Sammlungen" erwerben und bewahren kann nur der Staat. Ein Antiquar, der das täte, könnte seinen Laden zumachen, es sei denn er fände als Käufer den Staat. Der Antiquar kauft "Sammlungen" (wie zum Beispiel die von Schloss Neidstein, dessen neuer Besitzer, ein Hollywoodstar, sicher froh war, dafür ein- oder zweitausend Euro zu kriegen) und verkauft dann daraus die Spitzenstücke (bei der Sammlung aus Neidstein bereits geschehen).

2. Das Gewerbe war nie gemeinnützig, das hat ihm auch nie jemand vorgeworfen. Die Tatsache, dass das eine oder andere Stück in Bibliotheken kam durch den Handel, der in der Regel die Nase näher dran hat, ändert daran nichts.

3. Beim Spitzenhandel mit alten Schriften und frühen Drucken geht es unterdessen um viel, viel Geld, das in der Regel nicht von schlechten (amerikanischen) Eltern ist. In den Bibliotheken hierzulande zuweilen schmerzlich vermisste Stücke werden diesen durchaus schon mal vom Spitzenhandel angeboten, aber zu Preisen, die diese Institutionen nicht mal mit Spenden der Bürger oder sogar nationaler deutscher Einrichtungen zusammenbringen können; diese Stücke landen dann eben doch in New York in der Auktion und anschließend in einem privaten Tresor.

4. Diese Unsummen verführen, und zwar nicht nur zu gelegentlichen Attacken des Handels sogar auf Kulturgüter, sondern auch zum Tunnelblick. Alte Schriften und frühe Drucke sind und bleiben, selbst wenn die Wissenschaft ihren Inhalt längst erfasst hat, fragile Zeugnisse ihrer Zeit, deren Ästhetik und Technik und ihrer zuweilen atemberaubenden Dauer, die sich in Besitzereinträgen und handschriftlichen Marginalien offenbart und ein für allemal festgeschrieben hat.

5. Durch den WK II auseinander gewirbelte Sammlungen werden heute an dem einen oder anderen - öffentlichen! - Ort rekonstruiert, durchaus auch von Staatsdienern, die das allerdings off topic und in ihrer sogenannten Freizeit bewerkstelligen in der Hoffnung, das sich wenigstens für die Veröffentlichung (d.h.: Zugänglichmachung) dann Staatsknete herbeizaubern lassen könnte. Das soll mir ein Handel erst mal vormachen.

Was mich empört ist die Hartleibigkeit, mit der dem deutlich kritischen Ton Klaus Grafs, der ja nichts weiter als eine Mahnung ist, hier begegnet wird von einem "Anwalt" des Handels, um den niemand gebeten hat, nicht mal der Herr mit der Drohgebärde der Verleumdungsklage. 
BCK antwortete am 2007/03/18 12:06:
Fahrenheit 751 ?
Dir ham se wohl als Kind zu heiß jebadet ... 
FeliNo meinte am 2007/03/18 14:13:
Viel schlimmer: Hier hat jemand das Drehbuch für den nächsten James Bond verraten ...! 
 

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