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Vom Kaufmannsbund
Kölner Verlust: Bestände zur Hansegeschichte

Als Bremen 2008 seinen Beitritt zur Hanse vor 650 Jahren feierte, wurde überall die versiegelte Pergamenturkunde vom 8. August 1358 abgebildet. Das Original lagerte in Köln. Auch dieses dürfte beim Einsturz des dortigen Stadtarchivs zerstört worden sein wie unzählige andere Dokumente zur Hanse.


Man muss es immer wieder schreiben: Für Nachrufe ist es zu früh. Wenn die Urkunde im Haupturkundenarchiv aufbewahrt wurde, ist sie höchstwahrscheinlich unbeschadet gerettet worden - ebenso wie z.B. der immer wieder zitierte Verbundbrief, von dem ich definitiv weiss, dass ers "geschafft hat".

Köln war neben Lübeck der wichtigste Ort zur Aufbewahrung der Geschichte des Städtebundes. Wenige Stunden vor dem Einsturz hatten die Archivleiter aus Bremen und Lübeck miteinander telefoniert. Es sei "kein Geheimnis" gewesen, sagt Konrad Elmshäuser, Leiter des Staatsarchivs in Bremen, dass es "um das Gebäude nicht gut bestellt war".

So riefen jetzt die Archivleiter aus Lübeck, Hamburg und Bremen - Jan Lokers, Udo Schäfer und Elmshäuser - gemeinsam zur Rettung des verschütteten Materials auf [1]. Schon 1418 hatte sich der Rat der Stadt Bremen in einem Streit mit Hamburg an Köln gewandt und - vergeblich - um eine Abschrift "van der fundatacien der Duytzschen hensze", der Gründungsurkunde also der Hanse, gebeten. Neben Lübeck zweiter Erinnerungsort der Hanse wurde Köln spätestens 1594, als Aktenarchiv und Abschriften der Hanserezesse des Brügger Hansekontors aus Antwerpen hierhergebracht wurden - seither lagern sie im Archiv der Stadt Köln.

Die Antwerper wählten nach dem Niedergang ihres Handels Köln zur Bestandssicherung nicht nur, weil es die nächstgelegene Hansestadt war. Die Umsiedlung der Urkunden des damals größten Hansekontors zwischen 1593 und 1594 erfolgte auch, weil Köln als sichere Stadt galt - sie ist tatsächlich vor dem Zweiten Weltkrieg nie zerstört, erobert, geplündert worden. Zudem gehörte Köln zu den Reichsständen, die meisten anderen Hansestädte aber waren landständisch. Nur mit der Reichsstandschaft, so die damalige Rechtswissenschaft, war das "Ius archivium habendi" [2] verbunden, das Recht eines Archivs mit Beweiskraft. So vertraute die Hanse neben Lübeck den Stadträten von Köln ihren schriftlichen Hanseschatz an.

[...]

Was blieb, waren die Hanseakten. Das Staatsarchiv der Freien Hansestadt Bremen, so Konrad Elmshäuser, verwahrt 6000 Urkunden aus dem Mittelalter. Köln, dessen Stadtfarben Weiß und Rot die der Hanse sind, nannte 65 000 sein Eigen. Wie viele die Katatrophe überdauert haben, weiß derzeit niemand. ROBERT VON LUCIUS


Text: F.A.Z., 10.03.2009, Nr. 58 / Seite 34

[1] http://www.bremen.de/sixcms/detail.php?&id=10293665&_hauptid=551437&_subid=928493

