Ein Kernstück aus den Sammlungen des kunstbesessenen Truchsessen Max Willibald, das Mittelalterliche Hausbuch, über Jahrhunderte vom Fideikommiss der Familie geschützt, wird nun doch herausgebrochen und landet in einer Privatsammlung. Auch wenn versichert wird, es stehe für die Forschung und für Ausstellungen zur Verfügung, ist das eine Niederlage für den fideikommissrechtlichen Kulturgutschutz, den Denkmalschutz und den Schutz eines einzigartigen historischen Ensembles.
Die Stuttgarter Zeitung findet sich mit dem Verkauf ab:
Im Ergebnis hat dies am Verkauf an den Bankhaus-Erben August von Finck nichts geändert. Doch nun, da das Genehmigungsverfahren hochoffiziell durchlaufen ist, verliert der Verkauf den Ruch des Unanständigen. Die Gefahr ist gebannt, dass sich die Spur des Buches auf dem Weg durch private Tresore verlieren könnte. Das Hausbuch unterliegt weiter dem nationalen Kulturgüterschutz. Ein Weiterverkauf im Inland muss gemeldet, eine Veräußerung ins Ausland genehmigt werden. Immerhin handelt es sich um Privateigentum, wenn auch mit öffentlich-rechtlicher Nutzungsbeschränkung.
Ein öffentliches Museum, das hat Kunstminister Peter Frankenberg gestern versichert, hätte das Buch aus konservatorischen Gründen ohnehin nicht in einer Dauerausstellung präsentieren können. Der Forschung aber bleibt es erhalten, ebenso für gelegentliche Präsentationen. Insofern ist es akzeptabel, dass die Landesregierung darauf verzichtete, ihr Vorkaufsrecht auszuüben. Sie kann nicht allen klammen Adelshäusern aus der Patsche helfen. Und bleibt das Hausbuch auch nicht im Ländle, dann doch im Land.
Bei genauerem Hinsehen verstärkt sich der Eindruck einer Niederlage für den Kulturgutschutz, denn rechtsverbindliche Zusicherungen gibt es nicht:
Mit dem jetzt genehmigten Verkauf des Hausbuchs entfällt die Schutzwirkung des OLG-Beschlusses. Zwar hat Frankenbergs Ministerium versucht, das Aufsichtsrecht des Tübinger Regierungspräsidium auf den neuen Eigentümer zu übertragen, scheiterte damit aber ebenso wie mit dem Versuch, dem Land Baden-Württemberg ein Vorkaufsrecht zu erhalten.
Gleichwohl gelang es, dem Käufer einige Zugeständnisse abzuringen, deren Verbindlichkeit aber offenbar auf der Ebene einer Verständigung unter Ehrenmännern anzusiedeln ist. Der Käufer "will das Hausbuch für bedeutende Landesausstellungen in Baden-Württemberg und auch für bedeutende Forschungsvorhaben zur Verfügung stellen", heißt es in der Pressemitteilung des Kunstministeriums. Dessen Chef Peter Frankenberg legte am Dienstag Wert auf die Feststellung: "Vergleichbare Zusagen gab es vonseiten des bisherigen Eigentümers nicht."
Einen Kauf des Buches durch das Land hatte Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) abgelehnt. Er erklärte am Dienstag darauf, dass die Sanierung des Landesetats Vorrang habe. Außerdem wolle er keinen Präzedenzfall schaffen, der andere Adelsfamilien einlade, in ihren Kunstkammern nach Objekten zu suchen, die dem Land zum Kauf angeboten werden könnten. Diese Befürchtung hegt Oettinger nicht ganz zu Unrecht. Im Land gibt es 160 OLG-Beschlüsse zur Auflösung der alten Fideikommisse. Vier davon erstrecken sich auf die Familie Waldburg-Wolfegg. Sie beziehen sich auf die Schlösser, das Archiv, die Bibliothek und auf das Hausbuch. (StZ)
Ergänzend:
Eine weitere Bedingung für die Genehmigung war, dass die Handschriften konservatorisch sicher aufbewahrt werden. «Das hat der Käufer ausdrücklich zugesichert», sagte Staatssekretär Richard Drautz (FDP) vom Wirtschaftsministerium, das auch für den Denkmalschutz zuständig ist. Ob das Land auch künftig ein Vorkaufsrecht hat, ist strittig. Zwar habe die Regierung darauf gedrungen, doch sei es bei den Gesprächen «nicht durchsetzungsfähig» gewesen, sagte Frankenberg. (all-in.de)
Das Bayerische Oberste Landesgericht hatte den fideikommisrechtlichen Schutz bei Bibliothek und Archiv des Hauses Thurn und Taxis als starkes Recht ausgelegt. Die feige Haltung der baden-württembergischen Landesregierung, die es auf eine gerichtliche Auseinandersetzung hätte ankommen lassen müssen, schwächt den Fideikommiss-Schutz, der einzigartige Kulturgut-Ensemble schützt und zusammenhält nicht nur in Baden-Württemberg.
