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Plagiatsjäger Weber zeigte sich davon bereits überzeugt, als ich noch ein Plagiat ablehnte.

http://plagiatsgutachten.de/blog.php/vroniplag-wiki-frank-walter-steinmeier-hat-plagiiert/

Ziemlich albern und weltfremd kommt ers mir vor, wenn Eiferer Weber als Beispiel den folgenden Satz wählt:

Sowohl “Wohnunfähigkeit” als auch “Bindungslosigkeit” gehören ja schon lange zu den Kriterien entsprechender psychologischer Forschung.

Ich verweise dazu auch auf die im Kern von mir stammende Darstellung:

https://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Textplagiat

Im vorliegenden Referat eines Faktums sehe ich nicht die geringste Notwendigkeit, das mit eigenen Worten zu sagen.

Das hat mit "narrativem Duktus" (Weber) nichts zu tun. Zeloten wie Weber schaden dem Anliegen einer plagiatsfreien Wissenschaft nur.

Laut Telepolis hat die Arbeit auf Vroniplag den Plagiatsverdacht gegen Steinmeier erhärtet:

http://www.heise.de/tp/blogs/6/155125

Schauen wir uns aber mal

http://de.vroniplag.wikia.com/wiki/Fws/Fragment_185_01

an, eine der wichtigeren Stellen. Einerseits ist es eindeutig unkorrekt, dass die Anführungszeichen bei der langen wörtlichen Übernahme fehlen. Andererseits ist eine Täuschung (hinsichtlich der Urheberschaft) nicht gegeben, da diese mehrfach in den Fußnoten kenntlich gemacht wird. Von der Verschleierung in Art eines "Bauernopfers" kann hier nicht gesprochen werden, da die Mehrfachnennung eben nicht nur ein kleines Zugeständnis darstellt.

Es gibt noch zwei weitere "herausragende" Fundstellen, die mich aber nicht wirklich überzeugen. Übernahme einer thematisch unpassenden Endnote, wow! Fall 3: auch hier Nachweis der Vorlage am Ende des Abschnitts, aber keine Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme.

Als herausragend hätte eher

http://de.vroniplag.wikia.com/wiki/Fws/Fragment_150_03

etikettiert werden müssen, wo die Quellenangabe fehlt.

Nach derzeitigem Stand der Arbeiten hat Steinmeier also in einer Reihe von Fällen deutlich unkorrekt gearbeitet, indem er wörtliche Übernahmen nicht als solche angegeben hat. Dazu kommen einige vergessene Quellenangaben bei Übernahmen aus anderen Arbeiten.

Webers Konzept der "Intentionalität" ist Quatsch mit Soße. Wer als Politiker oder Berufstätiger an einer Dissertation arbeitet, kann durchaus gutgläubig Passagen aus der Literatur als Textbausteine mit geringen Abwandlungen übernehmen mit der Absicht, diese zu einem späteren Zeitpunkt in eigenen Worten wiederzugeben. Eine besonders prägnante Formulierung wird schon als Zitat hervorgehoben. Bei der (mutmaßlich hastigen) Überarbeitung erfolgt aber keine Kollation mit der Quelle mehr, weil vergessen wurde, dass man auch noch weitere Passagen wörtlich übernommen hatte. Also keine Täuschungsabsicht nur aufgrund der Tatsache, dass wörtliche Zitate nur teilweise gekennzeichnet sind.

Angesichts dieser Rechtfertigungsmöglichkeit - handwerkliche Schwächen der Arbeitsorganisation - ist es bei Plagiatsdelikten regelmäßig möglich, dolus directus und dolus eventualis ("Na wenn schon") in Abrede zu stellen.

Die aus dem Schachspiel stammende Metapher des Bauernopfers setzt aufgrund der Bildherkunft bewusstes und berechnendes Handeln voraus. Bauernopfer lassen sich aber auch durch die dargestellte Rechtfertigung "Exzerpte wurden versehentlich eigener Text" schlüssig erklären.

Hier soll es nicht um eine Mohrenwäsche für Plagiatoren gehen, sondern um die Frage, wie weit uns das Konzept intentionalen Handelns bringt.

Ich habe in meiner Dissertation 1987 eine deutliche anti-mentalistische Skepsis vertreten (siehe insbesondere die Einleitung), die ich auch heute noch für richtig erachte. Wenn ich es recht sehe, hat sich niemand davon beeindrucken lassen:

http://books.google.de/books?id=pcvWAAAAMAAJ&pg=PA14

Das bedeutet aber nicht, dass meine Position falsch ist.

Während das juristische Konzept des Vorsatzes uns in Teufels Küche führt, kann man sehr viel besser bei Plagiatsfällen mit der "Fahrlässigkeit" bzw. dem Sorgfalts-Begriff arbeiten.

https://de.wikipedia.org/wiki/Fahrl%C3%A4ssigkeit#Leichte_und_grobe_Fahrl.C3.A4ssigkeit

Die zumutbare und von den Prüfungsordnungen implizit geforderte Sorgfalt bedeutet im wissenschaftlichen Kontext, dass bei (riskanten) Erfassung von Exzerpten aus der Literatur vor der Übernahme in den eigenen Textentwurf nochmals eine gründliche Überarbeitung anhand eines nochmaligen akribischen Vergleichs mit der Vorlage stattfinden muss, so dass in den allermeisten Fällen ungekennzeichnete Übernahmen und fehlende Anführungszeichen eliminiert werden.

Bisher sehe ich bei Steinmeier nur leichte Fahrlässigkeit.

Siehe auch
http://archiv.twoday.net/search?q=steinmeier

steinmeier_vroniplag
Stefan Heßbrüggen (Gast) meinte am 2013/10/12 22:03:
Lerneffekte
Ein gutes hat die öffentliche Diskussion über Plagiarismus ja: uns als Lehrende zwingt die Debatte auch zur Reflexion der eigenen Maßstäbe. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sehr häufig dann plagiiert wird, wenn die eigenständige Erarbeitung einen erheblich erhöhten Aufwand mit sich gebracht hätte. Man könnte das vielleicht das "Schavan-Prinzip" nennen. In solchen Fällen gehe ich von Vorsatz aus, auch wenn ich den actus reus nicht gerichtsfest würde begründen können - die Note nicht bestanden allerdings sehr wohl. Das ist ja das eigentliche Problem der Plagiatsbearbeitung im politischen Raum: sie findet nachgelagert statt, wären die Prüfer im Rahmen pflichtgemäßer Ermessensausübung in diesen Fällen zum Urteil "nicht bestanden" gelangt, wäre dagegen wohl vor keinem Verwaltungsgericht dieser Welt anzukommen gewesen. Die nun statthabende Relativierung der eigentlich gültigen Maßstäbe erklärt sich eben daraus, dass die Note eigentlich schon vergeben worden ist - oder liege ich da ganz falsch? 
KlausGraf antwortete am 2013/10/12 22:11:
Nein
Bei Seminararbeiten, die in der Regel innerhalb eines kurzen Zeitraums angefertigt wurden, zählt ja das Vergesslichkeitsargument nicht. Man kann da vergleichsweise leicht versuchen, in einen Dialog mit den "Missetätern" einzutreten und wohl auch in vielen Fällen herausbekommen, dass ihnen klar war, dass sie etwas tun, was nicht OK ist.

