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Reform des Urheberrechts im "Zweiten Korb" / Prof. Dr. Gerald Spindler, Göttingen (NJW 2008, H. 1-2, 9 ff.)

... Der Autor stellt die wesentlichen Neuerungen im "Zweiten Korb" da, zu denen unter anderem die Aufgabe des Verbotes der Einräumung unbekannter Nutzungsarten, Änderungen der Open Source-Bewegung und des Systems der gesetzlichen Festlegung der Geräteabgaben zu Gunsten von Vereinbarungen durch die Konfliktparteien sowie die Neufassung der Schranken für Bildung und Forschung gehören.

Spindler (mit tatkräftiger Unterstützung seiner Mitarbeiter Judith Nink und Jörn Heckmann) gibt wie gewohnt einen verläßlichen und glasklaren Überblick zu den Neuregelungen und dem Kontext, in dem diese zu sehen sind. Der die Hälfte des Aufsatzes umfassende reiche Anmerkungsapparat ist eine Fundgrube für sich. Spindler berücksichtigt im Detail auch die Materialien aus dem Gesetzgebungsverfahren, die andere bisher außer Acht gelassen haben (mit den bekannten Folgen, z.B. beim Urheberrechtsbündnis). Sehr zu empfehlen!

Herausgegriffen seien hier lediglich einige Punkt im Zusammenhang mit §31a und §137l.

Spindler zu Unbekannten Nutzungsarten:
Auf der Hand liegen die Konflikte hinsichtlich des Widerrufsrechts bei mehreren Urhebern. Das Gesetz erfasst nicht nur Urhebergemeinschaften nach §§ 8, 9 UrhG [21], sondern auch jede Zusammenfassung von Werkbeiträgen oder mehreren Werken, etwa in einer Zeitschrift (§ 31a III UrhG). Demnach soll ein Urheber sein Widerrufsrecht nicht wider Treu und Glauben ausüben können, wenn sich die „Gesamtheit“ in der neuen Nutzungsart nur unter Verwendung sämtlicher Werke oder Werkbeiträge angemessen verwerten lässt. Indes ist der Begriff der „Gesamtheit“ gesetzlich bislang nicht definiert und nicht etwa auf den Begriff der Sammelwerke oder auf Datenbanken beschränkt. Maßgeblich wird hier eine Definition anhand der Nachfrage und damit der Vermarktung sein, da das Gesetz auf die Ermöglichung der Verwertung abzielt. (...) Aber auch die Ausübung des Widerrufsrechts wirft Probleme auf: Widerspricht etwa eine generelle Ausübung des Widerrufsrechts Treu und Glauben, wenn der Urheber damit eine eigene Veröffentlichung auf seinen eigenen Medien erreichen will?
In einer Fußnote nimmt Spindler hier ausdrücklich Bezug auf die Retrodigitalisierung nach §137l und die an den Universitäten kursierenden Musterbriefe. Es liegt jedenfalls nahe, dass kein Verstoß gegen Treu und Glauben vorliegt dürfte, wenn die Zielrichtung ist, dem Urheber die open access Publikation auf Schriftenservern der Universitäten zu ermöglichen, aber dem Verwerter und bisher ausschließlichen Inhaber aller sonstigen wesentlichen Nutzungsrechte zumindest ein einfaches Nutzungsrecht einzuräumen [unsere Interpretation, bck]. Spindler schreibt:
Vor dem Hintergrund des intensiven Eingriffs in Art. 14 GG [...] wird indes ein Ausschluss des Widerrufsrechts nur in Ausnahmefällen statthaft sein, da sonst das Eigentumsrecht des Urhebers vom Verhalten Dritter (der anderen Urheber) abhängt; gerade diese Regelung könnte sich damit als zukünftiger „Zankapfel“ entpuppen [...].
Zur Retrodigitalisierung und "Öffnung der Archive":
In entsprechender Weise sieht § 137 l UrhG eine Übergangsregelung für Altverträge vor, welche nach dem Urhebergesetz vom 1. 1. 1966 bis zum Inkrafttreten der Gesetzesreform geschlossen worden sind. Danach gelten die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unbekannten Nutzungsrechte als dem Lizenzvertragspartner eingeräumt, sofern der Urheber diesem alle wesentlichen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bekannten Nutzungsrechte ausschließlich sowie räumlich und zeitlich unbegrenzt übertragen hat. Hierdurch beabsichtigt der Gesetzgeber eine „Öffnung der Archive“ und eine Überführung bereits veröffentlichter Werke in neue Nutzungsarten, ohne dass der Verwerter jeden einzelnen Urheber ausfindig machen muss [...]. Damit der Urheber nicht schutzlos gestellt wird, kann dieser binnen eines Jahres nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung Widerspruch gegenüber seinem Vertragspartner erheben (vgl. § 137 l I UrhG). Für Nutzungsarten, welche erst nach dem Inkrafttreten des Zweiten Korbs als bekannt angesehen werden können, erlischt das Widerspruchsrecht hingegen nach Ablauf von drei Monaten, nachdem der andere die Mitteilung über die beabsichtigte Aufnahme der neuen Art der Werknutzung an die zuletzt bekannte Adresse des Urhebers gesendet hat, entsprechend § 31a UrhG.