Wenn die bisherige Aufsicht wegfällt und nicht einmal ein Vorkaufsrecht bestehen bleibt, kann der nunmehrige Eigentümer, den man leichthin als Ehrenmann zu betrachten geneigt ist, nach einer Schamfrist mit dem Buch anstellen, was er möchte. Er unterliegt keiner denkmalschutzrechtlichen Erhaltungsverpflichtung, er kann es im Inland in sein Grab mitnehmen oder an einen Käufer veräußern, der dann keineswegs an irgendwelche Zusagen gebunden ist.
Es ist auch eine Lüge, dass eine Dauerausstellung für ein Museum nicht möglich gewesen wäre. Mit entsprechendem Aufwand hätte man sehr wohl eine mehr oder minder ständige Präsentation, die das Buch in seiner Substanz schützt, realisieren können.
Wenn bedeutendes Kulturgut in adeliger Hand dem Land angeboten wird, dann muss es dieses erwerben, damit es der Öffentlichkeit erhalten bleibt oder zugänglich wird. Dies hat man ganz selbstverständlich bei den Ankäufen vom Haus Fürstenberg (Handschriften, Inkunabeln und Druckschriften zum kleinen Teil, Musikalien, Nibelungenhandschrift) realisiert - es gibt die "Präzedenzfälle" also bereits.
Einmal mehr erweist sich Ministerpräsident Oettinger als kulturloser Banause. Eine einzigartige Chance wurde vertan, mit der Hilfe der Kulturstiftung der Länder hätte man das Hausbuch erwerben können - und müssen.
Übersicht der bisherigen Meldungen:
http://archiv.twoday.net/stories/4775647/
Siehe auch:
http://www.boersenblatt.net/188745/
Pressemitteilung des Wissenschaftsministeriums
Die Stuttgarter Zeitung findet sich mit dem Verkauf ab:
Im Ergebnis hat dies am Verkauf an den Bankhaus-Erben August von Finck nichts geändert. Doch nun, da das Genehmigungsverfahren hochoffiziell durchlaufen ist, verliert der Verkauf den Ruch des Unanständigen. Die Gefahr ist gebannt, dass sich die Spur des Buches auf dem Weg durch private Tresore verlieren könnte. Das Hausbuch unterliegt weiter dem nationalen Kulturgüterschutz. Ein Weiterverkauf im Inland muss gemeldet, eine Veräußerung ins Ausland genehmigt werden. Immerhin handelt es sich um Privateigentum, wenn auch mit öffentlich-rechtlicher Nutzungsbeschränkung.
Ein öffentliches Museum, das hat Kunstminister Peter Frankenberg gestern versichert, hätte das Buch aus konservatorischen Gründen ohnehin nicht in einer Dauerausstellung präsentieren können. Der Forschung aber bleibt es erhalten, ebenso für gelegentliche Präsentationen. Insofern ist es akzeptabel, dass die Landesregierung darauf verzichtete, ihr Vorkaufsrecht auszuüben. Sie kann nicht allen klammen Adelshäusern aus der Patsche helfen. Und bleibt das Hausbuch auch nicht im Ländle, dann doch im Land.
Bei genauerem Hinsehen verstärkt sich der Eindruck einer Niederlage für den Kulturgutschutz, denn rechtsverbindliche Zusicherungen gibt es nicht:
Mit dem jetzt genehmigten Verkauf des Hausbuchs entfällt die Schutzwirkung des OLG-Beschlusses. Zwar hat Frankenbergs Ministerium versucht, das Aufsichtsrecht des Tübinger Regierungspräsidium auf den neuen Eigentümer zu übertragen, scheiterte damit aber ebenso wie mit dem Versuch, dem Land Baden-Württemberg ein Vorkaufsrecht zu erhalten.
Gleichwohl gelang es, dem Käufer einige Zugeständnisse abzuringen, deren Verbindlichkeit aber offenbar auf der Ebene einer Verständigung unter Ehrenmännern anzusiedeln ist. Der Käufer "will das Hausbuch für bedeutende Landesausstellungen in Baden-Württemberg und auch für bedeutende Forschungsvorhaben zur Verfügung stellen", heißt es in der Pressemitteilung des Kunstministeriums. Dessen Chef Peter Frankenberg legte am Dienstag Wert auf die Feststellung: "Vergleichbare Zusagen gab es vonseiten des bisherigen Eigentümers nicht."