Bei der nachträglichen Entziehung wegen Plagiats gibt es diese Erkenntnismöglichkeit nicht. Alle ertappten Plagiatoren haben - oder habe ich etwas übersehen - keinerlei Unrechtsbewusstsein gezeigt, was vor der gerichtlichen oder universitären Klärung ja auch angezeigt ist. Aber auch danach haben sie nichts oder zu wenig zu dem hier diskutierten Sachverhalt "Vorsatz oder nicht?" beigetragen. 
Stefan Heßbrüggen (Gast) antwortete am 2013/10/12 23:19:
Schlanke Füße...
machen sich übrigens nicht nur die Kandidaten, sondern auch die beteiligten Kollegen. Aus dieser Richtung habe ich jedenfalls auch noch kein "Mea Culpa" vernommen, sondern höchstens (Häberle) fassungslose Entrüstung über mißbrauchtes Vertrauen. Zur Täuschung gehört auch immer der, der sich täuschen lässt. Ernsthafte Betreuung von Doktoranden über die gesamte Betreuungszeit hinweg dürfte Plagiate wenn nicht verhindern, so doch zumindest erheblich erschweren. Und wer es dann doch noch versucht, sollte doch eigentlich gerade aufgrund des in Deutschland typischerweise engen Verhältnisses zwischen Hochschullehrer und Doktorand leicht zu entlarven sein. Meine Sympathien für das angelsächsische Modell, das Betreuung und Bewertung in verschiedene Hände legt, wachsen jedenfalls. 
Erbloggtes (Gast) antwortete am 2013/10/13 02:38:
Anteil der Prüfer
Würden die Prüfer erklären "Dass ich mich täuschen ließ, liegt zum Teil an meinen eigenen Versäumnissen" [ergänze: denn ich habe die fragliche Arbeit gar nicht ordentlich gelesen, sondern nur überflogen], ließen sich daraus m.E. Gründe ableiten, mit denen die Doktorentzüge gerichtlich revidiert werden könnten. Koch-Mehrin hat ja argumentiert, der Uni seien die "Schwächen" ihrer Arbeit bei der Prüfung bekannt gewesen. (Eumann hat übrigens auch so argumentiert, wenn auch mit einer ganz anderen Art "Schwäche".) Wenn die "Schwächen" im Prinzip bekannt waren, aber durch Pflichtverletzungen der Prüfer nicht berücksichtigt wurden, könnte man das kaum dem Prüfling anlasten.

Wenn die Haustür offen steht, kann niemand wegen Einbruchs belangt werden. Deshalb wäre es nicht nur peinlich, wenn die Doktorväter so etwas (und sei es nur stückchenweise) zugäben, sondern auch illoyal gegenüber den Kollegen, die sich heute den Kopf über die Möglichkeit eines Doktorentzuges zerbrechen. 
Stefan Heßbrüggen (Gast) antwortete am 2013/10/13 13:32:
Diese Argumentation ist ein Beleg für meine These:
aus der Sicht des lehrenden Wissenschaftlers ist das Kind schon in den Brunnen gefallen, wenn der Titel nachträglich entzogen werden muss und das Verfahren u. U. dann noch vor Gericht landet. Das bedeutet, dass nicht nur die Bewertung, sondern schon die Betreuung der Arbeit fehlerhaft gewesen ist. Genauso muss sich doch auch der Leiter eines Labors fragen, wie die Organisation seiner Gruppe u. U. Datenfälschungen eines Mitglieds Vorschub geleistet hat. Wenn über solche Fragen nicht gesprochen werden kann, ähnelt die Situation der in Kunstfehlerprozessen, in denen Mediziner keine Fehler zugeben dürfen, weil sonst ihre Versicherungsprämien steigen. Ein solches Redeverbot bringt es mit sich, dass sich die Unkultur des derzeitigen deutschen Promotionswesens perpetuiert. Was das langfristig für das Ansehen der deutschen Wissenschaft im Ausland bedeutet, kann sich jeder selbst ausmalen. 
Erbloggtes (Gast) antwortete am 2013/10/13 15:03:
Was daran ist deutsch?
Ja, ganz richtig, die strukturellen Probleme kann man nicht bekämpfen, wenn man die Plagiatoren als Verbrecher darstellt, deren persönliches Versagen die einzige Ursache ist.

Dass das nun das Ansehen der deutschen Wissenschaft im Ausland besonders betrifft, kann ich nicht sagen. Denn die strukturellen Faktoren, die Datenfälschung, Plagiaten und Ähnlichem Vorschub leisten, würde ich zumindest teilweise nicht als spezifisch deutsch ansehen. Wobei: Ich könnte mir schon vorstellen, dass eine steile Hierarchie, verbunden mit der engen Bindung der Promovierenden an ihre Betreuer, d.h. ein deutliches Defizit in Austausch, Orientierung, Kontrolle unter Gleichen, in Deutschland stärker ist als in einigen Nachbarländern. Anders gesagt: Hätte Guttenberg ständig mit anderen Doktoranden kooperiert, wäre es wohl nicht so weit gekommen. 
EJay (Gast) antwortete am 2013/10/13 18:21:
Anteil der Prüfer
Erbloggtes liegt vollkommen richtig: die Gefahr einer gerichtlichen Anfechtung verdammt die Doktorväter geradezu dazu, die Maske gekränkter Unschuld zu tragen. Für die Frage der langfristigen Plagiatsbekämpfung ist das fatal, weil die Fehler dadurch nicht im System selbst gesucht werden (dürfen).
Wissenschaft ist hier in Gefahr, von einem formaljuristischen Diskurs völlig vereinnahmt zu werden. Das kann ihr nicht guttun. Sie muss eigene transparente Kriterien und Regularien entwickeln. Daher genügt es nicht, Plagiate zu dokumentieren. Wissenschaft muss immer auch Deuten und Bewerten, dabei Fehldeutungen und das Bekenntnis zu eigenen Irrwegen zulassen und auf diesem Wege die Erkenntnis vorantreiben. In diesem Sinne sei Klaus Graf herzlich für seinen Beitrag gedankt. 
Stefan Heßbrüggen (Gast) antwortete am 2013/10/13 20:32:
Deutschland und das Ausland
Ich halte es schon für einen deutschen Sonderweg, die Promotion als berufsqualifizierenden Abschluss anzusehen: ich muss ausländischen Kollegen regelmäßig erklären, auf welche historischen und sozialen Gegebenheiten dieser 'Titelfetischismus' zurückzuführen sein mag. Selbst wenn man medizinische Promotionen herausrechnet, meine ich mich erinnern zu können, dass die Anzahl der Promotionen in Deutschland weit überdurchschnittlich ist.

