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Zuletzt haben wir die abwegige Ansicht des Datenschutzbeauftragten für MV kommentiert, der eine Einsichtnahme aufgrund des Informationsfreiheitsgesetzes für nicht möglich hält, wenn die Unterlage urheberrechtlich geschützt ist:

http://archiv.twoday.net/stories/4103327/

Der Datenschutzbeauftragte setzt sich damit eindeutig in Widerspruch zu seiner eigenen Stellungnahme vom Januar 2007 zu einem Entwurf für ein hessisches IFG. Es heisst dort:

"Als Anwendungsfall für den Schutz des geistigen Eigentums kommt vor allem das Urheberrecht in Frage. In der Praxis der Informationsfreiheitsbeauftragten ist noch kein Fall vorgekommen, in dem Urheberrechte dem Informationszugang entgegengestanden hätten. Dies ist auch kaum denkbar, da es sich beim Urheberrecht um ein persönliches Nutzungsrecht handelt, das durch die bloße Einsichtnahme nicht beeinträchtigt wird. Im Einzelfall kann höchstens die Herausgabe von Fotokopien nur eingeschränkt zulässig sein. Aber auch dann gilt, dass die unerlaubte Nutzung eines Werkes ohne Zustimmung der Urheberin oder des Urhebers in der Verantwortung der einzelnen Person liegt und diese ggf. strafrechtlich belangt werden kann. Vom Recht auf Informationszugang ist dies unabhängig."

http://www.lda.brandenburg.de/sixcms/detail.php?id=lbm1.c.387261.de&template=allgemein_lda

Dementsprechend heisst es in den Anwendungshinweisen zum Bundes-IFG, das Urheberrecht werde durch eine Akteneinsicht nicht verletzt (PDF).

Der Bundesbeauftragte hat die Stellungnahme seiner Kollegen nicht mitgetragen. Die erwähnte "Praxis der Informationsfreiheitsbeauftragten" bezieht sich NICHT auf die Praxis des Bundesbeauftragten, denn hier ist bereits 2006 ein Fall öffentlich geworden, bei dem eine Bundesbehörde die Einsichtnahme in ein Gutachten unter Hinweis auf die Stellungnahme des betroffenen Unternehmens und den Schutz durch das UrhG verweigert hat:
http://www.heise.de/newsticker/meldung/72938

Die besondere Brisanz der Thematik ergibt sich aus den Implikationen für die Archivbenutzung, denn es ist die Frage, wie lange die "Jüdischen Friedhöfe" angesichts der liberalen Benutzungspraxis der Archive, die beim geforderten berechtigten Interesse keine Hürden errichten (die Bundesarchivgesetz hat ja sogar ein Jedermannsrecht), belastbar sind.

Der Öffentlichkeit i.S. des § 6 UrhG nicht zugänglich sind Werke, "die in Form eines Manuskripts einem Archiv überlassen werden, das nur bei Nachweis eines besonderen Interesses Einblick gewährt", so Katzenberger in Schricker, UrhR ³2006, § 6 Rz. 14 unter Berufung auf Schiefler und OLG Zweibrücken "Jüdische Friedhöfe":
http://de.wikisource.org/wiki/Oberlandesgericht_Zweibr%C3%BCcken_-_J%C3%BCdische_Friedh%C3%B6fe

Zur Auseinandersetzung mit der archivfachlichen Literatur (insbes. Heydenreuter 1988) und dem urheberrechtlichen Schrifttum verweise ich auf die Seiten 30 ff. meiner Ausarbeitung zu Prüfungsarbeiten von 1989:
http://www.db-thueringen.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-6476/GrafDiplomarbeiten.pdf

Die besondere Brisanz für Archive ergibt sich aus den folgenden Tatsachen:
* Es sind in sehr viel größerem Umfang Unterlagen in Archiven urheberrechtlich geschützt, als Archivare gemeinhin wahrhaben wollen (Schutz der "kleinen Münze" bei Schriftwerken)
* Bei der Mehrzahl der geschützten Unterlagen ist von "verwaisten Werken" auszugehen, deren Rechteinhaber nicht ohne weiteres zu ermitteln sind.
* Archivare können nicht unterscheiden, welche Schriftwerke in der breiten Grauzone der Schöpfungshöhe geschützt sind und welche nicht.

Das Problem stellt sich aber außer bei den IFGs (samt vergleichbaren Vorschriften wie dem Umweltinformationsgesetz) und den Archiven auch noch bei der Einsichtnahme in unveröffentlichte Unterlagen, die in Bibliotheken, Museen und anderen Institutionen verwahrt werden.

Da § 12 Abs. 2 UrhG von der Kommentarliteratur teilweise als starker Geheimnisschutz interpretiert wird (Wandtke/Bullinger, Praxiskomm. zum UrhR ²2006 § 12 Rz. 19), wird man den Ausweg, dass die Behörde im Fall eines IFG Auskünfte aus dem Inhalt z.B. eines geschützten Gutachtens erteilen könnte, kaum für gangbar halten dürfen. Ein "informatives" (vs. "indikatives") Referat (also eine Zusammenfassung) wird als dem Urheber vorbehaltene Inhaltsmitteilung als unzulässig angesehen von Möhring/Nicolini, UrhG ²2000 § 12 Rz. 31.

Die Lösung des Problems ist einfach: Sofern ein Rechtsanspruch auf Einsicht (z.B. aufgrund eines Archivgesetzes oder IFG) besteht, geht dieser vor. Es findet keine Veröffentlichung im Sinne der §§ 6 und 12 UrhG statt.

Für Arbeitskopien ist § 45 UrhG, nicht § 53 UrhG heranzuziehen, da es nicht sein kann, dass z.B. eine Bürgerinitiative, die sich intensiv mit einem Gutachten auseinandersetzen muss, darauf verwiesen wird, dieses abzuschreiben, da kein privater Gebrauch vorliegt und die Voraussetzungen für den eigenen Gebrauch nach § 53 UrhG nicht gegeben sind.

Handelt es sich um Fotos, können diese überhaupt nicht "abgeschrieben" werden. Befinden sich Fotos Dritter in amtlichen Unterlagen, so sind diese ein integraler Bestandteil. Da Fotos aber immer urheberrechtlich geschützt sind, liefe das Einsichtsrecht, wenn man der inkompetenten Stellungnahme des MV-IFG-Beauftragten folgt, leer, sofern es um Themen geht, bei denen bildliche Darstellungen wichtig sind.
KlausGraf meinte am 2008/01/25 23:38:
Siehe nun auch
http://archiv.twoday.net/stories/4649547/ 
KlausGraf meinte am 2008/04/02 14:02:
Siehe auch die Berliner Position
http://archiv.twoday.net/stories/4832320/ 
 

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