Einen Kauf des Buches durch das Land hatte Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) abgelehnt. Er erklärte am Dienstag darauf, dass die Sanierung des Landesetats Vorrang habe. Außerdem wolle er keinen Präzedenzfall schaffen, der andere Adelsfamilien einlade, in ihren Kunstkammern nach Objekten zu suchen, die dem Land zum Kauf angeboten werden könnten. Diese Befürchtung hegt Oettinger nicht ganz zu Unrecht. Im Land gibt es 160 OLG-Beschlüsse zur Auflösung der alten Fideikommisse. Vier davon erstrecken sich auf die Familie Waldburg-Wolfegg. Sie beziehen sich auf die Schlösser, das Archiv, die Bibliothek und auf das Hausbuch. (StZ)
Ergänzend:
Eine weitere Bedingung für die Genehmigung war, dass die Handschriften konservatorisch sicher aufbewahrt werden. «Das hat der Käufer ausdrücklich zugesichert», sagte Staatssekretär Richard Drautz (FDP) vom Wirtschaftsministerium, das auch für den Denkmalschutz zuständig ist. Ob das Land auch künftig ein Vorkaufsrecht hat, ist strittig. Zwar habe die Regierung darauf gedrungen, doch sei es bei den Gesprächen «nicht durchsetzungsfähig» gewesen, sagte Frankenberg. (all-in.de)
Das Bayerische Oberste Landesgericht hatte den fideikommisrechtlichen Schutz bei Bibliothek und Archiv des Hauses Thurn und Taxis als starkes Recht ausgelegt. Die feige Haltung der baden-württembergischen Landesregierung, die es auf eine gerichtliche Auseinandersetzung hätte ankommen lassen müssen, schwächt den Fideikommiss-Schutz, der einzigartige Kulturgut-Ensemble schützt und zusammenhält nicht nur in Baden-Württemberg.
Wenn die bisherige Aufsicht wegfällt und nicht einmal ein Vorkaufsrecht bestehen bleibt, kann der nunmehrige Eigentümer, den man leichthin als Ehrenmann zu betrachten geneigt ist, nach einer Schamfrist mit dem Buch anstellen, was er möchte. Er unterliegt keiner denkmalschutzrechtlichen Erhaltungsverpflichtung, er kann es im Inland in sein Grab mitnehmen oder an einen Käufer veräußern, der dann keineswegs an irgendwelche Zusagen gebunden ist.
Es ist auch eine Lüge, dass eine Dauerausstellung für ein Museum nicht möglich gewesen wäre. Mit entsprechendem Aufwand hätte man sehr wohl eine mehr oder minder ständige Präsentation, die das Buch in seiner Substanz schützt, realisieren können.
Wenn bedeutendes Kulturgut in adeliger Hand dem Land angeboten wird, dann muss es dieses erwerben, damit es der Öffentlichkeit erhalten bleibt oder zugänglich wird. Dies hat man ganz selbstverständlich bei den Ankäufen vom Haus Fürstenberg (Handschriften, Inkunabeln und Druckschriften zum kleinen Teil, Musikalien, Nibelungenhandschrift) realisiert - es gibt die "Präzedenzfälle" also bereits.
Einmal mehr erweist sich Ministerpräsident Oettinger als kulturloser Banause. Eine einzigartige Chance wurde vertan, mit der Hilfe der Kulturstiftung der Länder hätte man das Hausbuch erwerben können - und müssen.
Übersicht der bisherigen Meldungen:
http://archiv.twoday.net/stories/4775647/
Siehe auch:
http://www.boersenblatt.net/188745/
Pressemitteilung des Wissenschaftsministeriums
KlausGraf meinte am 2008/05/08 01:40:
Weiteres aus der Presse
FAZ"Die baden-württembergische Landesregierung genehmigte nachträglich den Verkauf der auf zwanzig Millionen Euro geschätzten wertvollen mittelalterlichen Handschrift an einen Kunstsammler aus Bayern und ließ sich von dem Käufer - wohl der Industrielle August Baron von Finck - die konservatorisch korrekte Aufbewahrung in einer schriftlichen Erklärung zusichern.
Nach einer Prüfung der Anfragen durch das baden-württembergische Wissenschaftsministerium will der Käufer die Handschrift für Forschungen und für größere Ausstellungen künftig herausgeben."
http://www.morgenweb.de/nachrichten/politik/20080507_srv0000002548068.html
"Kenner der Szene gehen davon aus, dass die oberschwäbische Adelsfamilie dringend Geld braucht."