Begreift man die Promotion als Akt der Aufnahme in die Wissenschaftlergemeinde, kann und muss ein im Vergleich zu Deutschland erhöhter Aufwand getrieben werden. In den USA wird die Arbeit von einem auch mit externen Experten besetzten Komitee beurteilt, dem der Betreuer der Arbeit nicht angehört. In Groningen veranstaltet man gar ein Mini-Symposion mit externen Gutachtern, die zu Themen der Arbeit selbst Vorträge halten.

Diesen Aufwand kann man natürlich nur betreiben, wenn nicht primär, wie im deutschen Berichtswesen, auf die Zahl der Promotionen, sondern auf deren Qualität gesetzt wird, wie sie sich etwa in Placement-Statistiken niederschlägt, also in der Anzahl derer, denen die Promotion tatsächlich den Weg in die Wissenschaft ebnet.

Spreche ich also vom Ansehen der deutschen Wissenschaft im Ausland, dann nicht im Sinne eines nebulösen Dichter-Denker-Patriotismus, sondern konkret vom Wert einer deutschen Promotion auf dem globalisierten Arbeitsmarkt. Der kann sicher nicht gerettet werden, wenn die, die für die Organisation des Betriebs verantwortlich sind, durch Systemzwänge daran gehindert sind, sich überhaupt auch nur in Frage zu stellen. 
Stefan Heßbrüggen (Gast) antwortete am 2013/10/14 01:49:
Zur Konkretion
Unten, also im weiteren Verlauf, wird folgendes Fragment näher erörtert:

http://de.vroniplag.wikia.com/wiki/Fws/196

Wie kann ein Prüfer oder eine Prüferin übersehen, dass Fußnote 326 so nur bei einem wörtlichen Zitat statthaft wäre, im Fließtext die erforderlichen Anführungszeichen aber fehlen? Doch nur dann, wenn dieser Absatz entweder nicht gelesen worden ist oder die Zitierregeln der Rechts"wissenschaft" solches Gebaren zum damaligen Zeitpunkt als normal angesehen haben.

Inzwischen kenne ich zumindest eine deutsche juristische Fakultät, die ihre Richtlinien entsprechend angepasst hat:

"Jede wörtliche Übernahme eines fremden Textes ist durch Anführungsstriche zu kennzeichnen." (http://www.jura.uni-hamburg.de/public/rechtsgrundlagen/Promotion_Plagiate.pdf)

In einem anwaltlichen Schriftsatz kann es angezeigt sein, die Wortwahl eines einschlägigen Urteils möglichst eng zu übernehmen, um dem Richter so anzuzeigen, dass das Urteil auf den zu beurteilenden Sachverhalt anwendbar ist. Das aber ist doch bitte schön keine Wissenschaft. Und genau solche Passagen haben mir schon bei der Arbeit von Sensburg den Kamm schwellen lassen, zumal mein ehemaliger Dienstherr die Angelegenheit auf höchst intransparente Weise abgebügelt hat.

Können wir uns also bitte jenseits aller juridischen Finessen darauf einigen, dass das angeführte Fragment so nicht in Ordnung geht, dass jeder aufmerksame Leser ein solches Versagen hätte feststellen können müssen, dass folglich der Verdacht gerechtfertigt ist, dass die Prüfer dieser Arbeit eben nicht sorgfältig gelesen haben können oder selbst außerordentlich vermurkste Maßstäbe wissenschaftlichen Arbeitens gehabt haben?

Wer sieht, mit welcher Sorgfalt, gemessen an den Maßstäben ihrer Zeit, frühneuzeitliche Juristen zitiert haben, kann sich nur mit Grausen wenden. 
HIndemith (Gast) meinte am 2013/10/12 23:03:
Sonderbare Ausrede
Das von ihnen vorgeschlagene Erklärungsszenario:

"[man] kann durchaus gutgläubig Passagen aus der Literatur als Textbausteine mit geringen Abwandlungen übernehmen mit der Absicht, diese zu einem späteren Zeitpunkt in eigenen Worten wiederzugeben."

mag mit etwas Mühe, und der Annahme einer sehr unkreativen Arbeitsweise in der heutigen Zeit Sinn machen. Steinmeier dankt aber in seiner Dissertation seiner Sekretärin für das Abtimmen kilometerlanger Tonbänder. Ich finde, da wäre ihr Erklärungsversuch dann doch sehr weit hergeholt. 
KlausGraf antwortete am 2013/10/12 23:13:
Ist doch unabhängig vom Einzelfall
Auch beim Diktieren können Exzerpte in unveränderter Form übernommen werden. Diktieren kann womöglich noch fehleranfälliger sein. Und man kann natürlich auch einen Rohentwurf diktieren mit der Absicht, ihn nochmals zu überarbeiten, was dann unterbleibt. 
Hindemith (Gast) antwortete am 2013/10/13 10:59:
Genau
Ich sagte: "sehr weit hergeholt", nicht "unmöglich".

Im Endeffekt wird eine wichtige Frage sein, ob man diese "Erklärung" für weite Teile der Dissertation bemühen muss, oder ob sich diese Arbeitsweise auf einige wenige Fundstellen beschränkt. 
PD (Gast) meinte am 2013/10/13 01:57:
Ich denke, die bisher nur wenige Tage alte Dokumentation auf VroniPlag zeigt schon ganz deutlich die generelle Arbeitsweise von Herrn Steinmeier: Lange, wörtliche Übernahmen, für die fast immer mit einer Fußnote die präzise Quelle angegeben wird.

Es ist davon auszugehen, dass sich diese Arbeitsweise noch auf vielen weiteren Seiten der Dissertation nachweisen lässt.
Herr Steinmeier hat mehrere Jahre an seinem Lehrstuhl wissenschaftlich gearbeitet und publiziert. Man darf wohl davon ausgehen, dass er die Zitierpraktiken in seinem Forschungsgebiet kannte.