[2] Siehe dazu auch den Bericht über ein Kolloquium zu den Beständen des Kölner Stadtarchivs 2007 "Überlieferungsbildung im Historischen Archiv der Stadt Köln":

http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/tagungsberichte/id=1859&count=59&recno=13&sort=datum&order=down&geschichte=60
Tobias Kemper (Gast) meinte am 2009/03/10 16:23:
Verbundbrief: Von ihm gibt es mehrere Ausfertigungen. Eine hängt sicher in der Vitrine im Stadtmuseum. Der Rat und jede Gaffel hatte sein Exemplar; ich meine, es gebe weltweit um die fünf Ausfertigungen noch. 
Mitleser (Gast) meinte am 2009/03/10 22:07:
Radio Vatikan: Verluste zum politischen Katholizismus
„Neben den Handschriften von Albertus Magnus beklagen Wissenschaftler zudem große Verluste für die Forschung zum politischen Katholizismus. Das Kölner Stadtarchiv verwahrte unter anderem den Nachlass des Journalisten und Politikers der katholischen Zentrumspartei Carl Bachem (1858-1945). Bachem gehörte zum Führungskreis katholischer Politiker im Kaiserreich und der Weimarer Republik.“
http://www.oecumene.radiovaticana.org/ted/Articolo.asp?c=271765 
Wolf Thomas meinte am 2009/03/11 13:34:
Martin Schoebel, Landesarchiv Greifswald, zu Hanseverlusten:
" ..... Mit dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs sind möglicherweise auch bedeutende historische Dokumente des Hansebundes verloren gegangen. Diese Befürchtung äußerte der Direktor des Landesarchivs in Greifswald, Martin Schoebel, in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa. "Das Aktenarchiv in Köln umfasste gut 23 laufende Meter Akten zur Hanse, darunter fast 500 Urkunden", sagte der Historiker. Sollten diese Bestände beim Einsturz vernichtet worden sein, sei dies ein großer Verlust auch für den norddeutschen Kulturraum. "Der Hanseforschung würde künftig eine wichtige Grundlage fehlen."

Im Kölner Stadtarchiv lagerten unter anderem die Protokolle der Hansetage in Brügge, eines der vier einst wichtigsten Hansekontore. Diese Protokolle seien 1594 nach Köln gebracht worden. "Das Kölner Stadtarchiv ist neben dem Archiv in Lübeck das bedeutendste Archiv zur Hanse und für den niederdeutschen Sprachraum", sagte Schoebel.
Noch könne niemand sagen, welche und wie viele dieser historischen Dokumente aus den Trümmerbergen in Köln gerettet werden können, berichtete Schoebel weiter, der lange Zeit im Rheinland gearbeitet hat. Die Chancen, die alten Bestände weitgehend unbeschadet zu bergen, schätze er eher als gering ein. Mehr als 90 Prozent der Dokumente bestünden aus Papier, das bei Kontakt mit Wasser zu schimmeln beginne.
"Urkunden werden entweder hängend in Schränken oder gefaltet in Kartons aufbewahrt", erläuterte der Experte. Der Großteil der Akten habe sich in Regalen befunden. "Selbst wenn sie geborgen werden können, wird es Jahrzehnte dauern, sie zu restaurieren und damit der Forschung wieder zugänglich zu machen."
Problematisch sei zudem, dass nur ein Bruchteil der Unterlagen in nachgedruckter Form vorliege.
Nach Auffassung Schoebels vermittelten die Kölner Archivalien zur Hanse in ihrer Gesamtheit ein lebendiges Bild über die Verbindungen der Hansestädte untereinander und die Kontakte in andere europäische Länder. Die Hanse sei zwar bereits gut erforscht, doch veränderten sich die Fragestellungen der Forscher mit der Zeit. "Bei einem Verlust der Originalquellen wird Geschichtsforschung dann schwierig." ...."
Quelle:
http://www.welt.de/welt_print/article3355282/Wertvolle-Hansedokumente-bei-Archiveinsturz-verschuettet.html 
Mitleser (Gast) meinte am 2009/03/12 14:22:
Günter Wallraff: Meine Papiere im Beton
„Erst mal habe ich den Verlust verdrängt, weil ja Menschen verschüttet waren. Da sind die Papiere sekundär.“
Interview DIE ZEIT, 12.03.2009 Nr. 12
http://www.zeit.de/2009/12/Interview-Wallraff 
 

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