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Nicht alles, was legal ist, ist auch legitim. Und nicht alles, was im moralischen Sinn als Betrug erscheinen mag, ist justiziabel. Diese Vorbemerkung ist - aus juristischen Gründen - erforderlich. Wenn im folgenden der Eindruck entstehen sollte, Christoph Graf Douglas sei ein Betrüger, so kann sich das allenfalls auf die Kategorie ethischen Verhaltens beziehen. Wer sich öffentlich als Kulturgutschützer feiern lässt (siehe auch http://archiv.twoday.net/stories/3332005/ ), muss es sich auch gefallen lassen, dass man seinen Umgang mit Kulturgut wertend als zutiefst unethisch und vor allem an Profitinteressen orientiert benennt und seinen Umgang mit den Verhandlungspartnern aus dem öffentlichen Bereich als unredlich und unfair. Als Mitglied des Stiftungsrats der Zähringer Stiftung ist Graf Douglas jedenfalls untragbar.

Licht auf sein windiges Geschäftsgebaren wirft eine neue Publikation des Herzog Anton Ulrich-Museums in Braunschweig:

Welfenschätze. Gesammelt, verkauft, durch Museen bewahrt, hrsg. von Gisela Bungarten/Jochen Luckhardt, Petersberg 2007

Es ist die Begleitpublikation zu einer kleinen Ausstellung:

http://www.braunschweig.de/veranstaltungen/blickpunkt/2007-06-07_welfenschaetze.html
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/kulturheute/641456/

Zitat aus dem Artikel des Deutschlandfunks:

Noblesse oblige, Adel verpflichtet! Doch für die Welfen, Deutschlands ältestes Adelsgeschlecht, gilt der von Balzac in Umlauf gebrachte Mahnruf offenbar nicht. Wenn die Nachfahren Heinrichs des Löwen von sich reden machen, dann mit dem Verschleudern unersetztlicher Kunstgegenstände, die man getrost zum kulturellen Erbe der Nation rechnen kann. Zwei besonders rücksichtslose Verkäufe markieren die unrühmlichen Höhepunkte der welfischen Skandalgeschichte: die Versilberung des legendären Welfenschatzes, dessen beste Stücke 1930 in die USA verscherbelt wurden, und die Versteigerung des einzigartigen Evangeliars Heinrichs des Löwen, dessen Rückkauf 1983 deutsche Spender und Steuerzahler die damals singuläre Horrorsumme von 32,5 Millionen Mark gekostet hat.

Was darüber hinaus von den Abverkäufen der letzten Jahrzehnte für die Öffentlichkeit gerettet werden konnte, zeigt in der Burg Dankwarderode das Braunschweiger Herzog Anton Ulrich Museum, in Betrieb seit dem 18. Jahrhundert, als das norddeutsche Herrscherhaus seine Verpflichtungen gegenüber der Allgemeinheit noch ernst nahm. Auf ganze vierzig Objekte bringt es die bescheidene Schau, die sich zur Hälfte aus Münzen und Medaillen im heutigen Besitz der Deutschen Bank zusammensetzt. Auf dem Andreastaler erinnert Georg II. daran, dass die Niedersachsen fünfmal den König von England stellten und von London aus die halbe Welt regierten, was den Prinzen Heinrich von Hannover veranlasst, im Kataloggrußwort über das kulturelle Gedächtnis seiner Familie nachzusinnen und dessen unaufhaltsamen Verlust zu beklagen.

Der letzte Coup galt vor zwei Jahren dem Familienbesitz auf dem Stammsitz Schloss Marienburg. Drahtzieher war der allmächtige Clanchef Ernst August, verheiratet mit Monacos Prinzessin Caroline und von der Boulevardpresse wegen seiner Eskapaden als Prügelprinz verhöhnt. An zehn Tagen kamen 20 000 Objekte unter den Hammer und spülten 44 Millionen Euro in die unersättliche Kasse der Welfen. Angeblich sollte mit dem Aktionserlös das sanierungsbedürftige Schloss zu einem "Neuschwanstein des Nordens" ausgebaut werden. Bisher wurde die Elektroinstallation erneuert und ein Besuchercafé eingerichtet.

Die Brosamen, die für das Braunschweiger Museum vom Tisch des Hochadels fielen, sind mit zwei Händen aufgezählt: Vier barocke Herrscherporträts, ein Paar Silberleuchter, ein Weinkühler, eine Partie Gläser und eine Serie Tischbein-Zeichnungen. Spitzenstücke wurden schon vor der Versteigerung für zahlungskräftigere Kunden beiseite geschafft: ein Van-Dyck-Gemälde, der sogenannte Calenberger Altar und der Prunkharnisch Herzog Heinrichs des Jüngeren.