Ich sehe deshalb zwei Erklärungsmöglichkeiten für diese Arbeitsweise:

a) Es war damals/dort üblich, auch längere Textstellen wörtlich ohne Anführungszeichen zu übernehmen, solange die Quelle angegeben wurde. Steinmeier machte also subjektiv nichts falsch.

b ) Es war nicht üblich, Textstellen wörtlich ohne Anführungszeichen zu übernehmen. Steinmeier wollte über seine eigene Leistung täuschen, indem er fremde Gedanken und Formulierungen als seine eigenen ausgab, und versuchte sich gegen Plagiatsvorwürfe abzusichern, indem er fleißig Fußnoten setzte.

Für Fall b) spricht einiges:

Die Existenz der Fußnoten spricht überhaupt nicht gegen eine Täuschungsabsicht.
Der Begriff "Bauernopfer" hat sich eben etabliert, weil es viele ertappte Plagiatoren gab, die genau diese Arbeitsweise an den Tag legten - nicht zuletzt Guttenberg, der im Interview mit di Lorenzo wenig glaubhaft argumentierte:
"Es ist schon ein Unterschied, ob man eine Stelle aus einem fremden Werk komplett übernimmt und den Autor dann nirgends auftauchen lässt oder ob man den Autor tatsächlich ins Literaturverzeichnis aufnimmt und ihn, wenn auch fehlerhaft, in den Fußnoten benennt. In diesem Fall haben Sie keine Täuschungsabsicht, sonst würden Sie den Autor doch gar nicht aufführen." [1]

Dann gibt es da einige wörtlich übernommene Stellen in Steinmeiers Dissertation, die so persönlich sind, dass man sie niemals guten Gewissens ohne Anführungszeichen platzieren dürfte [2].

Und an ein paar Stellen (z.B. [3]) sieht man auch, dass Steinmeier durchaus auch Übernahmen in Anführungszeichen setzt, ohne dass ersichtlich ist, weshalb das dort passiert und nicht an allen anderen Stellen.

Schließlich muss man sich auch fragen, wo denn die persönliche Bewertung des Autors Platz hat, wenn seitenweise nur fremde Gedanken in fremder Formulierung reproduziert werden.

Alles in allem spricht doch einiges für einen bewussten Täuschungsversuch, oder?

[1] http://www.zeit.de/2011/48/DOS-Guttenberg/seite-2
[2] http://de.vroniplag.wikia.com/wiki/Fws/Fragment_019_01
[3] http://de.vroniplag.wikia.com/wiki/Fws/Fragment_175_123 
KayH (Gast) meinte am 2013/10/13 12:38:
Klaus Graf bemerkt zum Fragment auf Seite 185, dass "die Anführungszeichen bei der langen wörtlichen Übernahme fehlen", jedoch "eine Täuschung (hinsichtlich der Urheberschaft) nicht gegeben" sei, "da diese mehrfach in den Fußnoten kenntlich gemacht wird". Offensichtlich übersieht Graf bei diesen Ausführungen jedoch, dass im letzten Teil der Übernahme die Anführungszeichen gerade eben nicht fehlen, sondern willkürlich ein Teil des Ausführungen von Preuß in Anführungszeichen gesetzt wird:

"Die universelle Handlungsmacht. wird zwar auf ein unverzichtbares Minimum reduziert, weil nicht alle Individuen gleichermaßen ein Maximum an Freiheit in Anspruch nehmen können, aber dieser 'Kernbestand an Freiheit dirigiert alle Sozialverhältnisse und organisiert sie damit nach den Kriterien individuellen Eigenhabens, für die alle sozialen Verbindlichkeiten begrifflich als Freiheitsbeschränkungen erscheinen müssen'.[FN 286]"

Wie anders soll das zu lesen sein als: Der Leser findet auf dieser Seite eine Paraphrase der Ausführungen von Preuß. Ein Teilsatz ist so prägnant, dass er wörtlich zitiert wird und deshalb in Anführungszeichen eingeschlossen wird. Was aber tatsächlich vorliegt: Die gesamte Seite ist wörtlich von Preuß abgeschrieben. Es handelt sich nicht um eine Paraphrase mit einem kleinen Zitatanteil. Und genau darüber wird der Leser durch diese "Bauernopfer-Technik" getäuscht. 
Stefan Weber (Gast) antwortete am 2013/10/13 13:56:
Hallo Herr Graf,

Ihre Verteidigung von Herrn Steinmeier erstaunt mich sehr, Ihr unsachlicher Angriff auf mich lässt mich kopfschütteln.

Würde das hier dokumentierte Fragment
http://de.vroniplag.wikia.com/wiki/Fws/066
für Sie auch unter "Exzerpte wurden versehentlich eigener Text" fallen?

Hier wurde nicht nur aus der Quelle WEITER unzitiert abgeschrieben, es wurde auch in der Quelle zitierte Literatur MIT abgeschrieben (auf VroniPlag leider nicht farblich markiert, siehe "Emmerich-Sonnenschein, Miete, 3. Aufl., § 564 b Rn.25").

"Exzerpte wurden versehentlich eigener Text": Ich versuche mir vorzustellen, wie das gehen soll. Das müsste dann mehr oder weniger alles die Sekretärin verpatzt haben, und Steinmeier hat am Schluss aus Zeitgründen die fertige Arbeit nicht mehr angesehen, oder?

Ein solches Erklärungsmuster müsst dann aber für alle bislang überführten Plagiatoren - auch für Guttenberg! - gelten. Ihrer Auffassung von intentionalem Plagiat zufolge könnten wir dann nie Täuschung feststellen.

LG
sw 
TTT (Gast) antwortete am 2013/10/13 14:24:
Mutmaßlich hastiger Blogbeitrag?
Wer als Berufstätiger an einem Blogbeitrag arbeitet, kann durchaus gutgläubig Passagen in der VroniPlag-Dokumentation übersehen mit der Absicht, sich diese zu einem späteren Zeitpunkt nochmal genauer anzuschauen. Bei der (mutmaßlich hastigen) Kommentierung erfolgt dann aber keine Kollation mit der Dokumentationsquelle mehr, weil vergessen wurde, dass man da nochmal genauer nachschauen wollte. Also liegt keine Täuschungsabsicht nur aufgrund der Tatsache vor, dass wörtliche Zitate nur teilweise gekennzeichnet sind.

