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Willuhn, Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Köln, 18.6.2013 (Az.: 121 Js 572/12):

"[D]as auch aufgrund Ihrer o. a. Strafanzeige [Anm.: v. 2. Juli 2012] eingeleitete Verfahren habe ich nach Durchführung umfänglicher Vorermittlungen als eingestellt ablegen müssen, da ein die Aufnahme staatsanwaltlicher Ermittlungen berechtigender Anfangsverdacht eines strafrechtlichen relevanten Handelns des ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz (im Folgenden BfV) oder Dritter nicht gegeben ist. Insbesondere konnten keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für die Annahme gewonnen werden, die die Verwirklichung der Straftaten der Strafvereitlung gemäß § 258 StGB, der Urkundenunterdrückung gemäß § 274 StGB oder des Verwahrungsbruches gemäß § 133 StGB nahelegten. ....."
KlausGraf meinte am 2013/06/26 00:05:
Keine weitere Begründung?
Wolf Thomas (Gast) antwortete am 2013/06/26 08:43:
Doch -aber die folgt auf insgesamt 6 Seiten. 
anonym (Gast) meinte am 2013/06/26 22:10:
Begründung des Staatsanwaltschaft:
" .... Ein Anfangsverdacht der Strafvereitlung gemäß § 258 StGb - die Annahme einer Strafvereitlung im Amt gemäß § 258a StGB scheitert von vorneherein daran, dass Mitarbeiter des BfV keine zur Mitwirkung bei dem Strafverfahren berufenen Amtsträger sind - liegt nach dem Ergebnis der Vorermittlungen nicht vor. Zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für die annahme, durch die Aktenvernichtung vom 11.11.2011 habe eine strafrechtlich relevante Verstrickung des BfV oder sonstiger staatlicher Stellen in die MAchenschaften des NSU vertuscht werden sollen, konnten nicht gewonnen werden, Dies liegt in folgenden Feststellungen begründet:
Bei den am 11.11.2011 vernichteten Aktenhandelt es sich um sieben sog. V-Mann-Akten. Diese wurden für den NSU-Untersuchungsausschuss rekonstruiert. die Rekonstruktion der V-Mann-Akten war möglich, weil übergeordnet angelegte Sachakten nicht vernichtet worden waren, so insbesondere die im Bereich der V-Mann-Führung angelegte Sachakte "Operation Rennsteig" sowie die im Bereich der Auswertung geführte Sachakte "Thüringer Heimatschutz". Ein Abgleich des Akteninhaltes erfolgte schließlich auch mittels Daten in noch vorhandenen weiteren Dateien, u.a. über an V-Leute ausgezahlte Gelder und die dokumentierten Forschungs- und Werbefälle des Amtes.
Während diese V-Mann-Akten somit nur in der rekonstruierten Form zur Verfügung standen, wurden sämtliche weiteren relevanten Akten sowohl dem NSU-Untersuchungsausschuss als auch dem Unterzeichner im Original zur Einsichtnahme zur Verfügung gestellt. In diesem Zusammenhang ist die Kooperationsbereitschaft des BfV besonders hervorzuheben, das von der Möglichkeit einer Sperrerklärung nach § 96 StPO - alle betroffenen Akten sind als "Geheim" klassifiziert und tangieren den Kernbereich nachrichtendienstlicher Tätigkeit - keinen Gebrauch gemacht hat, was der Annahme eines Vertuschungsszenarios objektiv entgegensteht. Die im Original zur Verfügung gestellten Aktenstücke waren, soweit prüfbar, vollständig und frei von Änderungen oder Löschungen. Die Eingänge waren sämtlich fortlaufend beziffert, ohne dass Brüche oder Lücken ersichtlich gewesen wären. Die in mehreren erhalten gebliebenen V-Mann-Akten und auch zahlreichen sog. Werbungsakten befindlichen sog. Deckblattmitteilungen, also Aktenvermerke über die Inhalte der von den V-Leuten geschilderten Informationen, fanden sich, sofern ein entsprechender Sachzusammenhang festzustellen war, sowohl in der Sachakte "Operation Rennsteig" als auch in der Sachakte "Thüringer Heimatschutz" wieder. Der damit mögliche Vergleich zwischen den Inhalten der vernichteten und später rekonstruierten V-Mann-Akten und den Inhalten nicht vernichteter V-Mann-Akten bzw. Werbungsakten hatte zum Ergebnis, dass auf den Sachinhalt bezogen von einer nahezu vollständigen Rekonstruktion auszugehen ist.
