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Kölner Restaurator Thomas Klinke über seine Arbeit nach der Archiv-Katastrophe

Auszüge:

Ich bin es ja gewohnt, mit Kulturgut umzugehen, in geborgenen Räumen, in Schutzräumen, in klimatisierten Räumen bei höchster Sicherheitsstufe. Und jetzt erlebe ich es, dass kostbares Kulturgut in Trümmern liegt, teilweise regelrecht zerfetzt, beschädigt durch Steinschlag, durch allerlei Dreck und Einflüsse von außen, unter freiem Himmel. Wir hatten ja extrem schlechtes Wetter letzte Woche in Köln, es hat ergiebige Regenfälle gegeben. [...]

Es ist so, dass die Zugänge zur Baustelle nach wie vor sehr schwierig sind. Also es gibt im nördlichen Bereich und im südlichen Bereich dieses Unglücksortes sehr schmale Zugänge. Man hat sich beispielsweise im nördlichen Bereich, dort, wo auch jetzt nach den Verschütteten gesucht wird, einen künstlichen Zugang verschaffen müssen über den Hinterhof eines Gebäudes einer angrenzenden Straße. Dort können also immer auch nur kleine Gruppen von Personen arbeiten, weil einfach gar nicht mehr Platz zur Verfügung steht. Und es sieht also so aus, dass die Feuerwehrkräfte dann wirklich mit bloßen Händen einzelne Archivalien aus den Trümmern holen, soweit sie das erkennen können. Und es wird eine Kette gebildet, die Feuerwehrkräfte reichen diese Kulturgüter weiter. Und dann steht eine Gruppe von Restauratoren vor Ort, die schon einmal grob vorsondiert. Es stehen Rollcontainer bereit, es stehen unzählige Pappkartons bereit, und es kann eine grobe Sortierung vorgenommen werden. Und dann werden diese Fundstücke weitergeleitet an einen Ort, wo sehr viel mehr Platz zur Verfügung steht zum einen und sehr viel mehr Hilfskräfte auch zur Verfügung stehen.

Heise: Was macht man als Erstes, wenn man diese Dinge in die Hände bekommt?

Klinke: Ja, also im Moment kann es tatsächlich nur um allererste Notfallmaßnahmen gehen, denn es ist ja so, wir dürfen einfach noch gar nicht an die Restaurierung denken. Bei den Beständen des Historischen Archivs der Stadt Köln handelt es sich - ich möchte Neudeutsch sagen - um einen echten Multimediamix. Wir haben dort sowohl alte Handschriften, wertvollste Urkunden auf Pergament. Wir haben natürlich unzählige Mengen an Papier, aber auch an Fotografien. Also die ganze Geschichte der Fotografie ist dort abgebildet. Es gibt Papierabzüge, es gibt Negative, es gibt Glasnegative, sehr empfindliche. Es gibt Tonbänder, seltenes Siegelmaterial. Und allein dieser Mix an verschiedenen Materialien, der macht es auch so schwierig, jetzt eine Pauschalmaßnahme zu veranlassen. Das Wichtigste ist also, erst mal zu sondieren, zu trennen auch die verschiedenen Medien und erst dann zu entscheiden, wie man weiter mit ihnen verfährt. [...]

Also es ist ja so, dass wir das Problem des Wassereintrags von oben durch den Regen [...] haben und zum anderen müssen wir damit rechnen, da wir wissen, dass das Archivgebäude komplett in die Baugrube eingesunken ist und dann erst gekippt, ein Großteil der Mengen des Archivs in den Tiefen des Grundwassers versunken ist. Ich habe mir das in einem Gespräch mit einem Feuerwehrmann noch mal bestätigen lassen. Die Situation im Schacht sieht also so aus, dass man auf regelrechte Pressschichten trifft. Das heißt, wenn wir im Moment Kulturgüter bergen, dann ist das freilich ein anderer Fall. Es sind Dinge, die aus dem vierten bis sechsten Obergeschoss stammen. Es ist überraschend, dass da einige Dinge bereits zutage treten, die noch in einem vergleichsweise guten Zustand sind. Ich habe also ein gutes Dutzend, mehrere Dutzend kann ich sagen, mittelalterliche Handschriften selber in der Hand gehabt, die in einem vergleichsweise guten Zustand vorliegen, die noch nicht mal zu Wasserschäden geworden sind. Das ist also wirklich eine gute Nachricht in dieser traurigen Zeit. Und wir werden, je tiefer man jetzt mit der Bergung voranschreitet, damit rechnen müssen, dass in den Tiefen des Archivs dann wirklich es zu ganz schweren Verbackungen von Trümmer, Schutt, Verschmutzungen und eben kostbarem Archivgut gekommen ist. Und das sind für uns natürlich die größeren Probleme. Wir sind darauf vorbereitet, diese stark durchnässten Kulturgüter schnellstmöglich in eine sogenannte Schockfrostung zu geben. Das sind also große Gefrieranlagen, in denen man auch beispielsweise Lebensmittel aufbewahren kann. Das muss deshalb gemacht werden, einfach weil die Gefahr des Schimmelpilzwachstums sehr groß ist. Die Archivbestände bestehen ja zu - na, ich möchte sagen - 90 Prozent aus organischem Material. Dieses organische Material ist idealer Nährboden für Mikroorganismen, Pilze. Und wenn man nicht schnell interveniert in einem solchen Fall, dann ist das Wachstum von Pilzen unvermeidlich und es tritt sozusagen ein zweiter Teil des Schadens ein, der fast wiederum dann noch unwiederbringlicher ist als der erste Teil.
Mitleser (Gast) meinte am 2009/03/09 22:35:
Bilder:Stückelarbeit der Archivare
Bilderstrecke des Express:
http://www.express.de/nachrichten/region/koeln/die-stueckelarbeit-der-archivare_artikel_1235811353385.html?fotolineid=1235811352373 
 

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