Verstanden? Nein, habe ich auch nicht. Aber offensichtlich will uns KG sagen, dass es nicht weiter tragisch ist (also leicht fahrlässig), wenn man sich Dokumentationen nur oberflächlich anschaut oder in einer Dissertation seitenweise Fremdtexte mal ungekennzeichnet abschreibt, mal zitiert, solange man beliebig Quellenangaben in den Text einstreut.

Das Urteil über zu Guttenberg muss neu gefällt werden. Hier lag offensichtlich ein Verfahrensirrtum vor. 
KayH (Gast) antwortete am 2013/10/13 14:43:
"Keine Stelle ohne Quelle"
Ich hatte Klaus Graf bereits auf zwei bislang identifizierte Hauptquellen hingewiesen und dazu bemerkt, dass dieses systematische wörtliche Ausschlachten fremder Texten samt Übernahme von Sekundärquellen aus diesen Texten nicht als "leicht fahrlässig" qualifiziert werden könne:

http://de.vroniplag.wikia.com/wiki/Quelle:Fws/Achterberg_1973

http://de.vroniplag.wikia.com/wiki/Quelle:Fws/Preu%C3%9F_1979

Sein Kommentar dazu: "Unsinn". Erinnert wirklich fatal an die inzwischen als klassisch zu bezeichnende Chatzimarkakis-Verteidigung gegen den Einsatz massiver Baueropfer in der Oxford-Variante: "Keine Stelle ohne Quelle". 
TTT (Gast) antwortete am 2013/10/13 16:17:
Ein ziemlich eindeutiger Fall
In der Tat zeigen diese beiden Quellen das systematische Vorgehen Steinmeiers. Aus beiden Quellen werden großflächig Texte wörtlich ohne jede Kennzeichnung übernommen sowie die darin enthaltenen Verweise auf die jeweils diskutierte Literatur. Steinmeier täuscht so systematisch darüber hinweg, dass nicht er die Auseinandersetzung mit den Sekundärquellen führt, sondern der nur via Quellenverweis referenzierte, aber selten wörtlich zitierte Autor. Dass Steinmeier weiß, was er da tut, zeigen die wenigen wörtlichen Zitate, die hier und da dennoch eingestreut werden. Besonders bemerkenswert bei aktuellem Diskussionsstand ist die Fußnote 243: http://de.vroniplag.wikia.com/wiki/Fws/Fragment_175_123 Man vergleiche das mit der Fußnote 241, in der Steinmeier ein ähnlich umfangreiches wörtliches Zitat von Preuß in Anführungszeichen zu setzen versteht. Warum wohl diese Wechsel? Damit nicht zu sehr auffällt, wie abhängig "Steinmeiers Text" letztlich von seinen Quellen ist?

p.s. Herzlichen Dank für die Zitierung des Urteils des VG Köln in Sachen Chatzimarkakis weiter unten. Mehr muss man zu den hier diskutierten Zusammenhängen nicht weiter sagen. 
Stefan Weber (Gast) meinte am 2013/10/13 13:58:
Hallo Herr Graf,

Ihre Verteidigung von Herrn Steinmeier erstaunt mich sehr, Ihr unsachlicher Angriff auf mich lässt mich kopfschütteln.

Würde das hier dokumentierte Fragment
http://de.vroniplag.wikia.com/wiki/Fws/066
für Sie auch unter "Exzerpte wurden versehentlich eigener Text" fallen?

Hier wurde nicht nur aus der Quelle WEITER unzitiert abgeschrieben, es wurde auch in der Quelle zitierte Literatur MIT abgeschrieben (auf VroniPlag leider nicht farblich markiert, siehe "Emmerich-Sonnenschein, Miete, 3. Aufl., § 564 b Rn.25").

"Exzerpte wurden versehentlich eigener Text": Ich versuche mir vorzustellen, wie das gehen soll. Das müsste dann mehr oder weniger alles die Sekretärin verpatzt haben, und Steinmeier hat am Schluss aus Zeitgründen die fertige Arbeit nicht mehr angesehen, oder?

Ein solches Erklärungsmuster müsst dann aber für alle bislang überführten Plagiatoren - auch für Guttenberg! - gelten. Ihrer Auffassung von intentionalem Plagiat zufolge könnten wir dann nie Täuschung feststellen.

LG
sw 
EJay (Gast) meinte am 2013/10/13 14:32:
Schlamper, Blender und Betrüger
Es ist sicher richtig, dass arglistige Täuschungsabsicht schwer gerichtsfest zu belegen ist. Juristisch genügt bei Prüfungen aber der Anscheinsbeweis, der im Streitfall zu einer Umkehr der Beweislast führt. Der Prüfling muss die "ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs" plausibel belegen. Die alte Schutzbehauptung, man habe Texte exzerpiert und dies anschließend vergessen, greift hier kaum. Denn hier läge dolus eventualis vor: Ich arbeite unsauber und denke: Egal, wird später vielleicht noch werden. Im äußersten Fall ist es grob fahrlässig und daher juristisch sattelfest für Sanktionsmaßnahmen, über die freilich die Fakultät zu befinden hat.
Wenn Steinmeier einen Ausweg sucht, kann er allenfalls argumentieren, "lege artis" gearbeitet zu heben. In den Rechtswissenschaften werden Anführungszeichen in der Tat seltener eingesetzt und relativ eng am Text paraphrasiert. Ob damit allerdings seitenlange Übernahmen gerechtfertigt sind, wäre auf dieser Basis zu beweisen.

Jenseits der juristischen Beweisfestigkeit sehe ich die Annahme einer Täuschung im Rahmen meines Ermessensspielraums als Dozent als maßgebliches Kriterium an. Eine Hausarbeit, in der eine Definition schlecht aus der wikipedia paraphrasiert wird - gibt eines auf die Finger und gut! Anders, wenn ich das Gefühl gewinne, dass jemand mit einer gewissen Systematik darauf abzielte, bei mir einen falschen Eindruck über den Grad seiner Eigenleistung und seine individuellen Fähigkeiten zu erzeugen. Man könnte hier zwischen Blender (Schavan) und Betrüger (Guttenberg) differenzieren. Die Konsequenzen werden in jedem Fall spürbar sein, erfolgen aber erst nach einem persönlichen Gespräch.

Es ist ebenso traurig wie auffällig, dass die bisher überführten Plagiatoren weder Reue noch Einsicht zeigen. Womöglich hat das aber etwas mit der Vermeidung eines Eingeständnisses im laufenden jursitischen Verfahren zu tun. Schade, wenn das Verfahrensrecht über menschliche Selbstverständlichkeiten triumphiert. Wie im Straf- und Kirchenrecht sollte man Möglichkeiten der Resozialisierung in die Gemeinschaft der Wissenschaft vorsehen. Fallbeil oder Freispruch dürfen nicht die ausschließlichen Alternativen bleiben.