Aus den rekonstuierten Akten ergeben sich aber weder Hinweise auf Personen, die dem NSU zuzurechnen sind, noch auf Sachverhalte, die in einem engeren Zusammenhang mit dem NSU stehen. Keiner der in den vernichteten V-Mann-Akten behandelten V-Leute gehörte zum Führungspersonal des "Thüringer Heimatschutzes", vielmehr handelt es sich um Randpersonen, die auch nur kurz als V-Leute verpflichtet waren.
Zur Motivation der Aktenvernichtung hat der Sonderbeauftragte des Bundesministers des Innern mitgeteilt, dass der die Vernichtung verantwortende Referatsleiter ihm, dem Sonderbeauftragten, gegenüber geäußert habe, Ziel der Vernichtung sei es gewesen, nach der Feststellung mangelnder Bezüge zur NSU und der aus seiner Sicht schon lange bestehenden Vernichtungsreife sich und seinem Referat angesichts der gleichwohl zu erwartenden zukünftigen Nachfragen, Wiedervorlagen und Prüfarbeiten "unnütze" Arbeit zu ersparen. Entsprechend soll er gegenüber einem der später mit der Vernichtung befassten Mitarbeiter geäußert haben: "Die Akten sind sauber, da ist nichts drin, die sind geprüft. Das reicht. Sonst haben wir die noch hundertmal auf dem Tisch liegen. Die sind sowieso zu alt. Die müssen weg." Dass mit der Vernichtungsaktion tatsächlich nur die Bereinigung des Aktenbestandes im Vordergrund stand, ist aber auch insoweit naheliegend, als es im Falle einer Vertuschung weder einen zutreffend datierten Vernichtungsauftrag gegeben hätte noch die übergeordneten Sachakten von der Vernichtung ausgenommen worden wären.
Bei dieser Sachlage besteht aber kein Raum für die Annahme einer Strafbarkeit wegen Strafvereitlung nach § 258 StGB, da eine Straftat, deren Verfolgung vereitelt werden könnte, nicht ersichtlich ist.
2. Auch ein Anfangsverdacht der Urkundenunterdrückung gemäß § 274 StGB besteht nach dem Ergebnis der Vorermittlungen nicht. Unabhängig davon, dass nach den vorstehenden Ausführungen zureichende Anhaltspunkte für eine zu verdeckende Straftat bereits in tatsächlicher Hinsicht nicht vorhanden sind, setzte die Annahme einer strrafbaren Urkundenunterdrückung die Absicht des Täters voraus, einem anderen Nachteil zuzufügen, wobei aber das bei Unterstellung eines Vertuschungsszenarios anzunehmende Ziel der Vereitlung staatlicher Strafverfolgung gerade nicht als solcher Nachteil anzusehen ist (vgl. zuletzt etwa BGH, Neue Zeitschrift für Strafrecht-Rechtssprechungsreport 2011, 276). Dass mit der Vernichtung der Unterlagen in sonstiger Hinsicht eine wie auch immer geartete Beweissituation zu Lasten Dritter hätte manipuliert oder vereitelt werden sollen, ist ebenfalls nicht erkennbar.
3. Schließlich setzte die annahme einer Strafbarkeit wegen Verwahrungsbruchs i. S. d. § 133 StGB voraus, dass der Beschuldigte oder ein Dritter, etwa der die Vernichtung anordnende Referatsleiter, die Vernichtung entgegen geltender Aufbewahrungsbestimmungen veranlasst hat. Solches kann indes ebenfalls nicht festgestellt werden.