(...)

§ 137 l UrhG erscheint trotz der Nachbesserungen nach wie vor nicht völlig geglückt: Eng verknüpft mit verfassungsrechtlichen Bedenken bleibt unklar, ob der Inhaber aller wesentlichen Nutzungsrechte lediglich ein einfaches oder ein ausschließliches Nutzungsrecht für die bislang unbekannten Nutzungsarten erhält; eine verfassungskonforme Auslegung legt hier eher ein einfaches Nutzungsrecht nahe
[Anm. 33, mit Verweis auf Spindler/Heckmann, ZUM 2006, 620].

Auch wird der begrüßenswerte Ansatz des § 137 l UrhG, der die Suche nach jedem einzelnen Urheber für die Auswertung in der neuen Nutzungsart vermeiden will, durch § 137 l I 4 UrhG ad absurdum geführt, wonach die Sätze 1 bis 3 des § 137 l UrhG nicht für zwischenzeitlich bekannt gewordene Nutzungsrechte gelten, die bereits einem Dritten eingeräumt worden sind. Von der Nutzungsrechtseinräumung an einen Dritten wird der Verwerter jedoch regelmäßig nur durch aktives Nachforschen Kenntnis erlangen können - eine Situation, die eigentlich gerade vermieden werden sollte [...].
Spindler lässt also keinen Zweifel daran, dass die 3-Monatsregel im Rahmen von Altverträgen keine Bedeutung für zum 1.1.2008 schon bekannte Nutzungsarten hat, dass also eine Verkürzung der Widerspruchsfrist auf 3 Monate durch Mitteilung des Verwerter über die beabsichtigte Aufnahme der Werknutzung nicht möglich ist (gegen Bauer, v. Einem, MMR 2007, 698).

Wichtig auch der Hinweis von Spindler, die "Reform dürfte neue Impulse für die Diskussion um eine AGB-Inhaltskontrolle von Lizenzverträgen nach §§ 305ff. BGB geben [...]. Genügt etwa ein Verwerter, der in seinen allgemeinen Lizenzbedingungen eine pauschale Nutzungsarteneinräumung für die Zukunft enthält, dem Schriftformerfordernis? Daran bestehen schon im Hinblick auf die Warnfunktion erhebliche Zweifel, aber auch im Hinblick auf das Transparenzgebot nach § 307 III BGB. Ob selbst ein ausdrücklicher Hinweis genügt, dürfte fraglich sein; eher entspricht eine ausdrückliche Einwilligung vergleichbar ausgestaltet den Klauseln im Rahmen der datenschutzrechtlichen Vorschriften [...] der Intention des Gesetzes.

Auf die Konsequenzen von § 38 im Zusammenhang mit §137l geht Spindler an dieser Stelle nicht näher ein (hierzu aber bereits ausführlich Spindler/Heckmann, ZUM 2006, 620), er verweist aber darauf, dass zwar die vorgeschlagene Ergänzung des § 38 UrhG zur gesetzgeberischen Flankierung der Open Access-Bewegung kein Gehör bei der Bundesregierung gefunden habe, dass es aber letztlich den Wissenschaftsorganisationen und Universitäten obliege, ob sie die Mittelvergabe an entsprechende Bestimmungen knüpfen (unter Verweis auf Hilty, Das Urheberrecht und der Wissenschaftler, GRURInt 2006, 179 (184ff.), vgl. auch Steinhauer, bibliotheksrecht.blog.de, 7.4.2006).

Ausführlich geht Spindler auch ein auf die Privatkopie und deren Vergütung, den Kopienversand auf Bestellung und die Regelungen für Elektronische Leseplätze. Eine nähere Besprechung müssen wir uns an dieser Stelle aus Zeitgründen versagen.

Update: vgl. auch die Besprechung von Steinhauer in bibliotheksrecht.blog.de">http://bibliotheksrecht.blog.de/2008/01/25/spindler_zum_zweiten_korb~3629529">bibliotheksrecht.blog.de vom 25.01.2008.
 

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