@ Stefan Weber: Ihr Engagement in Ehren, aber das reflexartige Vorpreschen in Scharfrichtermanier, sobald irgendwo jemand „Plagiat“ ruft, richtet womöglich mehr Schaden als Gutes an. 
KayH (Gast) antwortete am 2013/10/13 14:56:
Verwaltungsgericht Köln zu Chatzimarkakis
Das Verwaltungsgericht Köln führt im Fall Chatzimarkakis mit unmissverständlicher Klarheit aus, dass die von Klaus Graf verteidigte Arbeitsweise Steinmeiers nicht akzeptabel ist:

"Der Kläger hat über die Eigenständigkeit seiner wissenschaftlichen Leistung getäuscht, indem er die dem Wortlaut nach entnommenen Stellen seiner Arbeit entgegen der abgegebenen Versicherung nicht hinreichend kenntlich gemacht und diese so als eigene Leistung ausgegeben hat. Die durch den Kläger vorgenommene Kennzeichnung auch der dem Wortlaut nach entnommenen Stellen (allein) durch Fußnoten steht entgegen seiner Ansicht nicht mit der von ihm abgegebenen Erklärung im Einklang. Diese verlangt zwar keine besondere Art der Kenntlichmachung, unterscheidet jedoch klar zwischen Entnahmen dem Wortlaut und Entnahmen dem Sinn nach, die kenntlich gemacht werden sollen. Eine Entnahme dem Wortlaut nach kann aber nur kenntlich gemacht werden, wenn die Kenntlichmachung sich von der im Falle der sinngemäßen Entnahme unterscheidet.

Selbst wenn indes mit dem Kläger darauf abgestellt wird, seine Erklärung beziehe sich nur auf die generelle Kenntlichmachung der Entnahme aus anderen Werken, ohne zwischen Entnahme dem Sinn und Entnahme dem Wortlaut nach zu unterscheiden, steht die Zitierweise des Klägers mit der abgegebenen Erklärung nicht in Einklang. Der Kläger hat in der von ihm vorgelegten Stellungnahme zu den von Vroni-Plag erhobenen Vorwürfen selbst eingeräumt, dass für ca. 10 % des gesamten Textes eine wörtliche Wiedergabe nicht als Entnahme erkennbar ist, weil die Fußnoten so gesetzt sind, dass die Zuordnung zu eigenem oder fremdem Text nicht möglich ist (vgl. BA 1, Anlage K 2, Seiten 3, 49). An diesen Stellen stellt es sich dem Leser so dar, als habe er Text des Klägers vor sich, während es sich tatsächlich um wortwörtliche Übernahmen fremden Textes handelt, die für den Leser nicht erkennbar sind. Dazu trägt insbesondere auch die (ebenfalls von dem Kläger eingeräumte) Übernahme der in dem Fremdtext gesetzten Fußnoten (so z. B. der Fußnoten 49, 137, 141, 162, 208, 209, 218-220 etc.) bei, die den Eindruck erwecken, dass hier der Kläger selbst für seine Ausführungen Belegstellen angibt. Allein die fehlende Kenntlichmachung in diesem (eingeräumten) erheblichen Umfang begründet die fehlende Übereinstimmung der von dem Kläger verfolgten Verfahrensweise bei der Erstellung der Dissertation mit der abgegebenen Erklärung.

Letztendlich sind - unabhängig vom Wortlaut der abgegebenen Erklärung - nach Auffassung der Kammer wortwörtliche Übernahmen grundsätzlich als solche kenntlich zu machen. Andernfalls wird - worauf der Beklagte zu Recht hinweist - bei dem Leser der Eindruck erweckt, hier setze sich der Verfasser mit eigenen Worten mit fremden Texten auseinander, wohingegen er tatsächlich nur abschreibt." http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/vg_koeln/j2012/6_K_6097_11urteil20120322.html

Ob hier eine Täuschungsabsicht des Verfassers vorliegt oder nicht, spielt letztlich überhaupt keine Rolle. Entscheidend ist, ob faktisch der Leser darüber getäuscht wird, wer in einer Dissertation spricht und wer die Auseinandersetzung mit der zitierten Sekundärliteratur führt. 
EJay (Gast) antwortete am 2013/10/13 17:42:
Täuschung, Absicht und Technokratie
Nach juristischem Ermessen spielt die Frage der Täuschung bei der Rücknahme eines Verwaltungsaktes (§ 48 VwVfG) keinerlei Rolle. Im zitierten Fall kann der Nachweis aber sogar als schlüssig erbracht gelten: Die Anhörung von Doktorvater und Zweitgutachter hat die objektive Täuschung belegt (sie waren in Unkenntnis), die Einwendungen den Klägers konnten den Anschein der subjektiven Täuschung nicht hinreichend entkräften, da für diese unpräzise Zitierweise im Fach keine Norm oder unmittelbare Vorbilder vorliegt. Im Übrigen waren hier nicht 10%, sondern 60% des Textes unzureichend gekennzeichnet. Das Argument der Schludrigkeit kann also nicht greifen.

Nach menschlichem und daher auch wissenschaftlichem Ermessen würde ich der Frage der Täuschungsabsicht durchaus maßgebliches Gewicht zuerkennen. Es geht hier um Entscheidungen von einiger Tragweite für die Betroffenen. Die individuelle Zurechenbarkeit durch Tatvorsatz sollte bei einem Titelentzug gegeben sein. Es kommt gerade nicht darauf an, was sich ein x-beliebiger Leser womöglich im Delirium "faktisch" denken mag, sondern was ihm suggeriert werden sollte. Wenn wir den Leser zum Maßstab nehmen, dann müssten wir jeweils demokratisch abstimmen. 2/3 Mehrheit für Plagiate? Wer wäre außerhalb der Fakultät stimmberechtigt (vroniplag, Herr Weber, Rektor Huber von der LMU)? Wenn überhaupt müssten die Gutachter entscheiden, die das VG Köln daher auch angehört hat.