Das Bundesverfassungsschutzgesetz und die damit korrespondierenden Dienstvorschriften enthalten zwar Höchstspeicherfristen für - personenbezogene Daten über Bestrebungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 4 BVerfSchG sind gemäß § 12 Abs. 3 S. 2 BVerfSchG spätestens 10 Jahre nach dem Zeitpunkt der letzten gespeicherten Information zu löschen -, aber keine Mindestspeicherfristen und damit einhergehende Vorgaben für die Aufbewahrung und Vernichtung der Akten. Nach der allegemeinen Vorschrift des § 12 Abs. 2 S. 1 BVerfSchG sind personenbezogene Daten zu löschen, wenn ihre Speicherung unzulässig war oder ihre Kenntnis für die Aufgabenerfüllung des BfV nicht mehr erforderlich ist. Damit eröffnet die eltztgenannte Voraussetzung in ihrer Unbestimmtheiteinen weiten Beurteilungsspielraum. Nach § 12 Abs. 3 S. 1 BVerfSchG prüft das BfV zudem nach festgesetzten Fristen und insbesondere bei der Einzelfallbearbeitung, ob gespeicherte personenbezogene Daten zu berichtigen oder zu löschen sind. Korrespondierend dazu gab es auch zum Zeitpunkt der vorliegend in Rede stehenden Aktenvernichtung die ausdrückliche dienstliche Anweisung, Altvorgänge jeweils bei Vorlage auf ihre Vernichtungsfähigkeit zu überprüfen. Hintergrund war der ausufernde Altaktenbestand, den zu bereinigen die Behördenleitung mit Rücksicht auf den Datenschutz bereits seit Jahren bestrebt war.
Für die Annahme einer Verletzung von Aufbewahrungsbestimmungen lässt sich schließlich auch nicht die Norm des § 20 BVerfSchG anführen. Zwar begründet § 20 Abs. 1 und 2 BVerfSchG eine Informationspflicht des BfV gegenüber Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden in Angelegeneheiten des Staats- und Verfassungsschutzes. Die Annahme einer Pflicht zur selbständigen Übermittlungen von Informationen zur Verhinderung oder Verfolgung von Staatsschutzdelikten i.S.d. § 20 Abs. 1 BVerfSchG scheidet aber aus, da die vernichteten Akten gerade keine relevanten Informationen enthielten. Ebenso wenig stand im Raum, dass die Polizei bzw. die Staatsanwaltschaften oder gar der Generalbundesanwalt i. S. d. § 20 Abs. 2 BVerfSchG um Übermittlung der in den Akten enthaltenen Informationen zur Verhinderung von Staatsschutzdelikten bitten könnten.
Der die Vernichtung verantwortende Referatsleite hätte zwar mit einer auf der Grundlage allgemeiner Amtshilfe vorgetragenen Bitte der Strafverfolgungsbehörden um Vorlegung der Akten zur "Operation Rennsteig" zur Erhellung der Hintergründe eines etwaigen Wissens des BfV über die Existenz des NSU und dessen Taten rechnen müssen. Eine solche Bitte wäre aber nur nach Maßgabe des § 96 StPO zu behandeln gewesen und hätte der Einstufung der Akten als vernichtungsfähig jedenfalls nach den geltenden Vorschriften nicht entgegegestanden, da die allgemeine Untersützung anderer Behörden nicht als eigentliche "Aufgabenerfüllung" i. S. d. § 12 Abs. 2 S. 1 BVerfSchG zu werten wäre.
ImErgebnis ist somit die vorliegend in Rede stehende Aktenvernichtung in Ansehung der feststellbaren Akteninhalte als mit den zum Vernichtungszeitpunkt geltenden Aufbewahrungsbestimmungen vereinbar anzusehen. Umgekehrt ist ein Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften oder dienstliche Vorgaben nicht belegbar. Dass die Annahme der Vernichtungsfähigkeit irrig und als jedenfalls tatsächlich unverständlich anzusehen ist, ändert nichts daran, dass es bei dieser Sachlage an einem Anhalt für die Annahme einer Strafbarkeit wegen Verwahrungsbruchs bach § 133 StGB fehlt, da der handelnde Referatsleiter dann jedenfalls einem eine Strafbarkeit ausschließenden Tatbestandsirrtum unterlegen wäre. Auch die Verwirklichung datenschutzrechtlicher Straftatbestände scheidet jedenfalls in Ermangelung der Annahme vorsätzlichen Handelns aus und auch für die Annahme der Verwirklichung eines möglicherweise ordnungswidrigen fahrlässigen Handelns ist angesichts der vorstehend geschilderten Rechtslage kein Raum.
Ob das Verhalten des Referatsleiters unter dienst- und fachaufsichtsrechtlichen Gesichtspunkten Anlass zu Maßnahmen gibt, obliegt nicht der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis der Staatsanwaltschaft. Zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen eines strafrechtlich relevanten Geschehens im Zusammenhang mit der Aktenvernichtung am 11.11.2011 konnten jedenfalls nicht gewonnen werden. Die Entfaltung weiterer strafprozessualer Maßnahmen war daher nicht möglich und das vorliegend Prüfungsverfahren als eingestellt abzulegen. ....." 
 

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