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http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/5497/

Graf, Klaus: Aus krichsscher sprach in das swebischs teutschs gebracht. Bemerkungen zu Reuchlins Patriotismus, in: Reuchlin und die politischen Kräfte seiner Zeit, hrsg. von Stefan Rhein (= Pforzheimer Reuchlinschriften 5), Sigmaringen 1998, S. 205-224

Scan mit leicht korrigierter OCR.

Der Beitrag interpretiert zunächst die zwei von Johannes Reuchlin (1455-1522) für seinen Dienstherrn Eberhard im Bart von Württemberg während des Wormser Reichstags im Sommer 1495 angefertigten Übersetzungen aus dem Griechischen: die Übersetzung der 12. Totenrede des Lukian und der 1. Olynthischen Rede des Demosthenes. Aus einer poetischen Epistel Reuchlins an den Magdeburger Gesandten Wolf von Hermansgrün (ediert und übersetzt im Anhang, S. 223-224) geht hervor, wie sehr der Humanist darunter litt, daß er bei der Herzogserhebung Eberhards am 21. Juli nicht anwesend sein konnte. Reuchlins Bekenntnis zum schwäbischen Deutsch verweist auf die Bedeutung des humanistischen Gentilpatriotismus: Reuchlin begriff sich als Schwabe und wurde von seinen Zeitgenossen als solcher identifiziert. Es wird herausgearbeitet, dass Reuchlin einen kulturell akzentuierten Patriotismus vertrat, der vor allem auf seine Heimatstadt Pforzheim und die patria und alte Kulturnation Schwaben bezogen war.



Die poetische Epistel wurde in den Clarorum virorum epistolae, Tübingen 1514 publiziert. Digitalisat der Lutherhalle

Edition in: Johannes Reuchlin, Briefwechsel, Bd. 1, Stuttgart-Bad Cannstatt 1999, S. 236-239 Nr. 75

Lateinischer E-Text:
http://projekte.geschichte.uni-freiburg.de/mertens/graf/epistel.htm

Die deutsche Übersetzung kopiere ich aus dem zweischichtigen PDF, um die Qualität der OCR zu belegen:.

"Johannes Reuchlin aus Pforzheim an Johannes Lycaeus (Wolf von Hermansgrün) in Worms
(1495)
Du mahnst mich, die glänzenden Ruhmestitel des jetzigen Herzogs, des Grafen von einst,
der gefälligen Muse anzuvertrauen. Bitte verschone mich damit. Du weißt nicht, wie kalt
mir ums Herz ist. Allzu Großes forderst Du von einem sehr kleinen Redner. Oft singe ich
verhaltene Lieder zur sanften Laute, die meiner allzu geschwätzigen Kehle entfliehen. Aber
noch während ich daran denke, klagende Verse so vor mich hin zu summen, schluckt der
Schwamm ein Werk, das der Ohren nicht würdig. - Du kennst mein Herz, das bei eisigem
Blute stockt. - Umgarnen kann die Lyra noch ein weiterer mißlicher Umstand. Vieles pflegst
Du zu sehen, Lycaeus, und vieles scheint Dir würdig, daß die Nachwelt es liest gleich
nach den Schriften der Alten. Im festlichen Kreis von Worms siehst Du alles: Könige und
Herzöge, Banner, Trophäen, Chöre, glänzende Höfe des Adels in Begleitung der Musen.
Besinge sie selbst, da Du selbst ja alles Großartige erblickst! Mich fesselt mein Haus und das
ausgebesserte Getäfel eines alten Daches, das schwarze Dach eines düsteren Giebels. Ich
brumme so vor mich hin oder schlichte zuweilen an Gerichtstagen die Streitereien der Gerber;
so mußt Du Dir meine Taten vorstellen. Was soll ich aufzeichnen die Lustbarkeiten
eines festlich gekleideten Königs, die ich nicht gesehen habe, oder die Erscheinung des
schwäbischen Herzogs, die man vor mir verbirgt? Jene Ilias meines Stammes wird man in
Wasser schreiben; ein Windhauch wird forttragen die eitlen Namen der Geschichte. Immer
nämlich fliehen Neckar und Bacenerwald die Musen, und im Schwabenland kann kein Platz
sein für Dichter."

Zu Reuchlins Verhältnis zu Eberhard im Bart siehe auch den im gleichen Band erschienenen Beitrag von Dieter Mertens, ebenfalls in Freidok online:
http://www.freidok.uni-freiburg.de/volltexte/2766/

***

Meine 1994 begonnene und 1995 behelfsmäßig fertiggestellte Scherz-Dichtung "Der Reichstag. Szene aus einem Humanistenleben"
http://www.histsem.uni-freiburg.de/mertens/graf/reuchl.htm
war das erste Johannes Reuchlin Online-Dramen-Fragment (und ist es wohl immer noch). Sie thematisiert die Gefühlslage des Tübinger Humanisten, der nicht dabeisein durfte, als sein Herr Eberhard im Bart auf dem Wormser Reichstag zum Herzog erhoben wurde.
 

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