Jede Forderung einer Null-Fehler-Toleranz ist bestenfalls technokratisch zu nennen (zelotisch gefällt mir noch besser). Damit spiele ich nicht auf den Fall fws an, von „Null-Fehler“ kann hier keine Rede mehr sein... 
KayH (Gast) antwortete am 2013/10/13 17:42:
Promotionsordnung der Jur. Fak. der Uni Gießen
Zur Ergänzung, obgleich es darauf mE gar nicht ankommt - Steinmeier wird wohl ebenfalls, wie Chatzimarkakis, eine Eidesstattliche Versicherung bei Einreichung seiner Arbeit abgegeben haben mit folgendem Wortlaut:

"Ich erkläre an Eides Statt: Ich habe die vorgelegte Dissertation selbständig und ohne unerlaubte fremde Hilfe angefertigt. Alle Textstellen, die wörtlich oder sinngemäß aus veröffentlichten oder nicht veröffentlichten Schriften entnommen sind, und alle Angabe, die auf mündlichen Auskünften beruhen, sind als solche kenntlich gemacht." http://www.uni-giessen.de/cms/mug/7/html/40-01-1.html/#Par_9

Die von Klaus Graf nahegelegte Argumentation, eine Kenntlichmachung wörtlicher Zitate durch bloße Beigabe einer Quellenreferenz in einer Fußnote sei eine ausreichende Kennzeichnung, dürfte damit wohl - unter Berücksichtigung der oben zitierten Ausführungen des VG Köln - vollends hinfällig sein. 
KayH (Gast) antwortete am 2013/10/13 18:02:
Täuschungsabsicht
@EJay: Das ist sicher richtig. Ich wehre mich allerdings dagegen, die von Klaus Graf geführte Strohmann-Argumentation aufzugreifen, in der er Webers "Intentionalitätskonzept" sowie dessen Rede von der Übernahme des "narrativen Duktus" eines fremden Textes gegen die "leicht fahrlässige", dem beruflichen Alltag geschuldete "gutgläubige" Sammlung von Exzerpten ausspielt, deren Umformulierung mit eigenen Worten einfach nur zu einem späteren Zeitpunkt vergessen wurde.

Zunächst gilt der Textbefund. Und es ist auch mE zulässig, einen "idealisierten wissenschaftlichen Leser" zu unterstellen, der beurteilen kann, wie zwischen wörtlichem Zitat und Paraphrase formal zu unterscheiden ist (ganz zu schweigen vom Umgang mit Sekundärquellen und deren Interpretation). Die Belegstellen bei Steinmeier sind inzwischen bereits so zahlreich und der Befund so eindeutig, dass man annehmen muss, dieser "idealisierte wissenschaftliche Leser" würde sich durch Steinmeiers Arbeitsweise getäuscht fühlen, ganz gleich, ob Steinmeier diese Täuschung nun beabsichtigt hat oder nur fahrlässig in Kauf nahm. 
EJay (Gast) antwortete am 2013/10/13 18:06:
Auslegungsspielräume
Ich will hier wirklich nicht zum Steinmeier-Verteidiger werden. Aber eine Argumentation, zumal wenn sie juristisch geführt wird, sollte schon ein Mindestmaß an Korrektheit aufweisen:

"Unter Berücksichtigung der oben zitierten Ausführungen des VG Köln" - diese kannte fsw 1991 noch nicht, daher irrelevant.

"Als solche kenntlich gemacht" - da könnte man jetzt interpretieren: Das geschah nach den Regeln des Faches. Erst hier kann m.E. überhaupt die Diskussion ansetzen. In Fragment 150 03 etwa zitiert auch Achterberg Fraenkel ohne Anführungszeichen. Durfte sich fws an diesem autoritativen Vorbild orientieren? Sicher nicht, solange es eine Eintagsfliege bleibt ("Andere fahren auch zu schnell" schützt kaum vor Strafe). Aber das parallele Bestehen konträrer Normen wäre der einzige Ansatzpunkt, durch den ich "leichte Fahrlässigkeit" als advocatus diaboli argumentativ begründen könnte. 
EJay (Gast) antwortete am 2013/10/13 18:32:
@KayH
Unsere Posts haben sich zeitlich überschnitten. In der Sache liegen wir eng beieinander, auch wenn ich den "idealisierten Leser" gerne fachspezifisch kontextualisieren würde. Nicht im Sinne des Schavanismus nach der Devise "wir waren damals keine echte Wissenschaft". Aber nicht nur für Theologen kann Tradition ein autoritatives Gewicht beanspruchen. Wenn ein Promovent denkt: "Vergiß die Fachstandards" würde ich von Vorsatz ausgehen.

Dazu gleich ergänzend: Neugierig habe ich mir gestern Abend einen Text vom Doktorvater angesehen. Keine Auffälligkeiten... 
KayH (Gast) antwortete am 2013/10/13 18:43:
Fachspezifik
@EJay: Ja, die Posts haben sich überschnitten. Und ich denke auch, dass unsere Argumente nah beieinander sind. Auch will ich nicht bezweifeln, dass es Unterschiede in den jeweiligen Fachkulturen geben könnte bzw. früher gab (und das ebenfalls nicht im Sinne des "Schavanismus"). Im VroniPlag Wiki waren gerade die Besonderheiten in juristischen Arbeiten immer wieder Thema (und es sind auffallend viele Juristen im VroniPlag Wiki aktiv). Aus all diesen Diskussionen heraus würde ich jedoch klar sagen, dass sich die bislang ersichtliche Arbeitsweise Steinmeiers durch diese Fachspezifik nicht gedeckt sehen kann. 
TTT (Gast) meinte am 2013/10/13 21:02:
KG-Stil
@KayH: Ja, der gute KG ist selten um einen ad personam geführten Angriff verlegen. Auf Twitter schreibt er Ihnen lapidar "Unsinn". In einer Paralleldiskussion im Kommentarbereich von Erbloggtes schreibt er mit Bezug auf Ihren Hinweis auf das Fragment auf Seite 185:

"Wie wenig Ahnung bei Äußerungen wie von KayH auf Twitter dahintersteckt, versuche ich anhand des dort verlinkten Fragments zu zeigen in: http://archiv.twoday.net/stories/506933035/" http://erbloggtes.wordpress.com/2013/10/10/vroniplag-eine-innenansicht/#comment-4325

Leider muss man allerdings, wie Sie weiter oben zeigen, sehen, dass KG das Fragment gar nicht richtig angeschaut hat. In der Tat handelt es sich hier um die Reinform eines "Bauernopfers": Der Verfasser zitiert einen kleiner Teil einer Quelle wörtlich und korrekt mit Anführungszeichen, übernimmt jedoch einen weiteren, deutlich umfangreicheren Textabschnitt ungekennzeichnet ebenfalls wörtlich, jedoch ohne entsprechende Kennzeichnung. Der Leser wird damit über den Umfang der Textentlehnung wissentlich getäuscht.