Im Begleitband macht Luckhardt (S. 17f.) deutlich, dass bei der Vorbesichtigung am 15. Juni 2005 nur "kaum bedeutendes Auktionsgut zu sehen bekommen" haben, während Sotheby's dies in einer Pressemitteilung vom Oktober 2005 bestritt. Als durch den Auktionskatalog und zusätzliche Listen deutlich wurde, was tatsächlich auf den Markt gelangte, war ein Separatverkauf nicht mehr möglich und die Museen mussten mitbieten. Von 19 gewünschten Nummern konnte das HAU-Museum gerade einmal drei erwerben.

Die wahre Infamie von Graf Douglas verbirgt sich hinter der nüchternen Feststellung: "Aus Veröffentlichungen wurde nach der Auktion deutlich, dass weitere Kunstwerke nicht dort verkauft worden waren, sondern vorab an auswärtige Interessenten gerieten. Den "Calenberger Altar", ein Retabel um 1515 mit Porträts aus der Familie der Herzöge von Braunschweg-Lüneburg, zugeschrieben dem "Meister der Goslarer Sibyllen" erwarb das Museum of Fine Arts in Boston, den Prunkharnisch Heinrichs d. J. über einen englischen Waffenhändler die University Art Gallery in Rochester (NY)" (S. 18).

Es wurden also Stücke von herausragendem landesgeschichtlichem Rang, die auf die Liste national wertvollen Kulturguts gehörten, den niedersächsischen Museen vorenthalten und heimlich ins Ausland verkauft, was man durchaus einen veritablen Skandal nennen darf.

Bungarten ergänzt S. 20-23 nach Presseberichten weitere unerfreuliche Details zur Versteigerung auf der Marienburg:

* Graf Douglas stand eine handelsübliche Provision von 24 Prozent des Erlöses zu, also rund 10 Mio. Euro.

* Die Katalogisierung der Objekte (von "wissenschaftliche[r] Erfassung und Erschließung" würde ich anders als die Autorin S. 20 ungern sprechen) fand hastig in einem Flugzeughangar bei Amsterdam statt. Die Bearbeitung blieb "oftmals unvollständig".

* "Zusammengehörige Ensembles wurden auseinander gerissen, um sie in kleinen Lots für Käufer mit schmalem Geldbeutel attraktiv zu machen".

Auch Bungarten erwähnt die Vorabverkäufe. Ein Porträt von Anthonis van Dyck (1641) wurde am 7.12.2005 bei Sotheby's in London versteigert. "Graf Douglas ließ erklären, dass es weder Ernst August sen. noch dessen beiden Söhnen [...] gehöre. Man wisse nicht, wie es nach London geraten sei". Das gleiche schäbige Versteckspiel war auch bei der Gartenbibliothek zu beobachten:
http://archiv.twoday.net/stories/994008/
http://archiv.twoday.net/stories/931296/#986641

"Der Kunstberater der Welfen äußert sich nur ungern zu dem Fall. Sie seien vor Jahren von einem Engländer erstanden worden, sagt Graf Douglas, der als Sachverständiger der Welfen den Verkauf offenbar nicht verhindert hat. Vielleicht werde das noch rückgängig gemacht, “das ist noch nicht entschieden”, erklärt er nebulös. Sonst will er nichts dazu sagen" (FAZ 24.4.2005 S. 60)

Die "englischen Freunde" des Welfenhauses traten auch bei dem Evangeliar Heinrichs des Löwen in Erscheinung (S. 98), das an ausländische Verwandte verpfändet wurde. Das Königliche Haus Windsor hatte damals die Hände im Spiel, wie ein Sprecher des Buckingham Palas bestätigte.

Zu zurückhaltend wird die Preisgabe des mobilen Ausstattungskomplexes der Marienburg angesprochen (S. 22). Es ist bedauerlich, dass Bungarten nicht die
http://log.netbib.de/?s=marienburg
dokumentierte Kritik von Kunst- und Bauhistorikern anführt.

Der hannoversche Bauhistoriker Professor Günther Kokkelink und die Berliner Kunsthistorikerin Isabel Arends schlugen Alarm. Ausführliche Zitate in netbib:

http://log.netbib.de/archives/2005/10/04/welfenauktion-wertvolles-niedersachsisches-kulturgut-wird-verscherbelt/
http://log.netbib.de/archives/2005/10/04/welfen-auktion-schadigt-neugotisches-gesamtkunstwerk-der-marienburg/
http://log.netbib.de/archives/2005/10/10/welfen-verscherbelung/

Wer so mit unfairen Tricks arbeitet wie Graf Douglas, wer seine Verhandlungspartner wie ein Roßtäuscher hintergeht, indem er die wertvollsten Stücke dem Vorabverkauf entzieht und Objekte, die mit Fug und Recht als nationales Kulturgut gelten dürfen, heimlich ins Ausland verscherbelt, wer keinerlei Sinn für die Erhaltung intakter Ensembles hat - der sollte künftig in den Ministerien und Museen dieses Landes eine Persona non grata sein.
 

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