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"Mit etwa 600 Millionen Teilen ist das ehemalige Stasi-Archiv wohl das größte Puzzle der Welt. Um aus den Papierschnitzeln die in den letzten Tagen der DDR hastig zerrissenen Spitzelakten wiederherzustellen, wurde am Fraunhofer Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK) der E-Puzzler entwickelt, ein Computersystem, das die einzelnen Fragmente analysiert und – in den meisten Fällen – wieder korrekt zusammensetzt. Nach dem erfolgreichen Start des Stasi-Aufarbeitungsprojekts soll diese Technologie nun unter dem Stichwort „Kulturrekonstruktion“ weiter genutzt werden.

Eines der nächsten Großprojekte, in dem das Verfahren zum Einsatz kommen soll, ist die virtuelle Rettung des eingestürzten Kölner Stadtarchivs, in dem mehrere Kilometer dicht gestapelter Dokumente unter Schlamm und Trümmern begraben wurden.

Die Vorbereitung zur virtuellen Rekonstruktion erfordert freilich noch jede Menge Handarbeit: Die Einzelteile müssen auseinandergeklaubt und eingescannt werden, ehe der E-Puzzler seine Arbeit aufnehmen kann. Im Fall der Stasi-Archive handelte es sich um 15.000 Säcke mit Papierschnitzel, wobei einzelne Seiten mit offenbar besonders brisantem Inhalt in 50 und mehr Stücke zerrissen wurden.

„Der E-Puzzler ist eine von uns selbst entwickelte Rekonstruktionssoftware, die mit komplexen Algorithmen der Bildverarbeitung und der Mustererkennung Papierfragmente automatisiert zu vollständigen Seiten zusammensetzt“, beschreibt Bertram Nickolay, Abteilungsleiter für Sicherheitstechnik am IPK, das Herzstück des Systems. So werden verschiedene Merkmale wie etwa Linienmuster, Papierstrukturen, Risskanten und Schriftzeichen extrahiert und gespeichert, und dann mit anderen Fragmenten verglichen. Wird keine Übereinstimmung gefunden, wird das Ergebnis gespeichert, und später, wenn neue Scans hinzugekommen sind, erneut in die Analyse miteinbezogen.

Die Anwendungsmöglichkeiten der Technologie sind vielfältig. So lässt sich das Verfahren beispielsweise in der Verbrechensbekämpfung einsetzen, um geschredderte Notizen wiederherzustellen, in Südamerika und Nordafrika sind bereits Regierungen an das IPK herangetreten, um mithilfe des E-Puzzlers die Missetaten früherer Regimes aufzudecken.


Über 2,5- zur 3-D-Rekonstruktion

Aber auch in der klassischen Archäologie sieht Nickolay ein breites Einsatzgebiet. So können zerfallene, ägyptische Papyrusrollen durch den E-Puzzler wieder lesbar gemacht werden, aber auch die Rekonstruktion dreidimensionaler Objekte wie etwa Skulpturen oder gar Bauwerke ist mit diesem Verfahren denkbar. Derzeit arbeiten die Forscher am IPK noch an den entsprechenden Algorithmen, wobei einen wichtigen Zwischenschritt die sogenannte 2,5-D-Rekonstruktion darstellt. Von zerbrochenen Steintafeln oder Wandfresken wird die Oberfläche zweidimensional abfotografiert und um die zugehörigen Tiefeninformationen ergänzt. „Aus mehreren 2,5-D-Aufnahmen, die alle Bereiche der Oberfläche eines Objekts abbilden, können in einem weiteren Schritt vollständige 3-D-Objekte gebildet werden“, erklärt Nickolay. Vereinfacht könnte dieser Prozess in Zukunft durch neue Scan-Methoden, die die Objekte gleich dreidimensional erfassen.

Letztendlich denkt man am Fraunhofer Institut aber auch über eine kommerzielle Verwertung nach und sucht in Zusammenarbeit mit der Wirtschaftsuniversität Wien nach Anwendungsmöglichkeiten und Geschäftsmodellen. Schon jetzt arbeitet das IPK mit zahlreichen Unternehmen wie SAP oder dem österreichischen Sicherheitsdienstleister SEC Consulting bei der Weiterentwicklung und möglichen Vermarktung der Forschungsergebnisse eng zusammen."

Die Presse", Print-Ausgabe, 21.10.2011
 

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