Wie wenig Ahnung KG damit in seinem vorliegenden Blogpost offenbart lasse ich mal unkommentiert. 
KlausGraf antwortete am 2013/10/13 21:20:
Dümmliches Mir-am-Zeug flicken
Selbstverständlich habe ich mir das Fragment angeschaut. Von einem Bauernopfer kann keine Rede sein, da, wie ich schrieb, mehrere Fußnoten versuchen, die Abhängigkeit von der Vorlage zu verdeutlichen. "„Ein kleiner Teil wird als Ergebnis fremder Geistestätigkeit gekennzeichnet, damit die Eigenautorschaft [...] hinsichtlich des übrigen Textes umso plausibler wird.“ (Wikipedia s.v. Bauernopfer). Bezogen auf die Seite gibt es keinen übrigen Text, denn der Leser muss den Eindruck gewinnen, dass sich der Autor auf dieser Seite eng an Preuß anlehnt. Das unkorrekte Weglassen der Anführungszeichen kann einfach durch Schlamperei erklärt werden.

Wie in der Wikipedia scheinen Besserwisserei und Rechthaberei und Kritikunfähigkeit auch bei den Mitarbeitern von Plagiatwikis eine unangenehme Melange einzugehen.

Das nur als Zwischenbemerkung. 
TTT (Gast) antwortete am 2013/10/13 21:49:
Schlamperei
Natürlich lässt sich das durch Schlamperei erklären. Vieles lässt sich dadurch erklären. Aber leider sieht man an der Fülle der Belege, die auf VroniPlag bereits dokumentiert sind, dass das dann wohl Schlamperei in einem größeren Umfang gewesen sein muss. Dieser Schlamperei fallen auch Zitate aus den Quellen zum Opfer, die 1:1 inkl. Literaturreferenz kopiert, teilweise dabei sogar entstellt werden oder einem falschen Autor zugeordnet. Auch sollte man sich bei diesem Ausmaß fragen: Was hätte ein Gutachter wohl gesagt, wenn das alles korrekt zitiert worden wäre? Seitenweise Zitate aus verschiedenen Quellen aneinandermontiert ergeben eine Dissertation?

Man muss nun den Fortgang der Analyse auf VroniPlag abwarten. Allerdings ist es bereits zum jetzigen Zeitpunkt gewagt, den Persilschein zu zücken und allenfalls "leichte Fahrlässigkeit" zu erkennen. Aber, das soll Ihnen unbenommen sein, werter KG. Zum jetzigen Zeitpunkt können wir als Zwischenstand festhalten: 10% der Seiten einer Diss mit z.T. seitenlangen ungekennzeichneten Zitaten sind in Ihren Augen: Schlamperei, aber nicht weiter zu beanstanden. 
KayH (Gast) antwortete am 2013/10/13 22:14:
Zwischenstand
Der Hinweis von TTT auf Ihren Post bei Erbloggtes, lieber Herr Graf, ist durchaus interessant.

Sie sagen, Sie zeigten mir Ihrem vorliegenden Blogbeitrag, wie "wenig Ahnung bei Äußerungen wie von KayH auf Twitter dahintersteckt" und begründen das nun damit, dass das Fehlen von Anführungszeichen in dem vom mir referenzierten Fragment Ergebnis einer "Schlamperei" gewesen sein könnte. Rein objektiv zeigt das Fragment zwar alle Merkmale eines Bauernopfers - denn natürlich beansprucht Steinmeier beim Wechsel von vorgespielter Paraphrase zu ausgewiesenem wörtlichen Zitat "Eigenautorschaft" für die nicht durch Anführungszeichen markierten Textteile, ganz gleich, ob diesen eine Literaturreferenz beigegeben ist -, aber subjektiv bewerten sie es eben nicht als Bauernopfer, da eben Schlamperei im Spiel sein könnte und Literaturreferenzen den fremden Ursprung hinreichend ausweisen.

Verzeihen Sie mir. Ich halte mich durchaus für kritikfähig und möchte auch nicht besserwisserisch daherkommen. Aber mich einerseits der Ahnungslosigkeit zu bezichtigen, andererseits aber mit dieser deutelnden Schwurbelei daherzukommen, überzeugt mich einfach nicht. Und dabei halte ich Sie nicht für ahnungslos, sondern schlicht und einfach: für argumentativ nicht sonderlich überzeugend. Die Fülle der Belege spricht gegen Ihr Argument.

Ansonsten schließe ich mich TTT an: Die Dokumentation bei VP steht noch am Anfang. Wir werden sehen, anhand wie vieler Quellen sich eine ähnliche Arbeitsweise nachweisen lässt. 
KayH (Gast) antwortete am 2013/10/13 23:47:
Wieder das gleiche Konstruktionsprinzip. Der obere Teil der Seite nahezu wörtlich aus Quelle A übernommen, der untere Teil der Seite nahezu wörtlich aus Quelle B. Unten wurde ebenfalls eine Literaturreferenz aus Quelle B 1:1 übernommen, oben nur geringere Teile der Quelle als wörtliches Zitat markiert, obgleich der gesamte Absatz weitgehend wörtlich aus der Quelle stammt und somit zitiert gehört (man beachte übrigens, dass Steinmeier ausgerechnet den Text im als wörtlich ausgewiesenen Zitat verändert!).

Man muss wirklich fragen: Was würde ein Gutachter zu einer aus zwei Langzitaten zusammengesetzten Seite samt Literaturreferenz aus zweiter Hand wohl sagen, wenn das korrekt zitiert worden wäre? 
TTT (Gast) antwortete am 2013/10/14 00:01:
Großflächige Übernahme
@KayH Die Übernahme aus den beiden Quellen beginnt bereits auf Seite http://de.vroniplag.wikia.com/wiki/Fws/196 und zieht sich über insgesamt vier Seiten hin. Wer das mit "Schlamperei" erklärt... 
KayH (Gast) antwortete am 2013/10/14 01:28:
Seitenweise Übernahme
Nein, die Übernahme beginnt in diesem Unterkapitel bereits auf Seite http://de.vroniplag.wikia.com/wiki/Fws/185. Es geht dann nach den o.g. auf den Seiten http://de.vroniplag.wikia.com/wiki/Fws/201 ff so weiter. In diesem Unterkapitel sind bislang betroffen also: 185, 188-189, 191,193, 196-199, 201-203 und 205-206.

Im Inhaltsverzeichnis kann man gut sehen, wie weitgehend damit ganze Unterkapitel in Steinmeiers Diss mit unmarkiertem Fremdtext gefüllt werden:

http://de.vroniplag.wikia.com/wiki/Fws/Inhaltsverzeichnis 
 

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